Hamburg. Innensenator Andy Grote darf bleiben, es sei denn, weitere belastende Fakten in der Umtrunk-Affäre tauchen auf.

Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hat seinem in der Umtrunk-Affäre unter Druck stehenden Innensenator Andy Grote (SPD) den Rücken gestärkt. Dass Grote vor drei Wochen zu einem Umtrunk mit 30 Freunden und Bekannten geladen hatte, sei zwar ein „Fehler“ gewesen, der nicht hätte passieren dürfen, so Tschen­tscher in der Landespressekonferenz. Aber unabhängig von der Frage, ob dabei gegen geltende Corona-Regeln verstoßen wurde, sehe er keinen Grund für einen Rücktritt, denn Grote sei „ein sehr guter Innensenator“. Er habe sich zudem mehrfach entschuldigt.

CDU-Innenexperte Dennis Gladiator kritisierte, Tschentscher zeige sich „fernab eines Aufklärungswillens“. Er habe dem Innensenator einen „Persilschein“ ausgestellt: „Damit akzeptiert er das Verhalten Grotes nicht nur, er macht es sich zu eigen“, so Gladiator. Unterdessen wurde bekannt, dass Unbekannte die Reifen des Autos von Grotes Ehefrau zerstochen haben.

"Ein solcher einmaliger Fehler rechtfertigt keinen Rücktritt"

Die erste bohrende Frage fliegt Peter Tschentscher (SPD) schon entgegen, bevor das Thema an der Reihe ist. Wie lange wolle sich der Bürgermeister die andauernde Umtrunk-Affäre um den Umtrunk seines Innensenators Andy Grote (SPD) noch ansehen, fragt ein Journalist am Dienstag kurz nach Beginn der Landespressekonferenz. Wann sei es Zeit für eine Entlassung? Zehn Tage nach dem ersten Bericht des Abendblatts über die „Zusammenkunft“ Grotes mit 30 Gästen in der HafenCity nahm Tschentscher schließlich erstmals ausführlich Stellung. Und er machte deutlich: Selbst wenn Grote die Corona-Rechtsverordnung gebrochen hat, hält er ihm politisch die Treue.

Das Treffen in einer Bar sei falsch gewesen und ärgere ihn nach wie vor, sagt Tschentscher am Dienstag. „Aber ein solcher einmaliger Fehler rechtfertigt keinen Rücktritt.“ Als Senatschef sei es seine Pflicht, verhältnismäßig auf die Verfehlung des Senators zu reagieren. Und dabei wiege die fachliche Leistung stärker als der Fehltritt. „Herr Grote hat in den vergangenen Jahren gezeigt, dass er ein sehr guter Innensenator war.“ Dabei sei ihm auch ein besonderes Maß „an Vertrauen zugewachsen“, begründet Tschentscher seine Haltung. Er verweist auch darauf, dass Grote mehrmals um Entschuldigung gebeten hat. Damit, argumentiert Tschentscher, sei die Angelegenheit vorübergehend abgehakt.

Vom Bürgermeister kommt keine klare Antwort

Nur bleiben nicht nur bei der Opposition drängende Fragen. Grote selbst hat – trotz seines Bedauerns – immer wieder deutlich betont, dass er gegen keinerlei Corona-Auflagen verstoßen habe. Ob Tschentscher diese Einschätzung teile? Darauf gibt der Bürgermeister in der Landespressekonferenz auch auf mehrfache Nachfragen fast aller großen Medien in der Stadt keine klare Antwort. Er wiederholt, dass es die einhellige Meinung im Senat sei, dass Grote einen schweren Fehler begangen habe.

Aus Tschentschers Umfeld hieß es bereits zuvor, dass die „Zusammenkunft“ sehr wahrscheinlich nicht mit der Rechtsverordnung in Einklang zu bringen sei. Im für ihn besten Fall habe Grote eine „Regelungslücke“ genutzt. Der Bürgermeister widerspricht dem aber selbst am Dienstag. Auf die Frage, ob ihm die Ausnahme von der Kontaktbeschränkung bekannt gewesen sei, auf die sich Grote rechtlich beruft, sagt Tschen­tscher: „Es gibt keine Ausnahme.“ Näher will er nicht darauf eingehen, ob Grotes Verteidigung – nach der sein Umtrunk nur der „gemeinsamen Verabredung zu einem Gastronomiebesuch“ glich – überhaupt tragfähig ist. Die wichtigere Frage sei stattdessen, ob es sich rechtlich um eine „Feier“ gehandelt habe. Tschen­tscher macht deutlich, dass zumindest der Eindruck entstanden sei.

Auch bei Bußgeld wird Grote nicht entlassen

Dass der Innensenator und studierte Jurist die Rechtsverordnung gebrochen haben könnte, ist für Tschentscher jedoch zweitrangig. „Die politische Bewertung ist unabhängig davon“, betont er. Die deutliche Botschaft: Auch bei einem Bußgeld gegen Grote werde Tschen­tscher ihn nicht entlassen. „Wir gehen davon aus, das Herr Grote auch in den kommenden Jahren ein guter Innensenator ist“, sagt Tschentscher. Nur in zwei Fällen ist demnach doch eine Entlassung denkbar: wenn weitere, schwerwiegende Fakten oder Fotos über die Zusammenkunft bekannt werden – oder sich Grote einen anderen weiteren persönlichen Fehler leistet.

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Bislang hat sich jedoch außer Grote keiner der Beteiligten geäußert. Auch am Dienstag blieben Anfragen des Abendblattes an die SPD-Abgeordneten und Funktionsträger, die sicher oder dem Vernehmen nach mit in der HafenCity anstießen, weiter unbeantwortet. In Koalitionskreisen ist seit Längerem sogar von einem „Schweigegelübde“ die Rede. Darauf angesprochen, sagte Tschen­tscher, dass auch die Teilnehmenden einen „Fehler“ begangen hätten. „Über ihre Beweggründe kann ich jedoch nichts sagen“, so Tschentscher. Auf die Nachfrage, ob er sich freuen würde, wenn Gäste bald Fotos des Treffens veröffentlichen würden, um Grote zu entlasten, weicht Tschentscher aus: „Dieser Vorfall ist für mich kein Grund zur Freude.“

Wie lange der Umtrunk ging, fragte Tschentscher nicht

Wie lange der Umtrunk in der HafenCity dauerte und wie hoch die Getränkerechnung ausfiel, hält Innensenator Grote weiterhin selbst geheim. Auch dies sind für Tschentscher offenbar aber keine entscheidenden Details. „Ich habe diese Punkte nicht hinterfragt“, berichtet der Bürgermeister aus seinem Gespräch mit Grote, in dem er ihn jedoch sehr deutlich gerügt hatte. Deutlich wies Tschentscher dagegen jüngste Vorwürfe der Opposition zurück, mit einer Änderung auf der Webseite der Stadt nachträglich versucht zu haben, Grotes Verhalten zu legitimieren: „Die Regeln haben sich nicht geändert und sind auch sehr klar.“

Der Auftritt des Bürgermeisters stieß am Dienstagnachmittag auf teils scharfe Kritik. Der CDU-Innenpolitiker Dennis Gladiator sprach davon, dass Tschentscher und Grote die Stadt derzeit wie eine „Bananenrepublik“ erscheinen ließen. „Mittlerweile eiert der Bürgermeister argumentativ bei allen entscheidenden Fragen genauso herum wie der Senator.“ Für die FDP hat Tschen­tscher mit seinem „sturen Festhalten“ an Grote selbst Führungsschwäche bewiesen. Auch die AfD erneuerte ihre Forderung nach einem Rücktritt des Innensenators.