Hamburg. Der neue Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) kündigte an, die städtischen Ausgaben deutlich erhöhen zu wollen.

Um rund 100.000 Menschen ist Hamburg in diesem Jahrzehnt gewachsen und hat erstmals seit den 60er Jahren wieder mehr als 1,8 Millionen Einwohner. Diesem enormen Wachstum will der rot-grüne Senat künftig stärker Rechnung tragen und in den kommenden Jahren deutlich mehr Geld ausgeben.

Auf exakte Summen legte sich der neue Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) bei der Vorstellung des Konzepts am Dienstag im Rathaus zwar noch nicht fest, aber zumindest der künftige Ausgabespielraum ist abgesteckt: Er steigt nach Abendblatt-Informationen für die Jahre 2018 bis 2020 um 700 Millionen bis gut eine Milliarde Euro – pro Jahr. Bei einem Haushaltsvolumen von rund 14 Milliarden Euro entspricht das einer möglichen Steigerung der Ausgaben um etwa fünf bis sieben Prozent.

Besonders zwei Bereiche bekommen mehr Geld

Das Geld soll vor allem in zwei Bereiche fließen: Zum einen in alle Strukturen, die vom Bevölkerungswachstum besonders betroffen sind: Also etwa die Kitas (seit 2011 von 64.000 auf 87.000 Kinder gewachsen), die allgemeinbildenden Schulen (von 180.000 auf 195.000 Schüler), die Hochschulen (auf fast 100.000 Studenten gewachsen), aber auch Polizei, Feuerwehr und der öffentliche Nahverkehr (der HVV hat 2016 fast 75 Millionen Fahrgäste mehr befördert als 2011) sollen profitieren. Zum anderen müssten allein 300 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich zurückgestellt werden für künftige Pensionszahlungen.

„Hamburg wächst. Die Bevölkerung und die Beschäftigung wachsen“, sagte Dressel und betonte: „Jeder kann nachvollziehen, dass das Wachstum der Stadt auch höhere Ausgaben zur Folge hat – für mehr Kita-Plätze, für mehr Schulen, für mehr Polizei, für mehr öffentlichen Nahverkehr, für mehr Wohnungen und für weitere städtische Infrastrukturen. Diese mitwachsende Infrastruktur schafft die Voraussetzung, damit Hamburg auf dem Wachstumspfad bleiben kann.“

Kein Anlass für "Goldgräberstimmung"

Dressel, der nach der Wahl des bisherigen Finanzsenators Peter Tschentscher (SPD) zum Bürgermeister vor einer Woche dessen Amt übernommen hatte, dämpfte gleichzeitig die Erwartungen an neue finanzielle Möglichkeiten: „Das Wort Spielraum habe ich mir in meiner neuen Funktion fast verboten“, sagte der Senator. Für „Goldgräberstimmung“ gebe es keinen Anlass: „Es bleibt dabei, dass der Haushalt der Stadt ohne strukturelle Neuverschuldung finanziert wird. Der Finanzrahmen ist und bleibt eng.“

Dass er dennoch beträchtlich weiter wird, hatte Dressel in seiner früheren Funktion als SPD-Fraktionschef mit ausgelöst. Denn SPD und Grüne in der Bürgerschaft hatten den Senat 2017 aufgefordert, die Haushaltsplanung um einen „Wachstumsfaktor“ zu erweitern. Hintergrund: Seit dem Regierungswechsel 2011 hatte Tschentscher für die Aufstellung des Haushalts nicht die stets recht optimistische Steuerschätzung als Grundlage genommen, sondern er hatte unbeirrt von der boomenden Konjunktur die Einnahmen der vergangenen 21 Jahre in die Zukunft fortgeschrieben – diese „Konjunkturbereinigung“ ergab natürlich deutlich niedrigere Werte.

Trotz zweimaliger Anhebung der Ausgaben klaffte die Schere zwischen Planung und tatsächlichen Einnahmen immer weiter auseinander – so dass Hamburg 2017 fast eine Milliarde Überschuss erzielte. Daher wird dieses „Konjunkturbereinigungsverfahren“ nun stärker der Realität angepasst: Schon für den Haushalt 2019/2020, der gerade aufgestellt wird, bilden die vergangenen 14 Jahren die Grundlage für die Etat-Planung.

CDU und FDP kritisieren Dressels Pläne

CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer übte daran Kritik: „Als erste Amtshandlung verwerfen der neue Bürgermeister und sein Finanzsenator komplett die nur wenige Monate alte Finanzplanung, um den Ausgabespielraum massiv zu erhöhen. Hier drängt sich der Verdacht auf, dass Rot-Grün mit dem kommenden Haushalt 2019/20 rechtzeitig vor der nächsten Wahl umfangreich Geschenke verteilen will.“

Mitten im Haushalts-Aufstellungsverfahren die Methodik zu ändern, sei fragwürdig, sagte Kleibauer: „Die erfreuliche Entwicklung der Steuereinnahmen darf nicht dazu führen, leichtfertig und im Eilverfahren haushaltspolitische Konzepte komplett zu ändern. Nun plant Rot-Grün bis 2020 mal eben höhere Einnahmen im Milliardenbereich ein. Das ist unsolide und keine nachhaltige Finanzpolitik.“

Auch FDP-Haushaltsexpertin Jennyfer Dutschke warf Dressel vor, Hamburg „unnötigen Haushaltsrisiken“ auszusetzen: „Das von ihm vorgestellte neue Konjunkturbereinigungsverfahren ist aufgrund des verkürzten Stützzeitraums anfälliger für konjunkturelle Schwankungen und kurzfristige Entwicklungen. Rot-Grün schafft sich damit die Grundlage für einen milliardenschweren Wahlkampfhaushalt.“

Farid Müller, Finanzexperte der Grünen, begrüßte die Anpassung hingegen: „Hamburg ist ungebrochen attraktiv. Seit sieben Jahren wächst die Bevölkerung stärker, als wir es gewohnt waren. Wenn die Stadt wächst, müssen öffentliche Leistungen mitwachsen. Denn mehr Einwohnerinnen und Einwohner bedeuten nicht nur mehr Steuereinnahmen, sondern auch mehr Kosten für die öffentliche Hand.“