Hamburg. An anderer Stelle warnt Finanzsenator Tschentscher: Neuregelung der Grundsteuer könnte zur Verdrängung von Mietern führen.
Er hat derzeit den undankbarsten Job im Hamburger Senat: Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) muss auf EU-Anordnung bis Ende Februar die HSH Nordbank verkaufen. Aus der Ruhe bringt das den 51-Jährigen jedoch nicht – auch weil es an anderer Stelle Grund zur Freude gibt: Die Stadt hat 2017 den größten Überschuss der Geschichte erzielt, und Tschentscher ist seit Anfang des Jahres Vorsitzender der Finanzministerkonferenz.
Erstmals nach 32 Jahren hat wieder ein Hamburger Senator den Vorsitz in der Finanzministerkonferenz (FMK) übernommen. Warum hat das so lange gedauert?
Peter Tschentscher: Hamburg ist ein kleines Bundesland. Den Vorsitz der Finanzministerkonferenz übernimmt meistens eines der großen Länder. Aber weil der Finanzminister Walter-Borjans aus Nordrhein-Westfalen, der das lange gemacht hat, nicht mehr im Amt ist und ich schon einige Jahre Erfahrung habe, hat man mich gefragt und dann auch einstimmig gewählt.
Sie haben als ein Schwerpunktthema Ihrer Amtszeit die Bekämpfung des Steuerbetrugs im Internethandel angekündigt. Wie wird denn dort betrogen?
Dadurch, dass Händler Waren im Internet verkaufen, ohne die 19 Prozent Umsatzsteuer abzuführen. Das ist Steuerhinterziehung. Ehrliche Onlinehändler und der klassische Einzelhandel haben dadurch erhebliche Wettbewerbsnachteile, weil sie ihre Waren einschließlich Umsatzsteuer nicht so günstig anbieten können.
Welcher Schaden entsteht dabei?
Die Finanzministerkonferenz schätzt den Schaden auf mindestens eine Milliarde Euro. Auf Hamburg umgerechnet, entgehen uns damit zwischen 10 und 15 Millionen Euro Umsatzsteuer pro Jahr.
Warum wird das nicht unterbunden?
Das ist schwierig, weil die Finanzämter die Warenströme nicht verfolgen, keine Läden aufsuchen oder Betriebsprüfungen machen können, wenn sich die Händler irgendwo auf der Welt befinden. Viele Versandhändler haben keine Steuernummer und weisen auf ihren Rechnungen keine Umsatzsteuer aus. Mit dem jetzigen Steuerrecht und den üblichen Methoden der Steuerfahndung lässt sich dagegen schwer vorgehen. Die großen Internetkonzerne wie Amazon oder Ebay sagen, jeder Händler sei selbst verantwortlich, seiner Steuerpflicht nachzukommen.
Und wie wollen Sie dieses Problem in den Griff bekommen?
Ein Vorschlag besteht darin, die Internetdienstleister für die Steuerzahlungen ihrer Vertragshändler in Haftung zu nehmen. Das geht aber nicht als deutscher Sonderweg, weil derselbe Internethandel sonst aus anderen Ländern weiter betrieben werden würde. Damit wäre nichts gewonnen. Wir brauchen eine internationale oder mindestens europaweite Lösung.
Wie sieht es mit der Plattform Airbnb aus, über die man seine Privatwohnung übergangsweise als Ferienwohnung anbieten kann?
Auch hier ist es schwierig, Missbrauch zu erkennen, weil die Plattformbetreiber keine Angaben zu ihren Kunden machen und sich dabei auf den Datenschutz berufen.
Ab wann sind Vermietungen über Airbnb denn steuerpflichtig?
Grundsätzlich muss in Hamburg für jede Übernachtung die Kultur- und Tourismustaxe abgeführt werden. Darüber hinaus werden nicht nur eigene, selbst genutzte Wohnungen vorübergehend untervermietet – wie es der Grundgedanke der Plattform ist. Teilweise werden Wohnungen extra erworben oder angemietet, um diese gewerblich als Ferienwohnung anzubieten. Das ist eine zu versteuernde gewerbliche Tätigkeit, die auch gegen den Wohnraumschutz verstößt, da regulärer Wohnraum für eine touristische Nutzung zweckentfremdet wird.
Wie groß ist denn nach Ihrer Einschätzung der versteckte gewerbliche Anteil auf solchen Plattformen?
Das wissen wir eben nicht, und wir können es mit der jetzigen Rechtslage auch nicht herausfinden. Deshalb brauchen wir eine Regelung, mit der wir Informationen über die Vermieter auf solchen Plattformen erhalten.
Sie haben außerdem angekündigt, die Besteuerung internationaler Konzerne ändern zu wollen. Geht es jetzt Apple, Google & Co. an den Kragen?
Na ja, über die Vermeidung von Gewinnverlagerungen in Länder mit niedrigen Steuersätzen wird schon lange gesprochen. Da muss es jetzt mal vorangehen. Die Länder-Finanzminister werden das Bundesfinanzministerium drängen, endlich die erforderlichen internationalen Abkommen abzuschließen. Am besten weltweit, am zweitbesten wäre eine europäische Lösung. Damit verhindern wir auch Wettbewerbsnachteile für kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland, die ihre Gewinne nicht einfach in andere Länder verlagern können, so, wie es viele internationale Konzerne tun.
Sollte das Bundesverfassungsgericht im Laufe des Jahres entscheiden, dass die Grundsteuer in ihrer bisherigen Form verfassungswidrig ist, braucht es eine Neuregelung. Einen Vorschlag gibt es bereits, den Hamburg und Bayern ablehnen. Warum?
Weil es in vielen Städten und Metropolen zu einer sehr starken Erhöhung der Immobilienbewertung führen würde. Bei uns in Hamburg stiege die Grundsteuerbelastung dadurch für Eigenheimbesitzer und Mieter im Durchschnitt um das Zehnfache. Diesen Sprung könnten wir auch nicht durch niedrigere Hebesätze ausgleichen, weil Hamburg dann hohe zusätzliche Belastungen im Länderfinanzausgleich drohen. Menschen mit einem niedrigen oder mittleren Einkommen würden aus vielen Stadtteilen verdrängt werden, einige könnten sich eine Wohnung in Hamburg vermutlich gar nicht mehr leisten.
Was ist Ihr Vorschlag?
Die Grundsteuer darf sich nicht an den stark gestiegenen Boden- und Gebäudewerten ausrichten. Wir möchten die Grundsteuer stattdessen nach den Grundstücks- und Gebäudeflächen bemessen. Das ist einfach, für alle gut nachvollziehbar, und wir können die Grundsteuer in Hamburg auf dem heutigen Niveau halten.
Stichwort Steueraufkommen: Das war ja in Hamburg zuletzt äußerst erfreulich. Wie hoch war der Haushaltsüberschuss 2017?
Ja, nach dem aktuellen Buchungsstand sind es über 950 Millionen Euro. Das ist noch einmal deutlich mehr, als wir im bisher besten Haushaltsjahr 2014 mit rund 400 Millionen Euro hatten. Aber wir müssen weiterhin vorsichtig sein, denn in der kaufmännischen Betrachtung müssen auch Abschreibungen auf das Anlagevermögen und künftigen Pensionslasten erwirtschaftet werden. Das doppische (kaufmännische, die Red.) Jahresergebnis 2017 wird sich daher vom zahlungsbezogenen Überschuss deutlich unterscheiden und erst mit dem Jahres- und Konzernabschluss im Herbst feststehen.
Dennoch schneidet der Haushalt gegenüber Ihrer Planung um fast eine Milliarde Euro besser ab. Was waren die wesentlichen Gründe dafür?
Unsere seit 2011 sehr konsequente Ausgabenbegrenzung und eine weiterhin gute Konjunktur. Darüber hinaus hat sich die Wirtschafts- und Ertragslage Hamburgs auch strukturell verbessert. Durch den erfolgreichen Wohnungsbau haben wir eine wachsende Zahl an Einwohnern, durch die gute Wirtschafts- und Standortpolitik mehr Betriebe und Arbeitsplätze. Das alles führt zu höheren Steuereinnahmen, die wir gut gebrauchen können, weil es in Hamburg noch viel zu tun gibt.
Wie werden Sie mit dem Überschuss umgehen? Schulden tilgen? Neue Projekte anschieben? Oder zurücklegen für schlechte Zeiten?
Eine Kombination aus allem. Bis Ende 2017 haben wir bereits rund 640 Millionen Euro Altschulden im Kernhaushalt getilgt. Unsere Haushaltsplanung bleibt vorsichtig, damit wir die Schuldenbremse auch einhalten können, wenn sich die Konjunktur verschlechtert. Den strukturellen Anteil der Steuermehreinnahmen können wir aber nutzen, um wichtige staatliche Leistungen zu verbessern und Investitionen in die Infrastruktur der Stadt zu finanzieren.
Ein sehr teures Projekt ist auf der Zielgerade: Bis zum 28. Februar muss auf Anordnung der EU ein Käufer für die HSH Nordbank gefunden werden. Andernfalls muss die Bank abgewickelt werden. Wird der Verkauf klappen?
Das Verkaufsverfahren ist wie geplant verlaufen, und wir haben mehrere verbindliche Angebote für die Gesamtbank vorliegen. Viele haben das nicht für möglich gehalten. Jetzt sind wir in der finalen Phase des Verhandlungsprozesses. Ob wir tatsächlich verkaufen, hängt von den Bedingungen ab, die wir am Ende vereinbaren können. Wir verkaufen die HSH Nordbank nur, wenn es aus Sicht der Länder ökonomisch sinnvoll ist.
Wann ist diese Bedingung aus Ihrer Sicht erfüllt?
Die Länder müssen auf jeden Fall für die Zehn-Milliarden-Garantie einstehen, die sie 2009 übernommen haben – voraussichtlich in vollem Umfang. Aus dieser Verpflichtung kommen wir weder mit noch ohne Verkauf heraus. Aber weitere Belastungen darf es nicht geben. Ein positiver Kaufpreis hilft uns, unsere Vermögensposition nach all den Verlusten aus den unverantwortlichen Geschäften der Vergangenheit wieder etwas zu verbessern.
Wie der Senat kürzlich selbst mitgeteilt hat, haben die Länder theoretisch noch Anspruch auf 1,8 Milliarden Euro Garantiegebühr von der HSH. Sind Sie bereit, darauf zu verzichten?
Die Bank konnte die hohen Prämiengebühren nicht mehr erwirtschaften. Sie musste 2015 davon teilweise entlastet werden, um eine teure vorzeitige Abwicklung zu verhindern. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Länder zusätzlich zur Garantie noch rund 13 Milliarden Euro Gewährträgerhaftung. Der Anspruch auf die gestundeten Prämien wird aber weiterhin aufrechterhalten, damit ein Verkaufserlös nahezu vollständig an die Länder und nicht an andere Anteilseigner fließt.
Dem Vernehmen nach handelt es sich bei den Bietern durchweg um US-Finanzinvestoren. Die Handelskammer und sogar Parteifreunde von Ihnen haben die Sorge geäußert, dass die vor allem an schnelle Rendite interessiert sein könnten und dem Wirtschaftsstandort Norddeutschland großen Schaden zufügen. Inwiefern teilen Sie die Sorge?
Ohne einen Verkauf müsste die Bank das Neugeschäft vollständig einstellen und abgewickelt werden. Am Ende wären alle Arbeitsplätze verloren. Dagegen ist jede Fortführung des Instituts und jeder Erhalt von Arbeitsplätzen ein Gewinn.
Und wenn der neue Eigentümer die Kredite Hamburger Firmen fällig stellt, um schnell Kasse zu machen?
Die Kreditverträge gelten nach einem Verkauf weiter. Wenn ein Kredit nicht mehr bedient werden kann, darf er aber nicht auf Kosten der Steuerzahler fortgeführt werden. Deshalb werden zum Beispiel die Schiffskredite der HSH auch heute schon so behandelt, wie es nach bankfachlichen Grundsätzen im Vermögensinteressen der Bank und ihrer Anteilseigner erforderlich ist. Unabhängig davon werden die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank den Verkauf detailliert prüfen und nur dann genehmigen, wenn der Käufer zuverlässig und sein Geschäftsmodell nachhaltig ist. Auch die Bremer Kreditbank, die Oldenburgische Landesbank und die Bawag in Österreich wurden in den letzten Jahren von Finanzinvestoren gekauft und fortgeführt.