Hamburg. Die Partei bangt bis in den späten Abend um den Einzug ins Parlament – und sucht die Schuld am schlechten Abschneiden bei den anderen.

Alexander Wolf nestelt an seinem Krawattenknoten, in wenigen Sekunden kommt die erste Prognose. Dann ist es so weit: Der Co-Chef der Hamburger AfD-Fraktion spitzt seinen Mund – dem zunächst kein Ton entweicht. Bei nur 4,7 Prozent liege die Hamburger AfD, verkündet der NDR in einer Live-Schalte um 18 Uhr. Draußen vor der AfD-Landesgeschäftsstelle an der Schmiedestraße haben sich mehr als 70 Polizisten aufgestellt, weil die Antifa via Twitter angekündigt hatte, die AfD-Wahlfeier zum „Desaster“ zu machen. Oben im zweiten Stock verfolgt Alexander Wolf nun mit versteinertem Gesicht die TV-Übertragung, in der es gerade heißt, die AfD werde wahrscheinlich aus der Hamburgischen Bürgerschaft fliegen, nachdem sie 2015 mit 6,1 Prozent der Stimmen erstmals in das Landesparlament eingezogen war.

Die Luft ist stickig in dem kleinen Raum, fast 30 Journalisten drängen sich um Wolf und drei weitere Bürgerschaftsabgeordnete der AfD. Auf zwei Tischen stehen Paprikachips und Kekse, die allerdings keine Abnehmer finden. AfD-Spitzenkandidat und Co-Fraktionschef Nockemann ist zur gleichen Zeit im Medienzentrum in den Messehallen, er wird dort gefragt: „Ist Hamburg zu liberal für die AfD?“ Schuld sei etwas anderes, sagt Nockemann und verweist auf die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen und das Attentat im hessischen Hanau: Beide Ereignisse seien mit der AfD in Verbindung gebracht worden. Die Stimmenverluste seien das „Ergebnis einer maximalen Ausgrenzungskampagne“.

Verbindung zwischen AfD und Rechtsextremismus

In der AfD-Geschäftsstelle schlägt Alexander Wolf in die gleiche Kerbe. Es habe eine „spürbare Klimaverschärfung“ in Richtung AfD stattgefunden, es sei eine „hässliche Verbindung“ hergestellt worden zwischen AfD und Rechtsterrorismus. „Das ist hanebüchen und unverschämt“, ruft Wolf und hämmert mit der Hand in der Luft auf und ab. „Ich hoffe, dass wir die Fünfprozenthürde noch überspringen.“

Auf dem Gang steht ein knappes Dutzend AfD-Unterstützer, sie wirken gedrückt, „kein Kommentar“, nein, jetzt nicht. Die Zahl der Nichtjournalisten unter den Gästen sei bisher überschaubar, erklärt Alexander Wolf. Die meisten AfD-Mitglieder in Hamburg seien als „Wahlbeobachter“ draußen unterwegs, behauptet der Fraktionschef. Man befürchte, Wahlhelfer könnten befangen sein, sagt die AfD-Bürgerschaftsabgeordnete Andrea Oelschläger. „Ich bin optimistisch, dass das noch etwas wird – zumindest mit dem Reinkommen“, sagt sie.

In einem anderen Raum sitzt der AfD-Bürgerschaftsabgeordnete Detlef Ehlebracht. Auch er will sich nicht damit abfinden, dass es für seine Partei nicht mehr reichen könnte. Dass die AfD mindestens deutlich unter ihr Ergebnis von 2015 gerutscht sei, habe nichts mit den AfD-Themen in Hamburg zu tun, sondern sei auf Stimmungsmache gegen die Partei seit Thüringen und Hanau zurückzuführen, erklärt auch Ehlebracht. Es sei der Eindruck erweckt worden, dass „bei allem Bösen und Schlechten, was passiert ist, die AfD die Triebfeder war“. In Hamburg sei erschwerend hinzugekommen, dass die AfD keine Räume für Veranstaltungen gefunden habe, ihre Wahlplakate seien abgerissen worden. „Wir konnten nur eingeschränkt Wahlkampf machen“, sagt Ehlebracht.

Die neue Hochrechnung bringt die Wende

Um 19.10 Uhr kommt die erste ARD-Hochrechnung. Die AfD liegt immer noch bei 4,7 Prozent, erneut heißt es in der TV-Moderation, in Hamburg werde die AfD wohl „zum ersten Mal wieder aus einem Parlament rausfliegen“. Inzwischen haben sich drei Dutzend AfD-Unterstützer in der Geschäftsstelle versammelt. Eine halbe Stunde später ergibt sich ein neues Bild: Laut Hochrechnung des Statistischen Landesamtes um 19.40 Uhr kommt die AfD auf 5,8 Prozent.

Um 21.48 gibt das Statistische Landesamt für die AfD 5,3 Prozent an, laut ARD liegt die AfD um diese Zeit bei 5,2 Prozent. Damit hat die Partei den Einzug in die Bürgerschaft wohl doch geschafft.

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In Berlin erklärt die AfD-Spitze, die AfD müsse sich zumindest fragen, warum sie mit dem Attentat in Hanau in Verbindung gebracht werde. Alexander Wolf sagt , er verstehe das „als Mahnung der Bundessprecher, dass wir noch sorgfältiger die Worte wägen müssen“. Künftig müsse die AfD womöglich „bewusster und intelligenter provozieren“, erklärt Wolf. „Aber das ist eine Gratwanderung.“

Außerhalb der AfD gab es etliche Reaktionen, wobei einige zunächst davon ausgingen, dass die AfD es nicht in die Bürgerschaft geschafft hat. Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) sagte, die Stadt könne „sehr stolz sein“.

Das schwache Abschneiden für die AfD sei die erfreulichste Nachricht des Wahlabends, erklärte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Die Landeschefin der Linken, Olga Fritzsche, sagte: „Ein Parlament ohne die AfD ist eins doch ganz gewiss: ein besseres Parlament.“

Sehr kurz hielt sich Jan Böhmermann auf Twitter:: „J@@@@@@@@!“