Hamburg. Auf den schmalen Wegen an der Elbe kommt das Minimobil der Stadtreinigung zum Einsatz. Das Abendblatt war dabei.
Morgens um halb sieben ist die Welt in Övelgönne noch in Ordnung – auf den ersten Blick jedenfalls. Viele Vorhänge sind zugezogen, ein paar gertenschlanke Jogger drehen ihre Runden, und nur wenige Radfahrer machen sich auf den Weg in die City. Doch wer genauer hinsieht, erblickt Müll – und zwar jede Menge. Am Strand quellen die Papierkörbe nicht nur über, sondern manche sind so vollgepackt, dass man die eigentlichen Behälter kaum erkennen kann. Oben am Övelgönner Wanderweg stapeln sich gelbe Säcke bergeweise, und auch viele „Wertstofftonnen“ – ebenfalls in Gelb – stehen am Wegesrand.
Zeit für den Einsatz der beiden Entsorger Heino Vierle und Hans-Jürgen Endemann – früher nannte man sie Müllmänner. Pünktlich trifft das Team zum kurzen Infogespräch am großen Lüftungsschacht des Elbtunnels ein. Viel Zeit zum Schnacken ist nicht – es wartet jede Menge Arbeit auf die zwei.
Der eigentlich Star ist im Übrigen ihr Fahrzeug: Hamburgs kleinstes Müllauto. Ortsfremde haben sich beim Spazierengehen oft gefragt, wie die Müllabfuhr dort überhaupt arbeiten kann, und nur die wenigsten haben sie in aller Herrgottsfrühe schon einmal gesehen. Anwohner wissen dagegen natürlich, welches Unikum da am schmalen Wanderweg im Einsatz ist, ein Fahrzeug, das sonst so gut wie nirgendwo in Hamburg herumfährt.
Das Gefährt ist nur 1,45 Meter breit
Die Grundüberlegung dazu ist klar: Ist der Weg zu schmal, muss das Fahrzeug eben angepasst werden. Offiziell heißt das Gefährt Bokimobil Hy 1252. Mit fünf Metern Länge ist es nicht gerade kurz, aber nur 1,45 Meter breit und 2,55 Meter hoch. Ein normales Müllauto könnte es bequem in seinem dicken Bauch aufnehmen. Ein Övelgönner Unikat – fast jedenfalls. Nur im Blankeneser Treppenviertel unterstützt das Team Vierle/Endemann damit gelegentlich die dortigen Entsorger.
Los geht’s. Vierle und Endemann fangen beim Övelgönner Hohlweg an und arbeiten sich dann in Richtung Osten auf dem Wanderweg vor. Meistens fährt Heino Vierle und Hans-Jürgen Endemann lädt auf. Wenn richtig viel am Rand abgelegt wurde, packt auch Vierle mit an, sonst würde es zu lange dauern. An manchen Stellen ist der Weg so schmal, dass das Müllauto fast die gesamte Wegbreite einnimmt. Die Radfahrer, deren Zahl sich im Verlauf des Morgens immer weiter erhöht, stauen sich stellenweise hinter dem Bokimobil. Besonders eng geht es auf Höhe der Hausnummer 77 zu, wo eine alte Linde gegenüber der ohnehin schon weit vorspringenden Mauer steht.
Das Entsorger-Team nimmt’s gelassen, zeigt sich in Hochform. Immer wieder fährt Hans-Jürgen Endemann so weit wie möglich an eine der beiden Wegseiten, um etwas Platz zu machen. Ein kurzes Signal, ein paar getauschte Blicke, schon kann das Knäuel entwirrt werden. Mit einer gewissen Grandezza winkt Heino Vierle die Radler vorbei, was wie am Schnürchen klappt.
Galant und fröhlich sind die Entsorger – keine Selbstverständlichkeit im städtischen Alltag. Die Radfahrer klingeln und danken, „ihr seid klasse“, ruft einer. Dass hier, auf Hamburgs bekanntester und umstrittenster Schiebestrecke, eigentlich gar nicht geradelt werden darf, ist für Vierle und Endemann kein Thema. „Was sollen wir denn machen“, fragt Vierle rhetorisch und dann ganz cool: „Ich bin ja nu kein Richter.“
Ein Einsatz dauert vier bis fünf Stunden
Keine Frage: Nicht nur viele Radfahrer, sondern auch etliche Anwohner kennen das markante Team, und laufend wird den beiden Kraftpaketen vergnügt zugewinkt. Vor allem Heino Vierle erwidert die Grüße immer wieder charmant: „Guten Mooorgen, junge Frau.“ Dank der routinierten, effizienten Arbeit wandert flott Sack für Sack in die Presse – deutlich mehr als gedacht. Für Laien ist es schwer abzuschätzen, wann der nicht gerade riesige Bauch des Mini-Müllwagens gefüllt ist.
Hans-Jürgen Endemann zeigt auf einen gelben Knopf an der Seite des Gefährts. wenn der blinkt, sind drei Viertel des Volumens ausgefüllt. Der Rest ist dann Abschätzungssache, und irgendwann geht es dann nicht mehr weiter. Die Entsorger müssen dann zum Betriebshof an der Lederstraße fahren und ihre miefende Fracht loswerden. Wie lange so ein Arbeitseinsatz insgesamt dauert, hängt von der Müllmenge ab und ist deshalb schwer abschätzbar. Vier bis fünf Stunden dauert ein Einsatz schon, schätzt Heino Vierle.
Mindestens 50 gelbe Säcke liegen oberhalb der Strandperle, fast noch einmal genauso viele am Zaun beim „Ahoi“. Vierle und Endemann sind jetzt stark gefordert – schleudern die Säcke in hohem Tempo nach oben, ohne dass auch nur einer daneben fliegt. Da das Bokimobil über eine Presse verfügt, kann das Team wesentlich mehr Müll mitnehmen, als es früher bei der „händischen“ Sammlung mit einem Kleinlaster möglich war.
Nicht alle Säcke werden ordentlich verschnürt
Dass hier alle Säcke ordentlich verschnürt und gestapelt am Rand liegen, ist zwar erfreulich, aber keine Selbstverständlichkeit. „Wir erleben das oft auch ganz anders“, sagt Heino Vierle, und seine gute Laune verfliegt für einen Moment. „Manche Leute sind, man muss es leider sagen, echte Schweine.“
Während das Bokimobil oben am Weg weiterzuckelt, werden in Strandnähe schon die ersten Tonnen in ein „richtiges“ Müllauto gekippt. Parallel leert ein Mann per Hand die roten Papierkörbe am Wegesrand. Wer sich das morgens anguckt, versteht, warum so viele Ecken in Hamburg trotz mancher Schwierigkeiten letztlich doch immer wieder blitzblank werden. In diesem aufwendigen System greifen alle Räder ineinander – jeden Tag aufs Neue.