Hamburg. Ein Linken-Politiker behauptete, ein Richter habe 105 Bilder pauschal freigegeben – trotz klaren Dementis des Gerichts.

In die weihnachtliche Stille der Hansestadt platzte am Dienstag eine Pressemitteilung: Die Öffentlichkeitsfahndung der Polizei nach mutmaßlichen G-20-Randalierern müsse „sofort beendet werden“, so der Linken-Bürgerschaftsabgeordnete Martin Dolzer – denn offenbar habe ein einzelner Richter pauschal über die Veröffentlichung der mehr als 100 Fotos entschieden. Aber die Empörung war unangebracht, denn Polizei und Gericht dementierten die Behauptung einhellig. Die mutmaßlichen Fake News ziehen jedoch weitere Kreise.

Es „helfe niemandem“, solche Behauptungen zu streuen, heißt es aus dem Polizeipräsidium. Richtig ist laut Amtsgericht folgender Hergang: Fast alle der acht Hamburger Ermittlungsrichter, angesiedelt beim Amtsgericht Mitte, hätten jeweils über die einzelnen Fälle entschieden – angesichts der Anzahl der Fälle aber damit jeweils insgesamt über mehrere Fahndungen.

G20 in Hamburg: Videos von den Krawallen

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    Bei unbekannten Tatverdächtigen sind die Richter reihum für die einzelnen Fälle zuständig, nach Eingang des Antrags. Damit eine Öffentlichkeitsfahndung rechtens ist, muss ein Richter den Verdacht einer schweren Straftat bejahen – und prüfen, ob Staatsanwaltschaft und Polizei zuvor alle anderen Ermittlungsansätze ausgeschöpft haben.

    Falsche Behauptung stammt offenbar von Anwalt

    Wie ein Gerichtssprecher auf Anfrage des Abendblatts sagte, ist im Kontext mit der G-20-Randale auch mindestens ein Antrag von Polizei und Staatsanwaltschaft auf die Fahndung nach einer verdächtigen Person vom Gericht abgelehnt worden. Zudem sei nicht jedem Antrag sofort stattgegeben worden. „Bei manchen Anträgen hat das Gericht um weitere Ermittlungen oder eine Ergänzung der Akten gebeten“, sagte der Gerichtssprecher.

    Die offenbar falsche Behauptung, dass nur ein einzelner Richter entschieden habe, stammt offenbar aus einem Interview des Deutschlandfunks mit dem Medienanwalt Christian Solmeke. Später griff auch die „Junge Welt“ die Angabe auf.

    Nach Abendblatt-Informationen war die Herausgabe der Pressemit­teilung am zweiten Weihnachtstag in der Linksfraktion nicht intern abgestimmt worden, obwohl andere Abgeordnete bereits von dem klaren Dementi der Verantwortlichen wussten. Weder die Fraktionsführung noch die innenpolitische Sprecherin Christiane Schneider sollen informiert worden seien. Dolzer selbst blieb am Mittwoch auf Abendblatt-Nachfrage trotz der eindeutigen Klarstellung des Gerichtssprechers bei seiner Darstellung.

    „Ich habe zwei aktuelle Medien­berichte kommentiert“, so Dolzer in einem schriftlichen Statement. „Der Sachverhalt, wie er im Deutschlandfunk beschrieben wird und laut ,Junger Welt‘ von der Gerichtspressestelle bestätigt wurde, stellt sich gravierend dar.“

    CDU übt nach dem Vorfall scharfe Kritik an Linken

    Dolzer kündigte an, weiterhin für eine Aufklärung eintreten zu wollen. „Aufgrund der Feiertage kann ich erst diese Woche eine Anfrage an den Senat dazu einreichen, die dann hoffentlich die endgültige Klärung bringt, ob ein, zwei oder mehrere Richter an den Genehmigungen beteiligt waren und ob wirklich eine erforderliche Einzelfallprüfung vorgenommen wurde“, heißt es in seinem Statement weiter.

    CDU-Innenpolitiker Dennis Gladiator übte am Mittwoch scharfe Kritik an den Linken: „Täterschutz steht bei Linken vor Opferschutz“, so Gladiator. Es müsse ein „Ende der Legenden­bildung“ geben. „Gerade Herr Dolzer sollte zurückhaltend sein.“ Dieser habe „bewiesen, dass er ein gestörtes Verhältnis zu unserem Staat hat“.

    Mehr als ein Dutzend Verdächtige identifiziert

    Die Öffentlichkeitsfahndung der Polizei war bereits in der Woche vor Weihnachten scharf kritisiert worden – so hatte etwa der Moderator und Satiriker Jan Böhmermann von einer „politisch motivierten“ Aktion der Polizei gesprochen. Linken-Politiker und einige Medien äußerten auch Zweifel angesichts des jungen Alters mancher Verdächtiger und einer „Stigmatisierung“ durch die Veröffentlichung der Bilder. Auch der Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar hatte die Aktion als „problematisch“ bezeichnet.

    Sowohl von Polizeigewerkschaften als auch von der CDU kam dagegen Unterstützung für die Maßnahme. Die Veröffentlichung der Fotos zeigte unmittelbar Wirkung: Innerhalb von fünf Tagen gingen bis Weihnachten mehr als 200 Hinweise aus der Bevölkerung ein, mehr als ein Dutzend Tatverdächtige stellten sich der Polizei oder wurden anhand der Zeugenaussagen identifiziert. Die Fotos stammen aus einem gewaltigen Fundus von 25.000 Daten, die die zuständige Soko „Schwarzer Block“ gesammelt hat. Es sollen weitere Öffentlichkeitsfahndungen folgen.