Hamburg. In Hamburg gibt es immer mehr Pkw – die immer weniger Parkplätze immer länger blockieren. Die Politik diskutiert Lösungen.
Obwohl der rot-grüne Senat Hamburg zur Fahrradstadt entwickeln will, kaufen sich immer mehr Hamburger ein Auto. Mit fast 780.000 gemeldeten Pkw wurde im Dezember 2017 ein neuer Höchststand erreicht. Die Zahl der Neuanmeldungen hat 2017 mit 140.052 Pkw den höchsten Stand des laufenden Jahrzehnts erreicht. Dabei steigt die Zahl der Autos nicht nur durch das Bevölkerungswachstum – es gibt offenbar insgesamt einen Trend zum Pkw. Laut ADAC hat sich die Auto-Dichte auch unabhängig von der Zuwanderung erhöht. Habe es 2010 in Hamburg noch 404 Pkw pro 1000 Einwohner gegeben, so seien es 2017 bereits 438 gewesen.
Obwohl es immer mehr Autos in der Stadt gibt, werden diese aber immer seltener genutzt. Verkehrszählungen haben zuletzt einen Rückgang der Straßennutzung seit dem Jahr 2000 um mehr als drei Prozent ergeben. Im inneren Stadtbereich ist der Rückgang noch stärker, dafür nimmt die Nutzung von Autobahnen zu. Laut ADAC werden Pkw im Durchschnitt kaum mehr als eine Stunde pro Tag gefahren. Den Rest der Zeit stehen sie herum – und verbrauchen meist öffentlichen Raum. Der aber wird immer knapper.
Bauherren müssen keine Stellplätze mehr schaffen
Nicht nur verschwinden immer mehr Parkflächen, da der Platz für bessere Fuß- oder Radwege gebraucht wird. Seit 2014 sind Bauherren auch nicht mehr verpflichtet, parallel zum Wohnungsbau Stellplätze zu errichten. Zuvor mussten sie pro Wohnung 0,8 Parkplätze bauen. Eine Folge von all dem: Vor allem in engen Wohngebieten gibt es teilweise bereits mehr Autos als (öffentliche) Parkplätze. Deswegen parken immer mehr Autofahrer ihre Wagen so, dass sie Radfahrer, Fußgänger oder andere Autofahrer behindern.
Die Politik muss reagieren, da sind sich fast alle einig. Der ADAC fordert jetzt, der Senat müsse ein „ganzheitliches Parkraumkonzept“ vorlegen und die Stellplatzpflicht beim Wohnungsbau wieder einführen. SPD-Verkehrspolitikerin Martina Koeppen dagegen sagt, dass trotz der Abschaffung der Stellplatzpflicht genügend Parkplätze errichtet würden. Auch gingen viele Pkw-Neuanmeldungen auf Firmenfuhrparks zurück. Allerdings: Viele Car-Sharing-Autos fahren dafür mit Berliner oder Münchner Kennzeichen durch Hamburg, fallen also nicht in die Pkw-Statistik.
Geparkte Pkw blockieren immer öfter den Weg
Parkplatzprobleme gibt es laut ADAC vor allem in Wohngebieten. Wer in der Innenstadt parken wolle, finde in der Regel immer einen Parkplatz – natürlich gegen Gebühren. Tatsächlich haben die scharfen Kontrollen dazu geführt, dass es kaum noch Langzeitparker in der City gibt. Wer kurzzeitig zum Einkaufen einen Platz braucht, findet deswegen jetzt fast immer einen. In engeren Wohnvierteln dagegen, wo viele öffentliche Parkplätze gratis nutzbar sind, wird es immer schwieriger, einen Stellplatz zu finden.
Eine Folge: Immer mehr Autofahrer stellen ihre Pkw so ab, dass sie Fußgängern, Rollstuhlfahrern oder Eltern mit Kinderwagen den Weg versperren. Grünen-Verkehrspolitiker Martin Bill setzt daher auf mehr Kontrollen in den Wohngebieten. „Wir sind schon dabei, diese zu erhöhen“, so Bill. Auch solle das Bewohnerparken ausgeweitet werden. Autofahrer, die aus anderen Teilen der Stadt kommen, dürfen dann nicht mehr überall parken. „Fahrzeuge werden immer weniger genutzt und werden zu Stehzeugen“, so Bill. „Wir versuchen daher mit dem Ausbau des ÖPNV, der Entwicklung zur Fahrradstadt und CarSharing-Angeboten Alternativen zum eigenen Auto zu schaffen.“
CDU setzt auf Quartiersgaragen, Grüne sind skeptisch
Quartiersgaragen hätten sich leider in Hamburg nicht durchgesetzt, so Bill. „Aktuell findet man kaum noch jemanden, der bereit ist, solche Garagen zu finanzieren. Auch viele Tiefgaragen, die im Zuge von Wohnungsbau entstanden sind, sind leider nicht ausgebucht. Viele fahren anscheinend lieber fünfmal um den Block, bevor sie einen Garagenplatz mieten.“ Es sei „erschreckend, dass in den Wohngebieten alles zugeparkt wird, auch Straßenüberwege und Einmündungen. Wenn Schulkinder hinter parkenden Autos nicht gesehen werden oder Rettungsfahrzeuge nicht durch- kommen, sei das lebensgefährlich.
Die CDU dagegen setzt weiterhin auf Quartiersgaragen. „Was nicht zwingend über der Erde sein muss, sollten wir unter die Erde verlagern“, sagte CDU-Fraktionschef André Trepoll. „In eng bebauten Stadtteilen müssen mehr Quartiersgaragen gebaut werden. Da muss die Stadt investieren, damit diese Form der individuellen Mobilität weiter möglich ist und ärgerliche Parkplatzsuche vermieden wird.“ Es sei vernünftig, dass Anwohner für einen gesicherten Parkplatz in ihrem Viertel bezahlten. CDU-Verkehrspolitiker Dennis Thering betonte, dass seine Partei einen Bürgerschaftsantrag für die Umsetzung des „Züricher Parkplatzkompromisses“ eingebracht habe. „Dort wurden oberirdische Parkplätze in unterirdische Anlagen verschoben, ohne dass die Gesamtzahl angetastet wurde“, so Thering. „Kombiniert man dies mit digitaler Verkehrssteuerung, gehören Parkraumprobleme der Vergangenheit an.“
Elbtower und Fernbahnhof Altona bekommen wenige Parkplätze
Dass Bauherren oder die Stadt die Errichtung von Parkplätzen zurückfahren, lässt sich auch an Großprojekten sehen. So hatte der Architekt des geplanten „Elbtowers“, Christoph Felger, im Abendblatt-Interview die Entscheidung verteidigt, für geplante 3000 Arbeitsplätze nur 600 Parkplätze zu errichten. „Wie wir uns in Zukunft fortbewegen, ist einem dramatischen Wandel unterzogen, das Auto gehört immer weniger dazu“, so Felger. Am Potsdamer Platz in Berlin sei der Bau von Tiefgaragen eine Fehlinvestition gewesen, da diese nicht einmal zur Hälfte ausgelastet seien.
Sparsam wird auch die Parkplatz-Ausstattung am neuen Fernbahnhof Altona ausfallen, der 2024 in Betrieb gehen soll. Ganze 22 Stellplätze sieht die Planung vor – aber 600 Fahrradabstellplätze. Die CDU kritisiert dies, der Senat aber macht in einem Schreiben an den Bezirk klar, dass die Entscheidung bewusst getroffen wurde. Am Bahnhof werde es eine Verknüpfung mit S- und Regionalbahnen geben, heißt es in dem Brief. Für „Bewohner der Fläche“ stünden P+R-Plätze zur Verfügung. „Ein direktes Anfahren des Bahnhofs mit der Notwendigkeit längerer Parkvorgänge soll ausdrücklich vermieden werden.“