Hamburg. Die Grünen haben offenbar eingelenkt. Auch für das Kraftwerk Moorburg und den Vollhöfner Wald hat die Koalition klare Pläne.

Die lange zwischen SPD und Grünen umstrittene Hafenpassage (A26 Ost) zur Verbindung von A1 und A7 wird gebaut — und das Kohlekraftwerk Moorburg soll möglicherweise schon in dieser Wahlperiode so umgerüstet werden, dass dort keine Kohle mehr verfeuert wird. Das sind die zentralen Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen beider Parteien im Bereich Wirtschaft und Umwelt, die am Freitagabend im Rathaus vorgestellt wurden.

„SPD und Grüne treten gemeinsam für die Grundfunktionen unserer Stadt ein“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) bei der Präsentation der Verhandlungsergebnisse.„Wir haben uns zum Hafen und Flughafen und den großen Infrastrukturprojekten bekannt. Wir bauen die Köhlbrandquerung, voraussichtlich einen Tunnel. Wir bauen die A26 Ost. Wir werden den Hafen ausbauen, modernisieren und weiterentwickeln“, so Tschentscher. Die Betriebszeiten des Flughafens würden nicht eingeschränkt. „Zugleich sind wir ambitioniert im Umwelt- und im Klimaschutz. Wir werden die Vollhöfner Weiden erhalten, aber dafür andere Flächen zusätzlich für die Hafennutzung zur Verfügung stellen“, sagte der Bürgermeister.

„Es ist uns gelungen, den starken Wirtschaftsstandort mit vielen klimapolitischen Maßnahmen in die Zukunft zu tragen“, sagte die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne). Sie kündigte die Gründung einer Innovationsagentur an. „Rund um den Forschungscampus Bahrenfeld“ solle zudem ein „Anker für Gründungen und Start-ups“ entstehen.

Rot-Grün: Kraftwerk Moorburg soll schnell aus Kohle aussteigen

Das Kohlekraftwerk Moorburg soll nach den Plänen der Koalition so schnell wie möglich aus der Kohleverfeuerung aussteigen – darüber würde bereits mit dem Eigentümer Vattenfall verhandelt, so Tschentscher. „Die Idee ist, die Hälfte des Kraftwerks abzuschalten und die andere Hälfte auf ein modernes GuD-Kraftwerk umzurüsten und zugleich den Standort zu nutzen für einen der weltweit größten Elektrolyseure für grünen Wasserstoff.“

Der voraussichtliche neue Köhlbrandtunnel solle auch eine „automatisierten Innovationstrasse etwa für automatisierten Containerverkehr“ erhalten, sagte die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne). Man habe zudem „vereinbart, eine Radquerung über den Köhlbrand zu prüfen“ und „möglicherweise die Pylonen der Köhlbrandbrücke“ im Sinne des Denkmalschutzes zu erhalten.

Wirtschaftsenator Michael Westhagemann (parteilos) sagte, man habe nun die „Rahmenbedingungen gesetzt, um unsere Wirtschaft weiterzuentwickeln“. Man wolle nun auch „ein Cluster Wasserstoff entwickeln, um das Thema grüner Wasserstoff voranzubringen“. Zudem werde es eine „Initiative zur Begleitung des Mittelstandes“ geben.

Hamburg soll "Modellstadt" für Klimaschutz werden

Beim Klimaschutz will Hamburg noch ehrgeiziger werden. „Wir wollen Hamburg zu einer Modellstadt für den Klimaschutz machen“, sagte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne). Um das 1,5-Grad-Ziel von Paris zu erreichen, müsse Hamburg die Klimaneutralität „deutlich vor 2050“ erreichen. Es gebe bereits Anmeldungen der Behörden von zwei bis drei Milliarden bis 2030 für Klimaschutzprojekte. Investitionen in den Klimaschutz würden „ein ganz wesentlicher Bestandteil“ der Konjunkturmaßnahmen nach der Coronakrise sein. Man wolle die Krisenbewältigung auch für eine „Modernisierung und Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandortes“ nutzen.

Der Hafen soll bis 2040 klimaneutral und zu einem „Innovationshafen“ umgebaut werden. Der Flughafen dürfe nicht lauter werden und das CO2-Budget von 2019 auch künftig nicht mehr überschreiten, sagte Kerstan. Dafür solle es eine CO2-abhängige Komponente des Flughafenentgelts geben, mit dessen Einnahmen umweltfreundliche Kraftstoffe entwickelt werden sollten.

Der Bau der Hafenpassage soll laut Kerstan dazu führen, dass die B73 im Süden der Stadt von einer Bundesstraße zu einer normalen Hauptverkehrsstraße zurückgestuft und teilweise zu einer zweispurigen Straße zurückgebaut wird. Auch solle geprüft werden, wie die Ludwig-Erhard- und Willy-Brandt-Straße in der City „durchgängiger und verträglicher im Rahmen des Konzeptes für eine autoarme Innenstadt umgestaltet werden können“.

Rot-Grün einigt sich: Gemischte Reaktionen aus der Wirtschaft

Die Reaktionen aus der Wirtschaft fielen gemischt aus. „Wir freuen uns sehr, dass sich die Koalitionspartner zu einem starken Wirtschaftsstandort bekannt haben“, sagte Handelskammer-Präses Norbert Aust. Große Projekte wie die A 26-Ost oder die Köhlbrandquerung könnten und müssten nun zügig angegangen werden. „Weitere Sonderbelastungen des Luftverkehrs sind vor dem Hintergrund der Corona-Krise aber nicht vertretbar, wenn Hamburg den Anschluss an andere internationale Standorte halten will.“ Positiv äußerte sich Aust über den vereinbarten Klimaschutz. „Das Ziel, bereits vor 2050 klimaneutral zu sein, ist wegweisend. Es darf aber nicht zu Einschränkungen bei der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen oder zu erhöhten bürokratischen Belastungen führen.“

Auch der Präsident des Unternehmensverbands (UV) Nord, Uli Wachholtz, zeigte sich in erster Linie erleichtert, dass die Vorhaben A 26-Ost, der Ersatzbau der Köhlbrandbrücke und der Ausbau des Hafens genauso wie die Beibehaltung der Betriebszeiten des Flughafens in den Vereinbarungen Niederschlag gefunden haben. „Arbeitsplätze und Wertschöpfung im Norden haben die Koalitionäre in den vereinbarten Kompromissen aus unserer Sicht im angemessenen Rahmen berücksichtigt.“

Hamburger Koalitionsverhandlungen: Kritik von Kruse und BUND

Gunther Bonz, Präsident des Unternehmensverband Hafen Hamburg (UVHH) zeigte sich erleichtert, dass die Diskussion über den Bau der A 26-Ost erledigt ist: „Das ist für die Hafenwirtschaft ein unverzichtbares Projekt.“ Er bedauerte, dass der Vollhöfner Wald der Hafenerweiterung nun nicht zur Verfügung steht. Der Präsident des Groß- und Außenhandelsverbands AGA, Hans Fabian Kruse, schlug kritische Töne an. Hamburg brauche deutlich mutigere Investitionen in die Infrastruktur.

Der Naturschutzverband BUND äußerte sich ebenfalls kritisch. „Die Ergebnisse sind mehrheitlich enttäuschend“, sagte Hamburgs BUND-Chef Manfred Braasch. „Insbesondere das Festhalten an der umstrittenen A 26-Ost ist ein ökologischer Rückschritt ohnegleichen. Die Autobahnplanung gehört in die Mottenkiste, ist ökologisch nicht vertretbar und viel zu teuer.“

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Hinzu kämen „viel zu schwache Vorgaben für den Hamburger Flughafen“. Von dort sei vor der Corona-Krise „jeder vierte Flug zu einem Ziel von unter 500 Kilometer“ gestartet. „Dies ist genau die Distanz, die gut und umweltfreundlich mit der Bahn bewältigt werden kann. Ein Verbot oder zumindest eine grundlegende Reduzierung der Kurzstreckenflüge wäre oberstes Gebot gewesen“, so Braasch. „Stattdessen sind ein paar Machbarkeitsstudien mit ungewissem Ausgang für die Umrüstung des Kohlekraftwerks Moorburg verabredet worden. All das überzeugt nicht.“