Hamburg. Ausgaben für Rückkauf des Netzes steigen damit auf mehr als eine Milliarde Euro. FDP übt scharfe Kritik am Senat.
Das organisatorische Herauslösen der Hamburger Fernwärme aus dem Vattenfall-Konzern wird für die Steuerzahler teuer. Dieses sogenannte Carve-out kostet voraussichtlich rund 56,8 Millionen Euro. Das ergibt sich aus Unterlagen der Wärme Hamburg GmbH, die dem Hamburger Abendblatt vorliegen. Da der reine Rückkauf der Fernwärme die Stadt mindestens 950 Millionen Euro kosten soll, würde der Gesamtpreis damit auf mehr als eine Milliarde Euro steigen.
Nötig wird die Herauslösung des Geschäftsbereichs Wärme aus dem Vattenfall-Konzern durch den 2013 beschlossenen und jetzt vollzogenen Rückkauf auch der Fernwärme – neben Strom und Gas das dritte Netz, das nach zwischenzeitlicher Privatisierung jetzt wieder in der Hand der Stadt ist.
IT: Hier lauern die größten Kosten
Demnach soll die Herauslösung der von Vattenfall unabhängigen Organisation Ende 2020 abgeschlossen sein. Der mit Abstand größte Anteil der Herauslösungskosten fällt mit 50,6 Millionen Euro in der IT an, also etwa bei Computeranlagen, Netzwerktechnik und Software. Es folgen Kosten für Projektleitungen mit etwas mehr als zwei Millionen und Immobilienkosten mit 1,2 Millionen Euro.
Die nun rein städtische Wärme Hamburg GmbH hat nach den Unterlagen 604 Mitarbeiter und 54 Auszubildende und versorgt 489.000 Wohneinheiten über ihr 840 Kilometer langes Netz mit Wärme aus derzeit zwölf Erzeugungsanlagen. In den kommenden Jahren soll die Wärme deutlich stärker auf regenerative Energie umgestellt werden und das bisher für die Versorgung wichtige alte Kohlekraftwerk Wedel vom Netz gehen.
Rückkauf des Netzes teurer als erwartet
FDP-Fraktionschef Michael Kruse sieht angesichts der hohen Kosten seine Befürchtungen übertroffen. „Nach dem Rückkauf wird nun langsam offenbar, worauf sich der rot-grüne Senat eingelassen hat“, sagt er. „Die Kosten des Carve-outs liegen mit mehr als 56 Millionen Euro weit höher, als ich befürchtet hatte. Es zeigt sich, dass nur das Herauslösen des Unternehmens aus einer bestehenden Konzernstruktur dem Steuerzahler bereits immense Kosten aufbürdet.“
Auch die Zukunft sieht der FDP-Mann kritisch: „Weder ist für die Planung der neuen Fernwärmetrasse eine Verzögerung durch Anwohnerklagen vorgesehen, noch gibt es einen Beleg für die ökologische Vorteilhaftigkeit des schwierigen rot-grünen Fernwärmeprojekts.“
"Dreckigstes Kohlekraftwerk der Republik"
FDP-Fraktionschef Kruse kritisiert den Zeitplan des Senats für den Rückkauf des Fernwärmenetzes: „Während Umweltsenator Kerstan vor sich hin plant, ist das dreckigste Kohlekraftwerk der Republik in Wedel für ungewisse Zeit weiter am Netz. Diese Situation ist ökonomisch und ökologisch unbefriedigend.“ Es wäre, so Kruse, weitaus klüger, das Kraftwerk Moorburg temporär ans Netz anzuschließen „und in der Zwischenzeit eine solide Planung für die Zukunft der Fernwärme vorzunehmen“.
Hintergrund der FDP-Kritik: Um die Wärme, die nach dem Konzept von Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) vor allem südlich der Elbe durch industrielle Abwärme und ein neues Gaskraftwerk erzeugt werden soll, zu den Kunden im Hamburger Westen zu bringen, ist eine neue Leitung unter der Elbe nach Bahrenfeld nötig. Dagegen aber gibt es Widerstand und Klagedrohungen von durch den Leitungsbau betroffenen Anwohnern im Bezirk Altona.
Planung der Leitung unter der Elbe sei weit fortgeschritten
Stefan Kleimeier, Sprecher der stadteigenen Hamburg Wärme GmbH, wies die Kritik der FDP an Kosten und Planung zurück. „Die Wärme Hamburg wird zum Klimaschutz beitragen und gleichzeitig Gewinne erzielen“, sagt Kleimeier. „Die Carve-out-Kosten sind übliche Einmaleffekte bei einem Unternehmensübergang und werden das Unternehmensergebnis lediglich in den ersten zwei Jahren beeinflussen.“
Was die Planung der Leitung angehe, so sei diese „weit fortgeschritten“. Klagerisiken seien bei Infrastrukturprojekten nie auszuschließen, so Kleimeier. „Ein wichtiger Punkt bei der Auswahl der bevorzugten Leitungsführung war der ausschließliche Verlauf durch öffentlichen Raum.“
Hamburger Fernwärme: CO2 massiv reduziert
Das unterstreicht auch Jan Dube, Sprecher der Umweltbehörde. „Die Leitung soll ausschließlich über öffentlichen Grund laufen“, so Dube. „In der Stadt gab es in der jüngeren Vergangenheit diverse Leitungsbauprojekte, bei denen es trotz eines Gerichtsverfahrens keine Bauverzögerungen gegeben hat.“
Insgesamt erreiche die Stadt bis 2025 „durch den Wedel-Ersatz eine CO2-Reduktion im Fernwärmesystem um 35 Prozent“, so der Behördensprecher. „Dies entspricht 360.000 Tonnen jährlich. Das ist die größte Einzelmaßnahme zur Erreichung der Hamburger Klimaziele. Der Wedel-Ersatz und die Umstellung in Tiefstack ermöglichen den Kohleausstieg in der Wärme bis spätestens 2030 – und damit deutlich früher als vom Bund geplant."