Hamburg. Schulsenator Ties Rabe beantwortet Fragen zum “Schülerfeedback“, bei dem Schüler ihre Lehrer beurteilen sollen. Der Fragenkatalog.
Bei allem Streit über Schulstrukturen, Klassengrößen oder Unterrichtsschwerpunkte sind sich die meisten Bildungsexperten in einem Punkt doch einig: Der Schüler-Erfolg hängt ganz wesentlich von der Qualität der Lehrer und ihres Unterrichts ab. Und wer kann das am besten beurteilen? Natürlich die Schüler selbst. Wie berichtet, startet die Schulbehörde daher jetzt das Projekt „Schülerfeedback“ – Schulsenator Ties Rabe (SPD) hat es am Donnerstag vorgestellt. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen:
Was ist Schülerfeedback genau?
Eine Internet-Plattform, auf der Schüler ihre Lehrer bewerten können – für beide Seiten auf freiwilliger Basis.
Wie funktioniert das System?
Die Lehrer können frei entscheiden, wann und zu welchem Thema oder Fach sie die Schüler um ein Feedback bitten. 56 standardisierte Fragen stehen zur Verfügung – die Lehrer wählen aus, welche und wie viele sie stellen. Zur Beantwortung brauchen die Schüler ein internetfähiges „digitales Endgerät“, also zum Beispiel ein Smartphone, ein Tablet oder einen Laptop. Sie erhalten zuvor einen Link oder einen QR-Code, über den sie sich einloggen. Um die Sicherheit zu erhöhen, müssen sie sich wie beim Online-Banking über eine TAN anmelden.
Was wird abgefragt?
Der Katalog hat zwölf Kategorien mit jeweils drei bis acht Unterpunkten (Alle Fragen in der Übersicht am Ende des Artikels). Da geht es zum Beispiel um Klarheit („Herr / Frau N drückt sich klar und verständlich aus“), um Interessantheit/Lebensweltbezug („Herr / Frau N gestaltet den Unterricht abwechslungsreich“), Fehlerkultur („Herr / Frau N erklärt genau, warum eine Antwort nicht ganz korrekt war“), Schüler-Lehrer-Beziehung („Herr / Frau N kümmert sich darum, wie es mir geht“) und Klassenmanagement („Herr / Frau N kann sich in unserer Klasse durchsetzen“).
Können die Schüler die Antworten frei formulieren?
Nein, auch das ist standardisiert. Die vierstufige Antwortskala reicht von „trifft überhaupt nicht zu“ bis „trifft voll und ganz zu“. So soll die Beantwortung aller 56 Fragen maximal 15 bis 20 Minuten dauern. Allerdings können die Lehrer zusätzlich frei formulierte Fragen hinzufügen. Naheliegende Fragen, ob der Hausaufgaben-Umfang angemessen oder vielleicht zu groß ist oder ob die Schüler ihre Noten gerecht finden, gibt es bislang nicht – Schulsenator Rabe deutete schon an, dass er eine Ergänzung um solche Punkte sinnvoll fände.
Werden die Antworten ausgewertet?
Ja. Die Plattform analysiert in Sekundenschnelle alle Antworten und errechnet daraus die Mittelwerte für jede einzelne Frage. Da die Lehrkräfte die Fragen zu ihrem eigenen Unterricht auch beantworten, können Schüler- und Lehrersicht miteinander verglichen werden. Vor allem bei großen Diskrepanzen sollte daraus ein Gespräch im normalen Unterricht folgen.
Ist die Anonymität gewahrt?
Ja. Die Lehrer erfahren nicht, von welchem Schüler welche Antwort stammt. Die Daten werden auch nicht an die Schulleitung oder Schulbehörde weitergegeben. „Wir wollen keine Kontrolle oder Überwachung, sondern wir wollen den Lehrkräften bei der Optimierung ihres Unterrichts helfen“, sagte Rabe. Allerdings können die Lehrer sich auf freiwilliger Basis mit Kollegen über die Ergebnisse austauschen.
Was verspricht sich die Schulbehörde überhaupt vom „Schülerfeedback?
Ganz schlicht: eine Optimierung des Unterrichts. „Schülerinnen und Schüler gehören zu den wichtigsten Ratgebern von Lehrkräften, wenn diese ihren Unterricht verbessern wollen“, sagte Rabe. „Denn sie sind in jeder Hinsicht die Experten für das Thema Lernen und Unterricht.“ Zwar würden bereits jetzt viele Hamburger Lehrerinnen und Lehrer eine Art „Schülerfeedback“ im Unterricht praktizieren. Von dem neuen Instrument erhoffe sich aber, dass sich noch mehr Lehrkräfte diesem Thema öffnen.
„Es geht dabei in keinem Fall um eine öffentliche Bewertung von Lehrkräften“, so der Senator. „Auch gelten klare Regeln von Datenschutz und Datenhoheit. Den Lehrkräften soll es so leicht wie möglich gemacht werden, qualifizierte Rückmeldungen von Schülerinnen und Schülern einzuholen. Dazu nutzen wir künftig die Chancen der Digitalisierung.“
Wann startet „Schülerfeedback“?
Sehr schnell, sagte der Schulsenator. Er gehe davon aus, dass die Plattform noch vor den Herbstferien ihren Betrieb aufnehmen werde.
Welche Schulen machen mit?
Nach einem kleinen „Prä-Pilotversuch“ an vier Stadtschulen und vier Gymnasien startet nun zunächst die offizielle Pilotphase, an der sich bis zu 50 Schulen freiwillig beteiligen können. 39 haben sich bislang gemeldet, was die Schulbehörde als Erfolg ansieht. Darunter sind vor allem Gymnasien und Stadtteilschulen, aber auch eine Sonderschule und einige Grundschulen. „Schülerfeedback“ richtet sich zwar in erster Linie an weiterführende Schulen (also ab Klasse fünf), doch auch Grundschulen ab Klassenstufe drei können daran teilnehmen.
Ist diese Plattform neu?
Nein, Berlin und Brandenburg haben sie bereits eingeführt. Im Auftrag dieser beiden Länder wurden auch die 56 Fragen von Wissenschaftlern ermittelt. Hamburg hat diesen Katalog und die Technik übernommen.
Was kostet die Plattform?
Für Hamburg nur „einen Appel und ‘nen Ei“, heißt es aus der Schulbehörde. Lediglich für die Nutzung der Server müsse die Stadt rund 500 Euro im Monat an Berlin und Brandenburg zahlen.
Was sagt die Opposition?
Die FDP begrüßte den Vorstoß: „Schulsenator Rabe greift mit einjähriger Verspätung endlich einen Antrag der Freien Demokraten auf: Schülerfeedback muss zur Verbesserung der Unterrichtsqualität genutzt werden“, sagte FDP-Fraktionschefin Anna von Treuenfels-Frowein. Ihr gehe der Pilotversuch aber nicht weit genug: „Die Schülerbefragung erfolgt nicht flächendeckend, und es werden lediglich vom Lehrer ausgewählte Fragen gestellt. Wie mit den Ergebnissen verfahren wird, entscheidet zudem ausschließlich die Lehrkraft, und verbindliche nächsten Schritte zur Verbesserung des Unterrichts werden nicht formuliert“, so Treuenfels-Frowein. Um der Perspektive der Schüler einen noch höheren Stellenwert zu geben, müsse dieser „erste gute Ansatz konsequent ausgebaut werden“.
Kritik kam hingegen von der Linkspartei: „Es ist traurig, dass es an unseren Schulen anscheinend an einer kritischen Fehler- und Lernkultur fehlt und nun der aufwändige digitale Umweg genommen werden muss“, sage Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus. Problematisch sei auch, dass die Befragung von den Lehrkräften gestaltet wird: „Schüler_innen sollten ihre eigenen Bemerkungen und Fragen einbringen können. Stattdessen dürfen sie bloß Kreuzchen machen. Den Mangel an positiver, förderlicher Beziehungsarbeit, dem A und O der Bildung, kann dieses Portal nicht ausgleichen.“
Und das sind die Fragen, die die Schüler beantworten sollen:
Klarheit Inhaltliche Strukturiertheit – nur Sekundarbereich Formale Strukturiertheit – nur Sekundarbereich Interessantheit/Lebensweltbezug Fehlerkultur Angstfreie Atmosphäre Schüler-Lehrer-Beziehung Leistungserwartung Diagnostische Kompetenz Zeitnutzung Klassenmanagement Hausaufgaben |