Der Sonderausschuss kommt nicht in Fahrt – und Hysterie bestimmt die Debatte. Dabei wäre nur mit Sachlichkeit etwas zu erreichen.

Es wäre der Moment für einen großen Sprung nach vorn gewesen. Die Granden der Bundesbehörden auf der Zeugenbank, ein mittlerweile eingespielter G-20-Sonderausschuss, die richtigen Fragen: Wie kann es sein, dass alle Experten zwar mit einem massiven Aufmarsch von Linksextremen beim Gipfel rechneten, aber von ihrer Gewalt doch überrascht waren? Hat niemand Zweifel angemeldet? Kann es sein, dass die geballte Staatsmacht zu schwach ist, einen G-20-Gipfel in Deutschland zu sichern?

Der Haken: Es kam keiner der Granden zu der gestrigen Sitzung. Keine Beamten des Bundeskriminalamts, nicht der Verfassungsschutzchef, nicht die Spitze der Bundespolizei. Zu kurzfristig sei die Einladung gewesen. Und bindend ist sie ohnehin nicht.

Der Autor ist Redakteur der Lokalredaktion des Abendblatts
Der Autor ist Redakteur der Lokalredaktion des Abendblatts © HA | Klaus Bodig

Der Vorfall fügt sich in das bisherige Bild des Sonderausschusses. Knapp sechs Monate nach dem G-20-Gipfel gibt es dort noch immer viel Selbstbeschäftigung, aber wenig Gewinn in der Sache. Ein großer Teil der polizeilichen Akten bleibt geschwärzt. Von Obleuten heißt es: Wenn irgendwo in den Dokumenten wirklich ein entscheidendes Detail stecke, werde man es vielleicht nie entdecken. Zu gewaltig ist der Materialberg. Auch Abgeordnete müssen schlafen. Die wenigen Chancen, die sich den Politikern boten, flogen meist ungenutzt vorbei.

Die CDU versucht sich mit zunehmenden Schmerzen am Spagat, die Polizei nicht zu sehr zu kritisieren, aber den Bürgermeister doch noch entscheidend anzuzählen. Der Senat lässt die Opposition mitunter einfach auflaufen – Olaf Scholz lavierte sich in seiner ersten Vernehmung vor dem Ausschuss mit immer gleichen Wortstanzen an den meisten Fragen vorbei. Die Abgeordneten müssen sich vorgekommen sein wie bei einem Tennismatch gegen eine Betonwand.

Es ist Zeit für Änderungen

Es ist Zeit für Änderungen, in diesem und in künftigen Ausschüssen. Ist es sinnvoll, dass die meisten Ausschussmitglieder den Regierungsfraktionen angehören, wenn städtisches Handeln überprüft werden soll? Muss der Ablauf der Sitzungen geändert werden, sollten die Fraktionen besser blockweise ihre Fragen stellen? Der Ausschussvorsitzende Milan Pein (SPD) bemüht sich, auch der Opposition gerecht zu werden – in den spannendsten Momenten, bei mehrfachem Nachbohren und Detailfragen, würgte er aber Fragesteller mit Hinweis auf das Prozedere ab. Als CDU-Fraktionschef Trepoll sogar zum Gegenstand einer behördlichen Prüfung wurde, weil er ein vertrauliches Papier im Ausschuss zitiert hatte, blieb Pein stumm. Dabei ist Aufklärung mit Rücksicht auf Geheimnisse keinen Cent wert.

Im Gegenteil wäre strenge Sachlichkeit gefordert. Die Debatte um die G-20-Krawalle wird noch immer von Parteistrategie und Hysterie vergiftet. So spricht die Linke-Politikerin Christiane Schneider, die zwar differenziert an die Ausschuss-Arbeit ging, schon von „Menschenjagd“, wenn die Polizei nach G-20-Randalierern fahndet. Grob scheint es nur zwei Lager zu geben: jenes, das ein Komplott der Polizei vermutet, und jenes, das den „Schwarzen Block“ als Naturgewalt darstellt, gegen die eben nichts zu machen gewesen sei.

Auch wenn es für einen Abgesang auf den Sonderausschuss zu früh ist: Als Bollwerk der Nüchternheit taugt er bislang nicht. Die größte Hoffnung liegt auf der Justiz. Das Abendblatt hat sich entschieden, die Fahndungsfotos zur Randale zu veröffentlichen – denn Richter haben die Argumentation der Polizei zuvor geprüft. Den „Schwarzen Block“ zu entzaubern, endlich zu klären, wer das Chaos angerichtet hat, könnte der Startschuss für eine bessere politische Aufklärung sein.