Hamburg. Die Zweite Bürgermeisterin hatte einen Konkurrenten – der eine eigenwillige Begründung für seine Kandidatur verkündete.
Sie wird erneut die Führungsrolle bei den Hamburger Grünen übernehmen, dieses Mal jedoch alleine: Katharina Fegebank ist bei der Landesmitgliederversammlung der Partei am Sonnabend in Wandsbek zur Spitzenkandidatin für die Bürgerschaftswahl 2020 nominiert worden. Dabei erhielt die Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin 155 von 169 gültigen Stimmen. Das entspricht 91,7 Prozent Zustimmung – eine kleine Verbesserung gegenüber ihrer Wahl zur Spitzenkandidatin vor vier Jahren.
Die 41-Jährige, hochschwanger mit Zwillingen und deshalb etwas kurzatmig, wies zunächst vor den etwa 200 Grünen-Mitgliedern im Saal der Beruflichen Medienschule Wandsbek darauf hin, „dass in besonderen Momenten manchmal die Stimme versagen“ könne.
Fegebank will "Kugel ins Rollen bringen"
Bei ihrer Bewerbungsrede gab Fegebank sich dann aber angriffslustig: Vor Kurzem habe sie in einer Zeitung über sich lesen müssen, sie verabschiede sich bald, um „ne ruhige Kugel“ zu schieben. „Ich empfehle dem jungen Redakteur, sich mal einen 15-Kilo-Kürbis um den Bauch zu schnallen, dann reden wir noch einmal“ rief Fegebank unter dem Jubel der Mitglieder. „Ich bin bin froh, dass ich meine Kugel hier her gebracht habe. Denn wenn so eine Kugel erst einmal richtig ins Rollen kommt, ist sie nicht mehr zu bremsen.“
Dann sprach sie 15 Minuten lang kraftvoll und so schnell, als fürchtete sie, nicht all ihre Anliegen unterbringen zu können. Deutschland erlebe einen Vertrauensverlust vieler Bürger in staatliche Positionen und in die Politik. Gerade die Grünen müssten „die Herausforderung eines Wertewahlkampfes“ annehmen, sagte Fegebank. Es gehe um Weltoffenheit oder Abschottung, Zusammenhalt oder Spaltung. Das sei keinesfalls zu dick aufgetragen.
Auch Hamburg dürfe nicht auseinanderbrechen, hatte sie zuvor in ihrer Bewerbung um die Spitzenkandidatur geschrieben. „Weder zwischen Arm und Reich. Noch zwischen Alteingesessenen und Zuwanderern. Noch zwischen Außenbezirken und Zentrum.“
Hamburger Grüne erleben Mitglieder-Aufschwung
Es seien solche Themen, die zuletzt viele Bürger zu den Grünen geführt hätten, erklärte Fegebank, womit sie etwa auf den jüngsten Erfolg bei der Bayern-Wahl anspielte, wo die Grünen sich mit 17,7 Prozent als zweitstärkste Kraft etabliert hatten, aber auch auf den gestiegenen Zuspruch in Hamburg: In der Hansestadt haben die Grünen inzwischen mehr als 2200 Mitglieder – ein Plus um 25 Prozent in den vergangenen zwölf Monaten.
Im Jahr 2014 hatte Fegebank als Spitzenkandidatin 90,2 Prozent Zustimmung bekommen. Mit ihr war damals Jens Kerstan zum grünen Spitzenkandidaten für die Bürgerschaftswahl 2015 gekürt worden. Beim Parteitag in Wandsbek meldete Hamburgs Umweltsenator keinen erneuten Anspruch an.
Dafür bewarb sich Grünen-Neumitglied Felix Meier aus dem Kreisverband Hamburg-Mitte – aus Prinzip, wie er erst zwei Tage zuvor erklärt hatte: „Wahlkampf ohne Gegenkandidaten finde ich langweilig. Eigentlich will ich erster grüner Kanzler werden, aber irgendwie muss man starten.“ Doch auf eine grüne Führungsposition wird er weiter warten müssen: Er erhielt nur rund 2,5 Prozent Zustimmung, das entspricht vier Stimmen.
Hajduk: "Grüne sind gesellschaftlicher Gegenpol zu Populismus"
Angesichts auch guter Umfragewerte sehen sich die Hamburger Grünen im Höhenflug. „Wir bewegen das Land, wir bewegen die Stadt und wir werden immer mehr", sagte die Landesvorsitzende Anna Gallina in Wandsbek. Es sei nicht die Politik der Großen Koalition in Berlin, die die Grünen stark mache, sondern die grüne Politik, die „Lösungen statt Populismus“ biete. „Wir stehen für Herz statt Hetze, für ein gerechtes, friedliches Europa, in dem niemand untergeht.“
Nach Ansicht der Hamburger Bundestagsabgeordneten Anja Hajduk sind die Grünen derzeit der gesellschaftliche Gegenpol zu Populismus, opportunistischer CSU und den „Macht-Hick-Hack-Spielchen“ der Großen Koalition. Mit Blick auf den Zuspruch für die Grünen sagte sie aber auch: „Das ist eine unglaubliche Verantwortung, die uns da zuwächst.“
Diese Mahnung griff Grünen-Bürgerschaftsfraktionschef Anjes Tjarks auf. „Ich habe Respekt vor der Verantwortung, die uns übertragen wird“, sagte er. Auch die Hamburger Grünen müssten deutlich machen, dass sie längst nicht für alle Probleme Lösungen hätten. Vielmehr gelte: „Wir ringen um Lösungen, offen und ehrlich.“
Grüne verabschieden Antrag zur Stadtentwicklung
Auf ihrem Parteitag verabschiedeten die Hamburger Grünen-Mitglieder unter anderem mit großer Mehrheit einen Antrag zur Stadtentwicklung. Er sieht 20 Maßnahmen vor, um den Konflikt zwischen dem Wohnungsbau und dem Erhalt von Grünflächen so weit wie möglich aufzulösen und mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Demnach sollen mehr als zehn Prozent des Stadtgebiets unter Naturschutz gestellt, mehr Häuser begrünt, neue Grünflächen geschaffen und Straßenbäume gepflanzt werden.
Gleichzeitig soll die Stadt gezielt Grundstücke kaufen und entwickeln. Die städtische Gesellschaft fördern & wohnen, die bisher hauptsächlich mit der Unterbringung von Wohnungslosen und Geflüchteten zu tun hat, soll nach dem Willen der Grünen neben der SAGA zu einem zweiten städtischen Konzern weiterentwickelt werden, der den sozialen Wohnungsbau vorantreibt. In innerstädtischen Vierteln sollen laut Antrag künftig 50 Prozent geförderte Wohnungen entstehen; die Bindung von gefördertem Wohnraum soll künftig immer für 30 Jahre gelten.
Dieser und weitere Anträge etwa zum Ausbau der Wissenschaft in Hamburg sind laut Fraktionschef Anjes Tjarks als „Vorarbeiten für ein Regierungsprogramm“ zu verstehen. Katharina Fegebank erklärte: „Wir wollen zusammen das stärkste Bürgerschaftsergebnis seit der Gründung der Hamburger Grünen erreichen.“ Bei der Bürgerschaftswahl 2015 hatten die Grünen 12,3 Prozent geholt.