Hamburg. Personalnot zwingt Behördenleitung, Vorstrafen nicht mehr an das Zentralregister zu melden. CDU: „Unfassbar!“

Die Hamburger Staatsanwaltschaft meldet seit Juni keine Straftaten mehr an das Bundeszentralregister (BZR). In der Folge bleiben Führungszeugnisse und Vorstrafenregister unvollständig. Straftäter können deshalb – zumindest außerhalb Hamburgs – auf mildere Urteile hoffen, weil die Richter ihre dunkle Vergangenheit nur unvollständig kennen. Auch Kostensachen blieben liegen. Insgesamt sind rund 16.500 Vorgänge unerledigt, sagte der CDU-Rechtsexperte in der Bürgerschaft, Richard Seelmaecker.

Die Behörde wies die Vorwürfe als übertrieben zurück. Innerhalb der Stadt, so die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Nana Frombach, können die Richter in internen Listen sehen, was derzeit im Bundesregister noch fehlt. Die Gefahr zu milder Urteile bestehe daher nicht. Außerhalb der Stadt aber könne es tatsächlich passieren, dass den Gerichten die frischen Vorstrafen der Angeklagte entgehen, weil sie auf die Vollständigkeit des BZR-Auszuges vertrauen. Zwar könnten sich die Gerichte die fehlende Information beschaffen, sie müssten sich dann aber aktiv darum bemühen und wissen, dass der BZR-Auszug lückenhaft sein könnte.

CDU greift Justizsenator an

Der CDU-Rechtsexperte Seelmaecker geißelte die Rückstände als Skandal und warf Justizsenator Till Steffen (Grüne) vor, seine Behörde schlampig zu führen. „Es ist unfassbar, dass der grüne Senator die Probleme seit Jahren nicht in den Griff bekommt. Jetzt könnten auch noch Mehrfachstraftäter zu milde veruteilt werden, weil ihre Vorstrafen nicht bekannt sind.“

Die Behörde wies dagegen darauf hin, dass die Probleme infolge des Personalmangels nicht im Handstreich zu lösen seien. Die Stadt werbe seit Jahren massiv um Justizfachangestellte, man versuche, mit der Familienfreundlichkeit der Behörde zu punkten, Eine Ausbildungsoffensvie laufe. Es gebe aber einfach zu wenig Fachpersonal am Arbeitsmarkt. Dennoch habe die Behörde Personal aufgebaut, insgesamt 170 Stellen seien seit 2015 neu geschaffen worden. Das sei der größte Personalaufbau seit 20 Jahren. In den Bereichen Justizfachangestellte und Justizsekretäre seien 20 neue Ausbildungsstellen geschaffen worden.

Personalnot zwang zur Priorisierung der Arbeit

Deshalb habe die Behörde im Sommer die Arbeit priorisiert und den Akzent auf die Strafverfolgung gelegt, sagte Frombach. Bis Oktober blieben die Meldungen an das BZR und Kostensachen als die am ehesten aufschiebbaren Arbeiten auf Anweisung von oben liegen. Derzeit werde versucht, unter Hinzuziehung auch der Geschäftsstellenmitarbeiter auch der anderen vier Hauptabteilungen der Staatsanwaltschaft die Rückstände im laufenden Betrieb abzuarbeiten. Die dafür nötigen Überstunden seien schon genehmigt worden.

Seelmaecker merkte an, dass die Gerichte bei der Anwerbung von Personal weniger Probleme hätten als die Staatsanwaltschaft. „Offenbar hat das was mit den Arbeitsbedingungen und den geringeren Aufstiegschancen zu tun.“