Hamburg. Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Herausforderin Katharina Fegebank (Grüne) schenkten sich nichts – eine Analyse.

Es war wie bei einer handfesten Ehekrise: Plötzlich kommen Ereignisse und Verhaltensweisen zur Sprache, die schon Jahre zurückliegen und von denen man eben noch dachte, sie seien längst abgehakt und vergessen.

Beim großen Wahlkampfduell zwischen Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und seiner Herausforderin, der Zweiten Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne), zu dem das Abendblatt am Donnerstagabend in das Hotel Grand Elysée an der Rothenbaumchaussee eingeladen hatte, schenkten sich die beiden Matadore nichts. Und manchmal holte sie die Vergangenheit eben wieder ein.

„Bestimmte Dinge auszuschließen tut der Demokratie nicht gut"

„Ich bin skeptisch“, sagte Tschen­tscher mit Blick auf das von Fegebank auch an diesem Abend wiederholte Bekenntnis zur Fortsetzung des Bündnisses mit der SPD nach der Bürgerschaftswahl am 23. Februar. „Ihr habt drei Wochen vor der Wahl 2008 ein Bündnis mit der CDU ausgeschlossen. Das galt dann nach der Wahl plötzlich nicht mehr“, sagte Tschentscher. Das Ereignis – der schwarz-grüne Koalitionsschluss – liegt immerhin zwölf Jahre zurück, in der Schnelllebigkeit des politischen Geschäfts eine halbe Ewigkeit, aber nicht für Tschentscher.

„Peter“, setzte Fegebank im vertraut klingenden Du geradezu sanft zur Replik an, „es hat damals für Rot-Grün nicht gereicht. Das war unsere erste Option. Bestimmte Dinge auszuschließen tut der Demokratie nicht gut.“ Das stimmt, solange man sich nicht mit Extremisten einlässt, siehe Thüringen.

Rot-Grün ist für Tschentscher „eine naheliegende Option“

Aber nichts auszuschließen ist in diesem Wahlkampf von Beginn an die Strategie der SPD, die sich ein Türchen in Richtung eines Bündnisses mit CDU und FDP im Rahmen einer sogenannten Deutschland-Koalition offenhält.

Das ist weniger inhaltlich als taktisch motiviert: So hat die SPD, wenn es denn rechnerisch überhaupt reicht, mit der Koalitionsalternative ein Druckmittel in möglichen Gesprächen mit dann nach einem guten Wahlergebnis sehr stark und selbstbewusst gewordenen Grünen. Immerhin, das sagte Tschentscher auch, sei Rot-Grün „eine naheliegende Option“.

Es war nicht immer erkennbar, dass beide zusammen regieren

Es war ein intensives und hoch informatives Gespräch über 90 Minuten – Tschentscher und Fegebank lieferten einen zum Teil auch amüsanten Schlagabtausch, und dabei war über weite Strecken nicht sofort erkennbar, dass die beiden ja auch noch gemeinsam regieren. Bisweilen spielten sich Fegebank und Tschentscher die Bälle so geübt zu, dass Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider als Moderator das Gespräch einfach laufen lassen konnte.

Um im Fußballbild zu bleiben: Fegebank kam besser ins Spiel als ihr Gegenüber, war offensiver und angriffslustiger als bei früheren Gelegenheiten im Wahlkampf. So wies sie darauf hin, dass der Etat der Umweltbehörde zwischen 2011 und 2015, als die SPD allein regierte, um 110 Millionen Euro gekürzt worden sei. Erst der Regierungseintritt der Grünen vor fünf Jahren und die Übernahme der Umweltbehörde durch ihren Parteifreund Jens Kerstan hätte der Umweltpolitik den nötigen Schwung verpasst.

Tschentscher wirkte angefasst von der Angriffslust Fegebanks

Tschentscher schien etwas verblüfft und widerlegte den Vorwurf nicht, sondern wies nur indirekt darauf hin, dass es nach dem Regierungswechsel erst mal darum gegangen sei, den Haushalt „in den Griff zu bekommen“, den die schwarz-grüne Koalition in schlechtem Zustand hinterlassen habe. „Das waren nur zweieinhalb Jahre, Peter“, sagte Fegebank an anderer Stelle über die relativ kurze Dauer des Bündnisses mit der CDU. Und fügte hinzu: „Die SPD hat die Stadt von 1957 bis 2001 regiert. Wenn wir also zum Beispiel von Sanierungsstau reden ...“ Soviel zum Thema politische Verantwortung.

Der Bürgermeister wirkte durchaus etwas angefasst von der vielleicht überraschenden Angriffslust seiner Herausforderin. Erst mit Fortdauer des Gesprächs kam er besser in Fahrt und grenzte sich nun allerdings ein ums andere Mal von den Grünen ab. Die Strategie war klar erkennbar: Tschentscher setzte auf seinen Amtsbonus und seine Wirkung als seriöser, verlässlicher Regierungschef. Dennoch dauerte es eine ganze Stunde, bis er zum ersten Mal davon sprach, die SPD habe eben „die Ganze Stadt im Blick“, Tschentschers Wahlkampfmotto.

Tschentscher fährt einen strikt wirtschaftsfreundlichen Kurs

Nun war es Tschentscher, der Fegebank vorhielt, die Elbvertiefung sei „nicht mit dem Rückenwind der Grünen“ realisiert worden. Und der Bürgermeister streute Zweifel an der Zuverlässigkeit der Grünen. „Auch bei schwierigen Themen braucht es Klarheit: Hafen, Flughafen oder das Wohnungsbauprogramm. Da darf es keine schwankenden Botschaften geben“, sagte der Bürgermeister in Richtung Fegebank.

Tschentscher fährt einen strikt wirtschaftsfreundlichen Kurs, er will so nicht zuletzt Stimmen aus dem konservativ-liberalen Lager gewinnen. Dort ist die Angst verbreitet, eine Grüne könnte Erste Bürgermeisterin werden und mit ihrer Partei zum Beispiel eine radikale Verkehrswende durchsetzen. Diese Angst schürte Tschentscher an diesem Abend, man muss es so deutlich sagen. „Vorsicht an der Bahnsteigkante! Es kommt darauf an, dass das Bürgermeisteramt bei der richtigen politischen Kraft bleibt“, sagte Tschentscher einmal.

Fegebank möchte mit Visionen überzeugen

Fegebank wiederum punktete damit, dass sie Tschentscher ein ums andere Mal als Advokaten des „Weiter so“ hinstellte und sich selbst als Kraft aktiver und innovativer Zukunftsgestaltung. Es ist das, was wohl vor allem die grüne Kernwählerschaft und die vielen Neumitglieder von Fegebank erwarten: einen konsequenten Kurs in Sachen Klimawandel und eben doch radikalere Schritte in der Verkehrswende.

Auf die Frage, wie denn der Satz im Wahlprogramm, die Grünen wollten das Auto perspektivisch überflüssig machen, zu verstehen sei, sagte Fegebank: „Man braucht Visionen. Es gibt zu viele Autos auf der Straße.“ Auf einen Zeitrahmen bis zur Abschaffung des Autos legte sich die Zweite Bürgermeisterin dann allerdings nicht fest.

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Beide Politiker zeigten Schwächen und Stärken

Die Diskussion offenbarte Stärken und Schwächen beider Politiker. Tschentscher schaffte es, seine Positionen präzise, argumentativ-prägnant und in überschaubarer Länge darzustellen. Ein insgesamt souveräner Auftritt. Sein Problem: Er erweckte den Eindruck, dass es im Wesentlichen darum gehe, die in der Vergangenheit getroffenen richtigen Entscheidungen in Zukunft einfach fortzusetzen.

Fegebank hat mit ihrer emotionaleren Art der Rede glaubhaft die Notwendigkeit einer Debatte über die zukünftige Entwicklung der Stadt rüberbringen können. „Wer nicht weiß, wo er hinwill, kommt nirgends an“, sagte sei einmal. Ihr Problem: Sehr konkret sind die Ideen noch nicht.

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In der Koalition müssten sich beide auf Gemeinsamkeiten besinnen

Der bisweilen auch fachlich intensive Austausch zwischen den beiden konnte Beobachter zu dem Gedanken verleiten, dass es so auch beim Ringen um Kompromisse zugeht, wenn Tschen­tscher und Fegebank im Senat zusammensitzen.

Eins ist nach diesem Abend klar: Sollte es tatsächlich zu Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen kommen, dann dürften es auch inhaltlich komplizierte Gespräche werden. Da werden nicht nur zwei politische Temperamente und Politikstile aufeinanderprallen. Tschentscher und Fegebank werden sich wieder stärker auf Gemeinsamkeiten besinnen müssen. Aber dann ist ja auch kein Wahlkampf mehr.

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