Hamburg. 2018 haben die „Waste-Watcher“ mehr Umweltfrevler ausfindig gemacht als in den drei Jahren zuvor. CDU: „Reine PR-Nummer“.
Nach dem Start der Sauberkeitsoffensive für Hamburg haben die Meldungen über Schmuddelecken in der Stadt stark zugenommen. Der Stadtreinigung zufolge gingen bis Ende Mai 22.675 Hinweise auf achtlos weggeworfenen Abfall oder illegal entsorgten Hausmüll ein. Das sind doppelt so viele Meldungen wie im gleichen Vorjahreszeitraum.
Verantwortlich für den Anstieg ist laut Entsorger aber nicht ein verdrecktes Stadtbild, sondern die vereinfachte Handhabung der Melde-App auf dem Smartphone.
27 Millionen Euro für mehr Sauberkeit
Die Ziele des Senats beim Start der 27 Millionen Euro teuren Sauberkeitsoffensive am Jahresanfang waren eindeutig: Mehr Sauberkeit, härtere Strafen für Müllsünder, klare Zuständigkeiten. Verschmutzungen, Unkraut, kaputten Bänken, Graffiti oder Wildplakatierungen sollten mit 450 zusätzlichen Mitarbeitern bei der Stadtreinigung Einhalt geboten werden. Dafür übernahm das städtische Entsorgungsunternehmen neben Straßen und Plätzen auch die Verantwortung für die 3000 Grünflächen und 800 Spielplätze.
Dort will die Stadtreinigung 1000 zusätzliche Mülleimer, 170 neue Reinigungsfahrzeuge wurden angeschafft. Mit Unternehmen wie der Deutschen Bahn oder der Saga wurden Vereinbarungen getroffen, wonach die Stadtreinigung die Müllmeldungen entgegennimmt, Verantwortliche identifiziert und die Beseitigung koordiniert.
Um bei Müllsündern härter durchgreifen zu können, wachen seither 30 sogenannte Waste-Watcher über die Einhaltung der Vorschriften.Der Einsatz dieser „Müllpolizei“ habe sich dabei bereits bemerkbar gemacht, hieß es. Bis Ende Juni wurden 6200 Fälle illegaler Müllentsorgung dokumentiert, 872 Verursacher konnten ermittelt, 844 Buß- und Verwarngelder verhängt werden.
„So sauber wie lange nicht“? Oder bloß „magere Zahlen“?
Die Meinungen in der Bewertung der ersten Ergebnisse gehen jedoch weit auseinander. Anjes Tjarks, Fraktionschef der Grünen, stellt fest: „Die Zahlen belegen, was im Stadtbild immer sichtbarer wird: Unser Hamburg ist so sauber wie lange nicht.“ Stephan Gamm, umweltpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, ist dagegen froh, dass die Sauberkeitsoffensive mit „mageren Zahlen“ nicht wie zunächst geplant durch eine Extragebühr erkauft wurde.
Die Stadtreinigung wiederum sieht die stark gestiegene Zahl von 22.675 Hinweisen auf Abfallecken bis Ende Mai nicht als Indiz zunehmender Vermüllung. Vielmehr sei die hohe Meldeintensität (4000 Hinweise pro Monat) auf die vereinfachte Nutzung der Smartphone-App zurückzuführen. Sprecher Reinhard Fiedler: „Das zeigt, dass sich die Bereitschaft der Bevölkerung, sich durch das Absetzen einer Meldung aktiv für die Sauberkeit der Stadt einzusetzen, stark verbessert hat.“
Mit der Smartphone-App der Stadtreinigung kann jeder Hamburger ein Foto mit Standort der Müllecke melden. 83 Prozent dieser gemeldeten Verfehlungen wurden binnen drei Tagen beseitigt. Mehr als 6800 Meldungen fielen nicht in den Zuständigkeitsbereich der Stadtreinigung.
Viel mehr Verfahren gegen Müllsünder
Grundsätzlich viele Meldungen kämen aus St. Pauli, St. Georg oder dem Harburger Phönix-Viertel. In diesen Quartieren, so Fiedler, werde immer wieder viel Müll ordnungswidrig entsorgt. Deshalb seien die neuen Waste-Watcher des Unternehmens nicht nur in Parks, sondern auch am Wochenende auf den Grillwiesen und Vergnügungsvierteln unterwegs. Hinzu kommen am Wochenende bis zu 200 Straßenkehrer.
Mehr als 6200 illegale Müllentsorgungen haben die Waste-Watcher bis Ende Juni festgestellt, 844 Buß- oder Verwarngeldverfahren gegen die Verursacher wurden in dieser Zeit eingeleitet. Zum Vergleich: In den Vorjahren, als die Bezirke die Hoheit über diese Verfahren hatten, wurden pro Jahr nur 180 (2015), 237 (2016) und 143 (2017) Verstöße geahndet.
Für Anjes Tjarks steht schon deshalb fest: „Die Sauberkeitsoffensive wirkt.“ Die Stadtreinigung sei von April bis September wöchentlich sieben Tage im Einsatz und trage dazu bei, „dass Hamburg die grüne Stadt am Wasser bleibt“. Die vielen neuen Arbeitsplätze würden eine Win-win-Situation ergeben, die Schule machen könne.
Waste-Watcher sind „reine PR-Nummer“
„Viel Aufwand, wenig Ertrag“, moniert dagegen CDU-Experte Stephan Gamm. „Bei den mageren Zahlen, die Rot-Grün nach sechs Monaten zu bieten hat, sind wir sehr froh, dass wir den Bürgern die dafür vorgesehene Sauberkeitsgebühr ersparen konnten.“ Die Idee der Waste-Watcher entpuppe sich angesichts der Verwarnungen „als reine PR-Nummer“. In Wien würden beispielsweise fast zehnmal so viele Verwarnungen ausgesprochen, so Gamm. Für Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) gebe es noch viel zu tun.
Tatsächlich gilt Wien mit einer vergleichbaren Einwohnerzahl als eine der saubersten Städte Europas. Seit 2008 gibt es dort Waste-Watcher, die im vergangenen Jahr 7400 Strafen verhängt haben. Allerdings sind dort 150 Mitarbeiter im Einsatz. In Hamburg sind es 30.