Hamburg. Vermeintliche Einflussnahme auf verjährte Warburg-Steuermillionen wäre “rein zeitlich“ nicht möglich gewesen.
Wie kein anderes Thema hat die Debatte über den Cum-Ex-Skandal die Endphase des Bürgerschaftswahlkampfs dominiert. Dabei haben die Berichte des NDR-Magazins „Panorama“ und der Wochenzeitung „Die Zeit“ vom 13. Februar zunehmend Kritik ausgelöst: Darin ging es um den Zeitpunkt der Veröffentlichung zehn Tage vor der Wahl, den nicht belegten unterschwelligen Vorwurf, Hamburg habe auf Druck aus der Politik darauf verzichtet, 47 Millionen Euro von der Warburg-Bank zurückzufordern, sowie den Umstand, dass entlastende Fakten weggelassen wurden.
„Der NDR hat kräftig mitgemischt im Wahlkampf“, beklagte sich Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) noch am Wahlabend, nachdem er zuvor mehrmals betont hatte, dass die Hamburger Steuerverwaltung grundsätzlich frei von politischem Einfluss entscheide.
NDR gibt selbstkritische Stellungnahme zu Cum-Ex-Berichten ab
Nun hat der NDR dazu eine ausführliche, selbstkritische Stellungnahme abgegeben und dazu einen Kommentar von Andreas Cichowicz, Chefredakteur NDR Fernsehen, veröffentlicht: „Haben wir in unserer Berichterstattung Fehler gemacht, die wiederum eine Kontroverse ausgelöst haben?“, fragt Cichowicz und antwortet: „Ja, das haben wir.“
Zu dem Vorwurf, aus dem Tagebucheintrag des Warburg-Inhabers Christian Olearius über ein Treffen mit dem damaligen Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sei nur die belastende Passage zitiert worden, nicht aber die entlastende, sagt Cichowicz: „So, wie wir es getan haben, war es sachlich und juristisch zwar nicht falsch, aber angreifbar. Dadurch konnte der Eindruck entstehen, wir hätten möglicherweise Entlastendes in der Berichterstattung weggelassen.“
„Allein rein zeitlich ist eine Einflussnahme … nicht möglich“
In der Stellungnahme wird zwar betont, dass „Panorama“ gar nicht behauptet habe, dass es eine direkte unzulässige Einflussnahme auf die Entscheidung der Steuerbehörden gab. Aber angesichts des Eindrucks, der in dem Bericht erweckt wurde, räumt Cichowicz ein: „Wir hätten deutlich machen sollen, dass es derzeit keinen Beweis gibt, dass Spitzenpolitiker der SPD direkt politischen Einfluss auf die Steuerbehörde ausgeübt haben. Ja, das wäre besser gewesen. Deshalb stelle ich es hier klar.“
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In der Stellungnahme des Senders wird zudem der von „Zeit“ und „Panorama“ erweckte Eindruck korrigiert, das Treffen von Scholz und Olearius stehe in einem Zusammenhang mit dem Verzicht auf die Steuermillionen: „Allein rein zeitlich ist eine Einflussnahme bezüglich der Rückforderung der 47 Millionen Euro auch nicht möglich. Die Verjährung trat bereits 2016 ein, während das berichtete Treffen Scholz – Olearius erst 2017 stattfand.“
Man habe "nichts zurückzunehmen", so Cichowicz
Dennoch habe man „nichts zurückzunehmen“, so Cichowicz in seinem Kommentar, in dem er auch den Zeitpunkt der Veröffentlichung verteidigt: „Ist es richtig gewesen, zehn Tage vor der Wahl über fragwürdige Entscheidungen der Hamburger Finanzbehörde und ebenso problematische Treffen von SPD-Spitzenpolitikern mit dem Chef der Warburg-Bank zu berichten? Ja, das war richtig.“
Es sei die Aufgabe von Journalisten in der Demokratie, Kontroversen anzustoßen und kritische Fragen zu stellen, so Cichowicz: „Dabei leitet uns nicht die Frage, wem unsere Berichterstattung nutzt oder schadet oder zu welchem Zeitpunkt sie stattfindet.“