Hamburg. Linke nennt Handreichung der Stadt belastend für den Senator. CDU spricht von Skandal. Senatssprecher weist Vorwürfe zurück.

 In der Umtrunk-Affäre um Innensenator Andy Grote gerät nun auch Bürgermeister Peter Tschentscher (beide SPD) ins Visier der Opposition. Anlass ist, dass die Senatskanzlei am Sonntag nachträglich eine Liste der geltenden Corona-Regeln auf ihrer Website änderte – nachdem die Linksfraktion sie als stark belastend für den Innensenator gewertet und das Abendblatt eine entsprechende Anfrage gestellt hatte. Die CDU spricht von einem „skandalösen Versuch, das Verhalten Grotes nachträglich zu legitimieren“. Die Senatskanzlei wies den Vorwurf von Manipulation aber entschieden zurück.

Der Linke-Abgeordnete Deniz Celik hatte in einer Pressemitteilung auf die Handreichung verwiesen. Unter der Überschrift „Was ist erlaubt“ schrieb die Senatskanzlei dort, welche Ansammlungen angesichts der Corona-Regeln möglich sind. Die dortigen Formulierungen bewiesen laut dem Linke-Innenpolitiker Deniz Celik deutlich, dass Grotes Umtrunk mit 30 Gästen in der HafenCity – anders als von ihm beteuert – auf keinen Fall rechtmäßig sein könne. Tatsächlich wurde zumindest nicht erwähnt, dass die Corona-Auflagen durch eine „Verabredung zu einem gemeinsamen Gastronomiebesuch“ umgangen werden könnten. 

Handreichung am selben Tag wie Grotes Umtrunk

Im Wortlaut hieß es auf der Website: „Das Beisammensein im öffentlichen Raum ist nur mit Personen aus dem eigenen Haushalt und den Personen eines einzigen anderen Haushaltes gestattet. Bei allen Treffen dürfen nicht mehr als 10 Menschen aus diesen Haushalten zusammenkommen. Die Kontaktbeschränkung gilt auch für die Gastronomie.“ Grote hat die entsprechende  Rechtsverordnung mitbeschlossen und ist für ihre Durchsetzung verantwortlich. 

Die Handreichung datiert vom 10. Juni – demselben Tag, als Grote mit seinen Gästen in der HafenCity zusammenkam. Grote hat trotz seiner Bitte um Entschuldigung von Anfang an versichert, keine Regeln gebrochen zu haben. Zuletzt betonte er im Innenausschuss, den Umtrunk bewusst so angelegt zu haben, dass gegen keine Auflagen verstoßen werde.

Behördensprecher verweist auf Senatskanzlei

Für den Linke-Abgeordneten Deniz Celik ist diese Haltung mit Blick auf die Handreichung nicht mehr haltbar. „Andy Grote hat entweder wissentlich die Unwahrheit gesagt und die Bevölkerung hinters Licht geführt oder er kennt seine eigenen Corona-Regeln nicht und hat sich somit für das Amt disqualifiziert“, so Celik. „In beiden Fällen muss es zwingend zum Rücktritt kommen.“

Nachdem das Abendblatt einen Sprecher der Innenbehörde am Sonntag um Stellungnahme bat, sagte dieser zunächst, dass der Senator bei seiner Position bleibe. „Die redaktionelle Erstellung dieser Handreichungen liegt im Verantwortungsbereich der Senatskanzlei.“ Tatsächlich gelte die Zehn-Personen-Obergrenze nur für ein „Beisammensein“ ohne den Mindestabstand von 1,50 Metern, wie anhand der Rechtsverordnung in Verbindung mit den Auslegungshilfen ersichtlich sei. Dieser Abstand sei bei Grotes Umtrunk zu jeder Zeit eingehalten worden.

Senatkanzlei ändert Handreichung am Sonntagnachmittag

Am Sonntagnachmittag wurde die angeführte Handreichung von der Senatskanzlei selbst im gleichen Sinne geändert und mit einem Hinweis versehen, dass die vorherige Version zu „Unklarheiten“ geführt habe.   Die Senatskanzlei verwies aber darauf, dass dies etwa anhand der Auslegungshilfen in den vergangenen Wochen klar ersichtlich gewesen sei. Diese sind jedoch im Gegensatz zu der Handreichung für die Bürger nicht öffentlich.

Andy Grote hatte zuletzt im Innenausschuss gesagt, dass wahrscheinlich nicht alle Menschen von der Ausnahme der Zehn-Personen-Grenze wüssten, auch weitere Hamburger diese aber seit Wochen nutzten. Der CDU-Innenpolitiker Dennis Gladiator sprach von bewusster Täuschung der Bevölkerung. „Die maßgeschneiderte Neuinterpretation zeigt deutlich: Der Innensenator muss zurücktreten“, so Gladiator. Zudem sei die Causa Grote nun auch eine „Causa Tschentscher“.

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Umtrunk: Kommt Grote um das Bußgeld rum?

Zuerst waren neben der Opposition auch Senatskollegen und Parteifreunde des Senators davon ausgegangen, dass Grote wahrscheinlich ein Bußgeld für den Umtrunk werde zahlen müssen. Inzwischen ist aus dem Rathaus zu hören, dass Grote mit seiner Argumentation doch um eine Strafe herumkommen könnte. In Koaltionskreisen heißt es jedoch auch, in diesem Fall habe der Senator erfolgreich eine "Regelungslücke" genutzt.

Die Bußgeldstelle hat Grote einen Anhörungsbogen mit der Bitte um Stellungnahme geschickt, dieser muss innerhalb einer Woche beantwortet werden. Da die Bußgeldstelle keine Ermittlungsbehörde mit weiteren Befugnissen ist, könnte das Verfahren nach einem anonymen Hinweis auch aufgrund mangelnder Beweise eingestellt werden.