Hamburg. Von Schulsenator Ties Rabe (SPD) eingesetzte Expertenkommission hat Vorschläge vorgelegt, die Matheunterricht verbessern sollen.

Drei schlichte Zahlen fassen die Misere der Matheleistungen Hamburger Schüler anschaulich zusammen: Jeder fünfte Viertklässler unterschreitet die Minimalstandards im Fach Mathematik. Gut 28 Prozent der Neuntklässler erreichen nicht die Mindeststandards, und rund 60 Prozent der Abiturienten (!) beherrschen nicht den Oberstufenstoff dieses Angstfachs.

Die Daten, die der Kieler Mathematik-Didaktiker Prof. Olaf Köller am ges­trigen Montag im Rathaus präsentierte, sind nicht neu. Deswegen hat Schulsenator Ties Rabe (SPD) bereits 2014 die „Mathe-Offensive“ für Hamburger Schulen unter anderem mit mehr Unterricht in der Mittelstufe gestartet, um die erheblichen Defizite abzubauen. Und tatsächlich haben die Viertklässler bei der jüngsten bundesweiten Lernstandserhebung den Abstand zum Leistungsdurchschnitt immerhin halbieren können. „Wir sind vorangekommen, aber doch noch nicht so weit, wie wir es uns gewünscht haben“, sagte Rabe.

Verbindliche Festschreibung der Zahl der Klassenarbeiten und Klausuren

Um mehr zu erreichen, hat der Schulsenator im Herbst 2017 eine achtköpfige Expertenkommission um Prof. Köller beauftragt, weitere Vorschläge zur Verbesserung des Mathematikunterrichts zu erarbeiten. Im Zentrum der Empfehlungen, die Köller gestern vorstellte, stehen eine weitere Ausweitung des Unterrichts und eine verbindliche Festschreibung der Zahl der Klassenarbeiten und Klausuren.

So soll der Matheunterricht in Klasse elf der Stadtteilschulen um eine auf fünf Stunden pro Woche erhöht werden. Auf diesem Weg soll das deutliche Defizit der Stadtteilschüler gegenüber den Gymnasiasten vor Eintritt in die Oberstufe abgebaut werden. An den Grundschulen sollen die 5,25 Wochenstunden für das Fach Mathematik auch verbindlich gegeben werden.

Ein grundlegender Rat der Experten: mehr Mathematikunterricht

Von Klasse drei bis zum Abitur sollen nach Auffassung der Experten jährlich vier Klassenarbeiten oder Klausuren geschrieben werden. Die bisherige Praxis, zum Teil pro Halbjahr eine Leistungsüberprüfung durch ein Referat oder eine Hausarbeit ersetzen zu können, halten die Wissenschaftler für falsch. „Referate und Hausarbeiten sollten nur als zusätzliche Lernleistung möglich sein“, sagte Köller.

„Klassenarbeiten und Klausuren sind das beste diagnostische Mittel, um festzustellen, ob die Schülerinnen und Schüler etwas gelernt haben“, lautet Köllers verblüffend einfache Begründung. Die schriftlichen Matheleistungen sollen aufgewertet und den mündlichen bei den Zeugnisnoten gleichgestellt werden. Bislang fließen die mündlichen Leistungen zu 60 Prozent, die schriftlichen zu 40 Prozent in die Noten ein.

Die Expertenkommission lobt Hamburg ausdrücklich für die regelmäßigen Kermit-Tests, die den Lernstand jeder einzelnen Klasse ermitteln. Die Wissenschaftler regen an, darüber hinaus einen online-gestützten „Diagnose-Test“ zu entwickeln, damit Lehrer erkennen können, welche Stärken und Schwächen jeder einzelne Schüler hat.

Die Kommission empfiehlt klarere Lehrpläne. Für alle Schulklassen solle „ein verbindlicher Kern-Lehrplan“ entwickelt werden, der bestimmte Fachinhalte vorgibt. Da es keine eigenen Mathematik-Schulbücher für die Klassen fünf und sechs gebe und die Lehrer mit Handreichungen arbeiten müssten, schlagen die Experten pragmatisch vor, die Schulbücher aus Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen zu verwenden. Außerdem regt die Kommission an, ein für alle Schulen verbindliches Kern-Curriculum, also fest vorgegebene Unterrichtseinheiten, zu entwickeln.

Mathematisches Grundverständnis hängt mit Sprachstand zusammen

Ein eigenes Kapitel widmet die Expertenkommision der mathematischen Frühförderung. „Es geht darum, spielerisch Situationen herbeizuführen, in denen die Kinder mit mathematischen Inhalten konfrontiert sind“, sagte Köller. Das sei bereits der Fall, wenn ein Kind Bonbons gleichmäßig auf zwei Kinder verteilen müsse. Köller forderte, die Untersuchung zum Sprachstand der Viereinhalbjährigen auf das mathematische Grundverständnis auszuweiten. In der Vorschule sollten die Grundschul-Fachlehrer mit den Sozialpädagogen zusammenarbeiten.

„Klare Lehrpläne, mehr Mathematikunterricht, mehr Fachlehrer sowie eine stärkere frühe Förderung – all das fordern wir seit Langem“, sagte die CDU-Bildungspolitikerin Birgit Stöver. Es bleibe zu hoffen, dass Rabe, „der das Problem seit sieben Jahren nicht in den Griff bekommt, endlich handelt“. FDP-Fraktionschefin Anna von Treuenfels-Frowein sagte: „Der Bericht gibt konkrete Handlungsanweisungen, die der Senator nun schnell umsetzen muss, damit Hamburgs Schüler nicht weiter abgehängt werden.“ Für Linke-Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus bedeuten mehr Prüfungen und mehr Unterrichtsstunden dagegen einen „Griff in die pädagogische Mottenkiste“.

Rabe will die Empfehlungen mit Lehrern und Schulleitern diskutieren. „Ich halte die Vorschläge für so vernünftig, dass wir den größten Teil davon zügig angehen können. Aber wir müssen um Akzeptanz bei denen werben, die die Maßnahmen letztlich nur umsetzen können“, sagte der Senator.