Hamburg/Berlin. Grüne kritisieren Auftritt von Stripperinnen als „völlig unpassend“. Senat verteidigt sich: „Das ist Hamburger Kultur.“
Passen Erotiktänze, Striptease-Einlagen und fast nackte Tänzerinnen zu einer Veranstaltung des rot-grünen Senates? Diese Frage beschäftigt seit kurzem nicht nur manche der 4000 Gäste des diesjährigen Hamburger Landesfestes in Berlin – sondern auch die Hamburger Politik. Anlass sind die Auftritte der Hamburger Gruppe „The Sinderellas“ bei der diesjährigen Hamburg-Party, zu der Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am Dienstagabend in das Gebäude des früheren Berliner Flughafens Tempelhof geladen hatte.
Ein Programmpunkt der von Dutzenden Unternehmen gesponserten Veranstaltung war zwischen Shantys, Schifferklavier und HipHop der Auftritt der Hamburger Erotiktänzerinnen, die ihre Arbeit auf ihrer Internetseite so beschreiben: „Umspielt vom exklusiven Duft des Unnahbaren und Sündhaften wird der Zuschauer in eine geheimnisvolle Welt entführt, die sowohl den Revue-Fan, als auch den Freund des urbanen Nachtlebens fesseln wird.“
Viele Herren zückten die Handys
Das gefiel nach Aussagen von Besuchern zwar einigen der rund 4000 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Medien prächtig. Viele Herren zückten ihre Handys und filmten die nackten Frauen. Bei anderen allerdings sorgten die Striptease-Einlagen für Stirnrunzeln. So etwas passe nicht zu einer offiziellen Veranstaltung einer rot-grünen Regierung im Jahr 2018, urteilten manche Gäste nach Aussagen von Anwesenden. Auch Vertreter von Ministerien und prominente TV-Moderatoren sollen den Auftritt als unpassend empfunden und sogar von „Fremdschämen“ gesprochen haben.
Vor allem bei den Grünen sorgte das Programm für scharfe Kritik. „Diese Showeinlagen waren für einen offiziellen Anlass der Stadt völlig unpassend. Mich haben viele irritierte Nachfragen dazu erreicht“, sagte Hamburgs Grünen-Chefin Anna Gallina am Mittwoch. Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks nannte den Auftritt für den Rahmen ebenfalls „völlig unpassend“ und fügte hinzu: „Wenn dies der Versuch war, ein wenig Hamburger Nachtleben nach Berlin zu holen, ist das gründlich schief gegangen.“
Senatssprecher verteidigt Striptease
CDU-Fraktionsvize Birgt Stöver sagte: „Wenn die Senatskanzlei meint, dass solche Auftritte passend für ein solches Fest sind, muss sie sich im Klaren sein, dass das nicht jeder gut findet. Meinen Geschmack trifft es nicht.“ Eine große Debatte müsse man daraus aber auch nicht machen. FDP-Fraktionschef Michael Kruse dagegen sagte, die „künstlerischen Darbietungen“ seien „unterhaltsam und ein Gewinn für den Abend“ gewesen. Senatssprecher Jörg Schmoll verteidigte das Programm ebenfalls: „Das Musik- und Unterhaltungsprogramm bildet das facettenreiche Kulturleben unserer Stadt ab“, so Schmoll. „All dies gehört zu Hamburg.“ Der NDR betonte, dass die Bühne zwar ein Logo des Senders getragen habe, dass dieser Teil des Bühnenprogramms aber allein durch die Landesvertretung Hamburg ausgewählt worden sei.
Zuletzt hatte das Landesfest vor zwei Jahren für Schlagzeilen gesorgt. Damals hatte es auf der großen Senatsparty in Berlin einen sexuellen Übergriff auf die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) gegeben. Fegebank, die auch Hamburger Gleichstellungssenatorin ist, wollte sich am Mittwoch nicht zum Auftritt der Tänzerinnen äußern. Sie sei in diesem Jahr gar nicht bei dem Fest gewesen.
"Fleischbeschau" und "Miesepeter"
Auch in den sozialen Medien wurde der Auftritt am Mittwoch kontrovers diskutiert. Ein Mitglied aus dem Vorstand der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) schrieb bei Facebook: „Frechheit und nicht zu akzeptieren. Wer hat das genehmigt?“ Andere sprachen von „Fleischbeschau“ auf einer Senatsfeier.
Unter einem von Hamburg1-Politikchef Herbert Schalthoff geposteten Video des Auftritts gab es aber auch viele andere Stimmen, die den Kritikern etwa vorwarfen, sie seien „Miesepeter“, oder betonten, dass solche Darbietungen zu St. Pauli und also auch zu Hamburg gehörten. „Die wahren Sexisten sind doch diejenigen, die diesen Menschen ihre Selbstbestimmung und dieser Kunstform ihre Daseinsberechtigung abzusprechen versuchen“, so ein Kommentator. „Manchen scheint unsere Freie und Hansestadt ein Stückchen zu frei zu sein.“