Hamburg. Von Dohnanyi schildert, wie er sich einmal gegen linke Störer half. Kritik an der Klima-Debatte und mangelnder politischer Führung.
Nach der Körperhaltung beurteilt gab es an diesem Abend einen klaren Sieger, und der hieß Peter Tschentscher. Der Hamburger SPD-Bürgermeister wirke selbst im Sitzen so aufrecht und dynamisch, als sei er stets auf dem Sprung zu neuen großen Aufgaben, analysierte jedenfalls eine der Zuschauerinnen dieses hochkarätigen Treffens nachher. Dabei war die Konkurrenz groß. Neben Tschentscher waren mit Klaus von Dohnanyi, Ortwin Runde (beide SPD), Ole von Beust und Christoph Ahlhaus (beide CDU) vier seiner Amtsvorgänger der Einladung von Hapag-Lloyd gefolgt.
Anlässlich des 101. Todestag des Hapag-Generaldirektors Albert Ballin und des 30. Jahrestags des Mauerfalls diskutierten sie unter der Moderation des stellvertretenden Abendblatt-Chefredakteurs Matthias Iken im Uni-Hauptgebäude über die Herausforderungen, die Hamburg derzeit bewältigen muss.
Dohnanyi warnt vor grüner Bürgermeisterin
Es sei dabei „nicht klug, immer auf den Zeitgeist zu hören“, riet gleich zu Beginn Klaus von Dohnanyi, der Hamburg von 1981 bis 1988 regierte. Es gebe zwar einen „Hype um die Klimafrage“. Die sei wohl wichtig, aber man müsse „auch auf die Arbeitsplätze schauen“. Gleichwohl seien es „immer die Außenseiter, die uns voranbringen“, so Dohnanyi. Deswegen sei auch der Einsatz dieser „Jugendtruppe“ der Klimademonstranten wichtig.
Wenig später warnte Dohnanyi indirekt vor einer grünen Bürgermeisterin. Als es um die über Jahrzehnte verzögerte Elbvertiefung ging, fragte er mit Blick auf die Grünen rhetorisch, welche Partei diese denn immer wieder verzögert habe – um dann selbst zu antworten, dass die „ja heute gar nicht hier“ sei. Dann fügte er hinzu, man müsse darauf achten, dass die Stadt in den richtigen Händen bleibe.
„So schlimm sind die Grünen auch wieder nicht“, entgegnete Ole von Beust. Während der schwarz-grünen Koalition hätten sie die Planung von Hafenquerspange und Elbvertiefung „aktiv mitbetrieben“, so von Beust. Mit Blick auf das Verbandsklagerecht und lange Verfahren warnte er aber davor, dass Deutschland den Anschluss verlieren könnte.
Wie Dohnanyi die „Schwarze Bande“ vertrieb
Bürgermeister Peter Tschentscher forderte in diesem Zusammenhang eine Art „Redaktionsschluss“ bei Einwendungen gegen Projekte wie die Elbvertiefung. „Wenn wir jetzt in der Elbe eine kleine Schmetterlingslarve gefunden hätten, dann hätte das alles von vorne begonnen“, so Tschentscher. „Dieser Perfektionismus hemmt uns.“
Dabei betonte der aktuelle Senatschef, dass der Hafen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor bleibe, der eine „enorme Querschnittsfunktion“ habe. Der Hafen stehe dabei keinesfalls im Widerspruch zu Umwelt- und Klimaschutz. Es gebe keine andere so klimafreundliche Transportmethode wie die per Schiff.
Überhaupt müsse man sich die Zusammenhänge auch in der Klimadebatte viel genauer ansehen und sie erklären, so Tschentscher und verwies auf Aurubis. So sei es für das Weltklima schlecht, wenn man die Kupferherstellung in Hamburg einstelle, wo sie pro Tonne nur die Hälfte an CO2 freisetze wie in anderen Weltteilen – und dafür Kupfer andernorts produziere. „Wenn ich die Kupferproduktion hier einstelle, bin ich für manche der Held“, so Tschentscher.In der Gesamtbetrachtung sei das aber unsinnig.
Der Bürgermeister betonte, dass eine neue Köhlbrandquerung und die geplante Hafenquerspange A26 Ost gebaut werden müssten. „Allein auf Radwegen kommen wir nicht ins 21. Jahrhundert“, so der Bürgermeister. Oft gebe es zu Beginn von Planungen Warnungen, die sich später als weit übertrieben darstellten.
Lässt sich Politik von Greta Thunberg treiben?
Auch Ortwin Runde kritisierte, dass in öffentlichen Debatten oft zu aufgeregt argumentiert werde. So habe es, als die Stadt das Mühlenberger Loch für die Airbus-Startbahn zuschüttete, ernsthaft Warnung vor einem Abrutschen des nördlichen Elbhangs gegeben. Wichtig sei es, bei solchen Großvorhaben zu einem Interessenausgleich zu kommen. Christoph Ahlhaus, der Hamburg 2010/11 für gut sechs Monate regierte, sagte: „Der Hafen ist die DNA dieser Stadt und wird es auch bleiben.“ Er habe „die Stadt zum Tor zur Welt gemacht“.
Es sei auch ein „Zeichen von fehlender Führung“, wenn sich die Politik derzeit so sehr dem Zeitgeist beuge und sich damit auch von der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg treiben lasse. Die Politik müsse selbst abwägen, was richtig sei. „Man muss Wahlen gewinnen, um Politik zu machen – und nicht Politik machen, um Wahlen zu gewinnen“, konstatierte Ahlhaus.
Dohnanyi kritisiert mangelnde politische Führung
Auch Ole von Beust und Klaus von Dohnanyi forderten mehr „Führung“ von aktuellen Politikern ein. „Die Leute wollen Führung und klare Entscheidungen“, so von Beust. Derzeit aber gehe auch wegen deren Fehlen vieles in eine falsche Richtung. Erst steige man aus der Kohle aus, bald womöglich aus der Autoindustrie, dann kämen vermutlich Lebensmittelindustrie und chemische Industrie. „Wir sind dabei, die industrielle Grundlage in diesem Land zu zerdeppern, das halte ich für eine große Gefahr“, so der 64-Jährige.
„Demokratie kann es nur geben, wenn es klare Führung gibt“, betonte auch Klaus von Dohnanyi. Dabei könne eine klare Haltung Politiker auch mal das Amt kosten. „Wer nicht bereit ist zu fallen, der kann auch nicht stehen“, so der 91-Jährige. In diesem Zusammenhang kritisierte er das Verfahren der SPD zur Auswahl eines neuen Bundesvorsitzenden-Duos. „Ich bin nicht dafür gewesen“, so von Dohnanyi. „In der Politik zählt auch Führung, man kann nicht immer andere für sich entscheiden lassen.“
Er verteidigte die Einigung mit den Hafenstraßen-Besetzern in den 1980er Jahren, schließlich habe er nicht verantworten wollen, dass bei einer Räumung „16-jährige Kinder vom Dach fallen“. Zugleich aber plädierte er für Unnachgiebigkeit im Umgang mit der „Schwarzen Bande, die jetzt auch Herrn Lucke belästigt“. In seiner Zeit als Bürgermeister hat Dohnanyi dafür offenbar eine eigene Technik entwickelt. Genau hier, wo man jetzt sitze, sei er einmal von so einer Gruppe „totgeschrien“ worden, erzählte der Sozialdemokrat gegen Ende des Abends. Da habe er sich einfach einen Stapel Akten bringen lassen und diesen eine Stunde lang unter dem Geschrei bearbeitet, so Dohnanyi. „Irgendwann sind die gegangen und ich konnte reden.“