Hamburg. Bürgermeister gibt Wink in Richtung Abschied und Nachfolge. Generalsekretär Klingbeil bietet sich als HSV-Retter an.

Natürlich hat er wieder nichts gesagt. Oder doch? Zwei Aussagen von Hamburgs SPD-Bürgermeister Olaf Scholz beim Neujahrsempfang der SPD-Bürgerschaftsfraktion ließen sich am Sonntag zumindest als Wink deuten, was im März im Bund und in Hamburg mit ihm und anderen Genossen passieren könnte. „Wir sind in einer Phase, in der jemand wie ich ein wenig melancholisch sich umguckt, und sagt: Was wird wohl sein, wenn in drei Wochen die Mitglieder der SPD entschieden haben?“, sagte Scholz in seiner Rede beim Neujahrsempfang der SPD-Bürgerschaftsfraktion am Sonntagmittag. Er sei schließlich sehr gerne Bürgermeister, so Scholz.

Diese Passage dürften viele der 1100 Gäste im Großen Festsaal des Hamburger Rathauses als deutliche Ankündigung seines Abschieds verstanden haben. Wenn die SPD-Mitglieder bis Anfang März für die Große Koalition gestimmt haben sollten, so die Botschaft, dann wird der Mann, der Hamburg seit 2011 regiert hat, wohl wirklich als Finanzminister und Vizekanzler nach Berlin wechseln.

Hat Scholz Dressel als Nachfolger vorgestellt?

Auch ein anderer Passus ließ sich deuten – und zwar auf Scholz‘ Präferenz, was eine mögliche Nachfolge im Bürgermeisteramt angeht. Es sei jetzt wichtig, nicht über Namen, sondern über Inhalte zu diskutieren. „Wo wir doch so gerne über Personen diskutieren würden“, so der Bürgermeister, der in diesem Moment eine Drehung in die Richtung des seitlich hinter ihm auf der Bühne stehenden SPD-Fraktionschef Andreas Dressel machte und diesen anlächelte. „Auch über eine, die hier steht.“ Der langjährige Fraktionschef Dressel gilt als wahrscheinlichster Nachfolger von Olaf Scholz im Bürgermeisteramt, sollte dieser nach Berlin wechseln.

Zuvor hatte Olaf Scholz bereits die Erfolge seiner siebenjährigen Regierung aufgezählt: gebührenfreie Kitas, massiver Wohnungsbau, "bald" eine Million Wohnungen und eine Million sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, erfolgreiche Integration mit „bald 50.000 Einbürgerungen“, Hamburg als Vorreiter bei Elektro-Mobilität und der „Durchbruch“ bei Hamburgs Ziel „Wissenschaftsmetropole des Nordens“ zu werden. Zudem verwies Scholz auf die Ausbaupläne im Bereich Verkehr.

Scholz hält emotionale Rede – für seine Verhältnisse

„Wir haben Aufbruch in der Stadt organisiert, der muss jetzt umgesetzt werden“, sagte der Senatschef in einer für seine Verhältnisse emotionalen Rede, in der er sich sogar zu der Bemerkung hinreißen ließ, sein Herz sei so voll, dass er gar nicht alles ausdrücke könne, was ihm wichtig sei. Allerdings machte Scholz noch einmal klar, was das zentrale Ziel der SPD für Hamburg ist: „Das soll der Ehrgeiz der Stadt Hamburg sein: eine boomende Stadt sein und zugleich eine Stadt, die sich jedermann leisten kann und in der das Leben lebenswert bleibt – unter ökologischen Gesichtspunkten und unter Gesichtspunkten der Liberalität gleichermaßen.“

Trotz der schwierigen Lage der Bundes-SPD hatte deren neuer Generalsekretär Lars Klingbeil zuvor eine launige Rede gehalten. Er habe vor zwei Tagen sein zweimonatiges Jubiläum gefeiert und in dieser Zeit schon wahrlich viel erlebt, sagte der 39jährige Niedersachse unter dem Gelächter der Zuhörer. „Es gibt jetzt einige, die mir sagen: Wenn Du dann Ruhe in die SPD gebracht hast, dann kannst Du Dich beim HSV melden.“

Er habe schon vor einiger Zeit gesagt, dass der Erneuerungsprozess der SPD weh tun werde, so Klingbeil. Wenn Andrea Nahles den Parteivorsitz übernehme, werde es aber wieder aufwärts gehen, so der Generalsekretär, der dann auch die Chance nicht ausließ, für den Koalitionsvertrag zu werben und viele der Erfolge der SPD in den Verhandlungen zu erwähnen: etwa die Abschaffung des Soli, Parität bei der Krankenversicherung und Einschränkung der sachgrundlosen Befristung. „Wenn wir noch einen Tag länger verhandelt hätten, dann hätten sie uns das Kanzleramt auch noch gegeben“, so Klingbeil. „Aber man braucht ja auch noch Ziele.“

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„Hamburg ist ein Impulsgeber für ganz Deutschland“

SPD-Fraktionschef und Gastgeber Andreas Dressel hatte zuvor betont, dass Hamburg nicht nur in den GroKo-Verhandlungen, sondern insgesamt „Impulsgeber“ für die Entwicklung des Landes sei. Das zeige sich etwa beim „bundesweiten Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in der Grundschule ab 2025“. Damit habe Hamburg schon 2013/2014 begonnen. „Mit über 88 Prozent Schülern an Ganztagsschulen sind wir deutschlandweit an der Spitze“, so Dressel. „Aber nicht nur beim Ganztag gilt: Vieles wurde im Hamburger Labor sozialdemokratischer Großstadtpolitik erfolgreich getestet, jetzt geht es bundesweit in Serie, darauf können wir in Hamburg gemeinsam stolz sein.“

Auch Dressel warb noch einmal für den Koalitionsvertrag, nach dem erstmals Kinderrechte ins Grundgesetz geschrieben werden sollten. „Endlich kriegen wir auch Rückenwind des Bundes beim Thema Kita-Qualität“, so Dressel. „Fast 90 Millionen Euro bis 2021, das wird uns helfen, unseren ambitionierten, mit den Verbänden vereinbarten Weg der Verbesserung des Betreuungsschlüssels in den Kitas weiter zu gehen.“

Mitgliedervotum nicht bloßes "Stimmungsbild"

Neben 100 Millionen Euro für den Schulbau bekomme Hamburg außerdem rund 120 Millionen Euro für die Digitalisierung der Schulen, das Digitalpaket sei damit ein „echter Quantensprung für die Weiterentwicklung des Hamburger Schulunterrichts“, so Dressel. „Endlich wird es zudem einen Mindestlohn für Azubis geben. Bildung muss gebührenfrei sein, von der Krippe bis zum Hörsaal, das haben wir schon geschafft – und jetzt endlich auch an der Werkbank.“ Das sei „ein großer Erfolg aller, die das ausgehandelt haben“, so Dressel mit Blick auch auf Olaf Scholz.

„Das ist kein Stimmungsbild“, betonte dieser wenig später mit Blick auf den Mitgliederentscheid der Genossen über den Koalitionsvertrag. „Das ist die Entscheidung, die die Mitglieder der ältesten demokratischen Partei dieses Landes darüber fällen, wie es weitergehen soll mit Deutschland und mit Europa.“ Wenn man sich mit diesem Wissen die Inhalte der Koalitionsvereinbarung genau ansehe, dann „muss man diesem Koalitionsvertrag zustimmen und der künftigen Regierung ins Amt verhelfen“, so Scholz.

Der Applaus im Saal zeigte, dass der Bürgermeister mit dieser Einschätzung eine klare Mehrheit hinter sich hat – zumindest bei diesem Neujahrsempfang der Bürgerschaftsfraktion.