Hamburg. Justizsenator Till Steffen will sie einführen und verärgert die eigene Fraktion. CDU ist dagegen, SPD will nach den Ferien entscheiden.
Justizsenator Till Steffen (Grüne) hat sich für die Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten im Einsatz ausgesprochen – und damit nicht nur Kritik der CDU, sondern auch Unmut in seiner eigenen Grünen-Bürgerschaftsfraktion ausgelöst. Hintergrund der Diskussion ist auch, dass es zwar 150 Ermittlungsverfahren gegen Beamte wegen mutmaßlicher Übergriffe beim G-20-Gipfel gibt – bislang aber in keinem Fall Anklage erhoben wurde.
Weniger als die Hälfte der bisher 52 eingestellten Verfahren wurde laut Senatsantwort auf eine Linken-Anfrage eingestellt, weil das Verhalten der Polizisten nachweisbar legitim gewesen sein soll. Dagegen konnte in 20 Fällen keine Anklage erhoben werden, da es nicht genügend Beweise für eine Straftat gab – und in elf weiteren Fällen konnten die verdächtigten Polizisten namentlich nicht ermittelt werden.
Kennzeichnung „erhöht Vertrauen in Rechtsstaat und Polizei“
„Die Kennzeichnung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ist eine Erleichterung bei strafrechtlichen Ermittlungen“, sagte Steffen dem Abendblatt. „Sie erhöht das Vertrauen in den Rechtsstaat und die Polizei, weil sie ganz erheblich zur Tatsachenklärung beitragen kann. Wenn Polizeibeamte identifiziert werden können, können sie sich auch zu den Vorwürfen äußern. Ihre Kollegen können als Zeugen aussagen und die Einsatzpläne eingesehen werden. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit immens, dass Verfahren auch mit einem konkreten Ergebnis enden, weil alle Fakten auf den Tisch kommen.“ Wenn die Frage nach Schuld oder Unschuld an der nicht vorhandenen Kennzeichnungspflicht scheitere, blieben „Zweifel und Unsicherheit, die niemandem nützen“, so Steffen.
CDU-Innenpolitiker Dennis Gladiator sieht das anders. „Wir sind klar gegen eine individuelle Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten in geschlossenen Einheiten“, so Gladiator. „Diese drückt ein erhebliches Misstrauen gegenüber den Beamten aus, die tagtäglich Leib und Leben für unsere Sicherheit riskieren und zunehmend Gewaltexzessen von militanten Demonstranten oder randalierenden Fußballfans ausgesetzt sind. Wie traurige Beispiele zeigen, veröffentlichen Linksextreme Bilder und Anschriften von Polizeibeamten mit Hetzaufrufen im Internet, durch eine Kennzeichnungspflicht würde sich die Gefahr für die Polizisten noch weiter erhöhen.“
SPD will erst nach den Sommerferien entscheiden
Auch ein kürzlich ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ändere daran nichts. „Die Richter stellten lediglich fest, dass es nicht sein dürfe, dass Beamte nicht identifizierbar seien und kritisierten unzureichende Ermittlungstätigkeit. Eine Kennzeichnungspflicht ergibt sich daraus nicht. Auch ist ihr Nutzen durch nichts belegt“, so Gladiator. Er erwarte, dass SPD-Innensenator Andy Senator Grote Wort halte „und sich nicht über den Kopf der Gewerkschaften zu einer Kennzeichnungspflicht hinreißen lässt, nur um den Grünen zu gefallen“.
SPD-Innenpolitiker Sören Schumacher verwies darauf, dass sich am Freitag der kommenden Woche der Innenausschuss der Bürgerschaft mit dem Thema befassen und dazu Experten anhören will. „Entscheidungsgrundlage ist die Sachverständigenanhörung“, so Schumacher. „Wir werden sie sorgfältig auswerten. Die Beratungen werden nach den Sommerferien mit einer Senatsanhörung fortgesetzt. Danach wird es nach Abwägung aller Argumente eine Entscheidung geben. Dieses Verfahren ist innerhalb der Koalition abgestimmt.“
Grünen-Abgeordnete Möller geht auf Distanz zu Steffen
FDP-Innenpolitiker Carl Jarchow lobte die Aussagen Steffens. „Wir begrüßen, dass Justizsenator Steffen – anders als im Frühjahr in der Bürgerschaft – nun die Notwendigkeit der Kennzeichnungspflicht erkannt hat“, so Jarchow. „Konstruktive Opposition wirkt. Wir treten für eine chiffrierte, individuelle Kennzeichnungspflicht bei geschlossenen Einsätzen ein. Wir freuen uns, dass es uns gelungen ist, nunmehr auch ein Mitglied des rot-grünen Senats mit unserer Argumentation zu überzeugen.“
Weniger erfreut zeigte sich Steffens Parteifreundin und Innenpolitikerin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, Antje Möller. „Die Kennzeichnungspflicht ist in allen Bundesländern seit Jahren ein Thema. So auch in der Koalition in Hamburg“, sagte Möller. „Dafür hören und bewerten wir die Einschätzung von Staatsanwaltschaften, Anwältinnen und Anwälten und auch der Justizbehörde. Ebenso setzen wir uns mit den Argumenten der Polizeigewerkschaften und Erfahrungsberichten aus der Polizei auseinander“, so die Abgeordnete. „Die Einschätzung des Justizsenators ist dabei eine von vielen – wir legen Wert darauf, dass klar bleibt: Die Entscheidung wird von den Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft getroffen.“
Deutlicher kann man einen eigenen Senator kaum in die Schranken weisen.