Hamburg. Elmar Wiesendahl sieht die SPD als tonangebend bei Koalitionsvertrag. Gründe für die mangelnde Durchsetzungsstärke der Grünen.

Bei den fast abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen in Hamburg haben sich die Grünen nach Ansicht des Parteienforschers Elmar Wiesendahl zu wenig durchsetzen können. „Mein Eindruck ist, dass die SPD mit ihrem Kapellmeister Tschentscher die Melodie vorgibt,und die Grünen liefern so ein paar Noten dazu, aber sind nicht gleichwertig in diesem Spiel“, sagt Wiesendahl. „Den Grünen fehlt eine Siegtrophäe – ein Thema, das sie sich wie einen Federbusch an den Kopf heften könnten.“

Die Grünen haben nach seinen Worten überall Kompromisse gemacht. „Sie setzen nach dem Prinzip Weiter so den Kurs fort, der schon vor den Wahlen eingeschlagen wurde“, sagte der 75-Jährige. Das zeige sich etwa bei Themen wie Klimaplan, Verkehrsberuhigung oder autoarme Innenstadt. „Sie haben auch im Bereich der Verkehrspolitik – da nehmen wir mal die Hafenquerspange A26-Ost – die Kröte geschluckt, ohne dass dafür Kompensationsleistungen erbracht wurden.“

Gründe für die mangelnde Durchsetzungsstärke der Grünen

Der von den Grünen angestrebte Paradigmenwechsel – eine grüne Fußgänger- und Fahrradstadt – lasse sich mit diesen Ergebnissen nur in mühsamen, kleinen Schritten realisieren. Der Politologe sieht vor allem zwei Gründe für die mangelnde Durchsetzungsstärke: den Wahlkampf und die Corona-Krise. „Ende Januar gab es praktisch noch einen Gleichstand“, sagte er. Dann seien die Grünen abgesackt, und die SPD habe einen enormen Zulauf bekommen und sei auf 39 Prozent gestiegen.

Der neue Hamburger Senat im Überblick:

  • Peter Tschentscher (SPD): Erster Bürgermeister
  • Katharina Fegebank (Grüne): Zweite Bürgermeisterin
  • Andreas Dressel (SPD): Finanzsenator
  • Dorothee Stapelfeldt (SPD): Stadtentwicklungssenatorin
  • Jens Kerstan (Grüne): Umweltsenator
  • Ties Rabe (SPD): Schulsenator
  • Michael Westhagemann (parteilos): Wirtschaftssenator
  • Melanie Leonhard (SPD): Sozial- und Gesundheitssenatorin
  • Andy Grote (SPD): Innen- und Sportsenator
  • Anna Gallina (Grüne): Justiz- Verbraucherschutzsenatorin
  • Anjes Tjarks (Grüne): Verkehrssenator
  • Carsten Brosda (SPD): Kultur- und Mediensenator

„Diese sich schon am Wahlabend abzeichnende Kluft ist durch die Corona-Krise noch mal verstärkt worden. Das ist die Stunde der Exekutive – allerdings in der Person des Ersten Bürgermeisters“, so Wiesendahl. „Dessen politisches Kapital wurde auch dadurch erhöht, dass er selbst Arzt ist und so umso mehr mit diesem Vertrauenspolster in die Hamburger Gesellschaft hineinwirken konnte.“ Dem hätten die Grünen nichts entgegenhalten können – „das schlug durch hin bis zu den Koalitionsverhandlungen.“

Alles zum neuen rot-grünen Senat: