Hamburg. Ein „weiter so“ reicht der Hamburger SPD nicht, meint Parteienforscher Wiesendahl. Partei sei in einer schwierigen Umbruchzeit.
Die Hamburger SPD befindet sich nach Ansicht des Parteienforschers Elmar Wiesendahl in einer schwierigen Umbruchzeit. „Das Spiel beginnt neu“, sagte der frühere Professor der Universität der Bundeswehr. „Seit Olaf Scholz an der Macht war, war Scholz die SPD, und die SPD war Scholz.“ Nach dem Wechsel des früheren Bürgermeisters und Landesvorsitzenden nach Berlin dürfe man sich nicht auf seiner Leistungsbilanz ausruhen. „Der neue Bürgermeister Peter Tschentscher muss einen Impuls setzen, der in die Bürgerschaft, in die Stadt hineinwirkt und deutlich macht: Hier entsteht Inspiration, ein Sog – es geht nicht einfach mit der gleichen Platte weiter.“
Das Spitzenteam der SPD wird derzeit völlig neu aufgestellt. Seit einer Woche ist Sozialsenatorin Melanie Leonhard Landesvorsitzende, seit Mittwoch Ex-Finanzsenator Tschentscher Regierungschef, und am 9. April soll die neue Fraktionsspitze bestimmt werden. Denn der bisherige Fraktionsvorsitzende Andreas Dressel hat die Leitung der Finanzbehörde übernommen. Wiesendahl sieht es als Chance an, dass es nun ein Führungs-Trio geben wird. „Es muss wieder Leben in die Bude kommen. Es kann nicht bis zur Bürgerschaftswahl 2020 so weitergehen“, betonte der Hamburger Politikexperte.
Wiesendahl warnt
Anfang Februar hatte es Meldungen gegeben, dass Scholz Bundesfinanzminister werden solle, am 9. März gab es die offizielle Bestätigung. Eine kurz vor diesem Termin veröffentlichte Umfrage, die die SPD nur bei 28 Prozent sah, die CDU bei 22 Prozent. 2015 kamen die Sozialdemokraten bei der Bürgerschaftswahl noch auf 45,6 Prozent der Stimmen.
Wiesendahl warnt die Elb-Genossen davor, das lediglich als Momentaufnahme zu bewerten. „Die Vorstellung, dass das nur eine Übergangserscheinung ist, ist leichtfertig“, sagte der 72-Jährige. „Bei der Bundestagswahl hat die Hamburger SPD mit minus 8,9 Prozent am stärksten im ganzen Bundesgebiet verloren. Hier ist schon eine Art Erosion der Elbe-SPD zu beobachten.“ Insofern sei ungewiss, ob das neue Personal den Aufwärtstrend schaffe. „Es muss eine Wiederbelebung der Partei gelingen.“
Getrübte Stimmung
Bei seiner Wahl zum Bürgermeister erhielt Tschentscher nur 71 Stimmen. Rot-Grün hat aber 73 Sitze. Die fraktionslose Bürgerschaftsabgeordnete Nebahat Güçlü erklärte, sie habe auch für Tschentscher gestimmt – dann hätten sogar mindestens drei Stimmen der Koalition gefehlt. „Solch ein Dämpfer trübt die Stimmung zwischen den Koalitionspartnern, es wird Misstrauen gesät“, ist Wiesendahl überzeugt. Nun werde spekuliert, wer warum aus der Fraktionsdisziplin ausgebrochen sei. „Es wird auf die zukünftige geschlossene Zusammenarbeit von Rot-Grün im Hamburger Rathaus ankommen, um diesen Fauxpas vergessen zu machen.“
Tschentscher zum Bürgermeister vereidigt: