Hamburg. Fraktionschef Trepoll wird intern zur Spitzenkandidatur gedrängt. Wissenschaftler rät zu einem Kurswechsel.

Zwei Tage nach der krankheitsbedingten Absage ihrer designierten Bürgermeisterkandidatin Aygül Özkan wächst die Nervosität in der Hamburger CDU. Offenbar glauben nicht alle in der mittleren Führungsebene daran, dass es der Parteispitze gelingen kann, zeitnah eine gute Alternative zu Özkan zu finden – und fordern deswegen, Fraktionschef André Trepoll müsse 2020 gegen SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher kandidieren.

Am späten Montagabend traf sich der Landesvorstand, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Es gab zwar eine längere Aussprache, aber es wurde kein Beschluss gefasst. Fraktionschef Trepoll soll sich nach Aussage von Teilnehmern nicht zu einer möglichen eigenen Kandidatur geäußert haben. Stattdessen wurde auch darüber diskutiert, wie das Abendblatt bereits am späten Sonnabend exklusiv vorab von der internen Mail erfahren konnte, aus der der Rückzug Özkans hervorging. Es dürfe nicht sein, dass interne Informationen binnen kürzester Zeit beim Abendblatt zu lesen seien, hieß es von der Parteiführung laut Sitzungsteilnehmern.

In der Kandidatenfrage vertagte man sich am Montagabend auf das kommende Wochenende. Dann sollen bei einer Klausurtagung mit Fraktions- und Parteispitze und allen Ortsverbandsvorsitzenden der Zeitplan und ein „Anforderungsprofil“ für eine Ersatzkandidatin oder einen Ersatzkandidaten besprochen werden, hieß es am Montag aus der Parteiführung. Dabei müsse man sich vor allem die Ergebnisse der Grünen in den Großstädten ansehen.

Kommentar: Eine Tragödie mit Ansage

Diese zeigten, dass die CDU „anschlussfähige“ Kandidaten in Großstädten brauche. Es sei falsch, jetzt vorschnell mit Namen zu jonglieren oder sich schon wenige Tage nach der Özkan-Absage festzulegen, hieß es. Wichtiger sei es, einen guten Kandidaten zu finden. Dafür könne zum Beispiel eine Findungskommission eingerichtet werden, um den Prozess so zu gestalten, dass nicht unablässig neue Namen durch Partei und Medien geisterten.

Ziel müsse es sein, rechtzeitig vor den Bezirksversammlungswahlen im Mai und spätestens ein Jahr vor der Bürgerschaftswahl einen Kandidaten zu präsentieren – also im kommenden Februar.

Wissenschaftler rät zu Kurswechsel

Weder Parteichef Roland Heintze noch Fraktionschef André Trepoll hegen offenbar Ambitionen auf die Spitzenkandidatur. Das sorgt bei manchen in der Partei für Stirnrunzeln. Wer solche Führungsämter bekleide, müsse bereit zur Kandidatur sein, hieß es.

Ein Politikwissenschaftler rät der CDU derweil zu einer liberaleren Politik. „Mit dem zuletzt konservativen Kurs hat die CDU keine Chance in einer Großstadt wie Hamburg“, sagte Prof. Kai-Uwe Schnapp von der Uni Hamburg. „Sie wäre gut beraten, nicht nur einen liberalen Kandidaten als Ersatz für Frau Özkan zu finden – sondern diese Positionierung auch inhaltlich zu hinterlegen. Es wird der CDU nichts nützen, nur ständig maximal zu meckern, wie es etwa Herr Thering in der Verkehrspolitik tut. Wenn die Parteien sich ständig gegenseitig madig machen und um des Streites willen streiten statt um die beste Lösung, dann nützt das in der Regel nur den Populisten. Das konnte man auch gerade bei der Wahl in Schweden beobachten.“