Hamburg. Senator Rabe reagiert damit auf das schwache Abschneiden. Künftig erteilt in den Kernfächern nur noch ein Bundesland mehr Unterricht.

Hamburgs Stadtteilschüler bekommen mehr Unterricht in den Kernfächern Deutsch und Mathematik. Die rot-grüne Koalition zieht damit Konsequenzen aus dem schlechten Abschneiden Hamburger Grund- und Mittelstufenschüler bei bundesweiten Vergleichstests vor allem in der Rechtschreibung und im Rechnen.

„Wir werden die Zahl der Unterrichtsstunden an den Stadtteilschulen um vier Wochenstunden erhöhen“, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD). Konkret bedeutet das, dass die Schulen in jeweils zwei Jahrgängen der fünften bis zehnten Klassen in der Woche fünf statt bislang vier Unterrichtsstunden in Deutsch und Mathematik geben können. In welchen Klassenstufen der Unterricht verstärkt wird, entscheiden die Schulen selbst. „Es geht nicht darum, zusätzliche Lerninhalte zu erschließen, sondern darum, mehr Zeit zum Üben, Vertiefen und Wiederholen des Lernstoffs zu haben“, sagte Rabe.

Auf die Jahre hochgerechnet ergibt sich ein Plus von 152 zusätzlichen Stunden (vier Jahre mal 38 Unterrichtswochen). „Damit kann man richtig viel anfangen. Das ist ein großer, wichtiger Schritt“, sagte Rabe, der an die zwölf zusätzlichen Stunden in der Vorbereitung auf die Mathematik-Abiturklausur in diesem Jahr erinnerte. „Dieser zusätzliche Unterricht hat den Lernerfolg ordentlich gesteigert“, so der Senator. Es habe sich durchaus gezeigt, dass „mehr Unterricht auch mehr bringt“.

50 zusätzliche Stellen

Allerdings müsse es daneben weiterhin unter anderem um die Verbesserung der Unterrichtsqualität gehen. In der vergangenen Woche hatte Rabe eine Expertenkommission eingerichtet, die dazu Vorschläge für Mathe erarbeiten soll.

Für die Mehrstunden werden rund 50 zusätzliche Lehrerstellen benötigt. Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen haben sich mit dem Senat auf die dauerhafte Verankerung der dafür erforderlichen 3,5 Millionen Euro im Haushalt bereits verständigt.

Die Hamburger Schüler haben bislang im Vergleich zu den Gleichaltrigen in anderen Bundesländern weniger Unterricht in den Klassen fünf bis zehn. Deswegen fehlt aus Rabes Sicht häufig die Zeit zum Üben und Wiederholen des Lernstoffs.

Mehr Stunden nur im Saarland

Mit der Aufstockung wird Hamburg zumindest in den Kernfächern Deutsch und Mathematik zusammen mit den meisten anderen Ländern auf dem zweiten Platz liegen. Nur im Saarland werden noch mehr Unterrichtsstunden erteilt.

Aus Rabes Sicht werden nicht zuletzt diejenigen Schüler von dem Stundenplus profitieren, die die Stadtteilschule mit dem Haupt- oder Realschulabschluss verlassen. „Die Leistungen in Deutsch und Mathematik haben große Bedeutung für das spätere Leben der Schüler. Es geht schließlich um Schlüsselqualifikationen“, sagte Rabe. „Wir wollen diesen Schülern Rückenwind geben – aber auch die Abiturienten an den Stadtteilschulen profitieren zusätzlich.“

In der Regel werden die Stadtteilschulen in Deutsch und Mathematik künftig auf 26 Wochenstunden in den Klassen fünf bis zehn kommen (vier Jahrgänge mit vier und zwei mit fünf Wochenstunden). Bislang erhalten die Stadtteilschüler in Deutsch 22 und in Mathematik 24 Wochenstunden. Die Differenz von zwei Wochenstunden in Deutsch soll dadurch ausgeglichen werden, dass die Schulen zwei Stunden aus dem Kontingent nehmen, das sie zur Bildung eigener Schwerpunkte im Rahmen des Schulprofils einsetzen können. Dafür sind insgesamt 19 Wochenstunden an jeder Schule vorgesehen.

Zu wenig Nachwuchslehrer in Mathe

Schon jetzt verwenden viele Schulen einen Teil dieser Kontingentstunden zur Stärkung der Fächer Deutsch und Mathe. Schulen, die nachweisbar erfolgreiche Projekte und Lernwerkstätten zum Erwerb von Deutsch- und Mathematik-Kompetenzen gestartet haben, sollen diese fortsetzen können.

Birgit Stöver, bildungspolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion, kritisierte Rabes Ankündigung als „Aktionismus und Kosmetik“. Die Anhebung der Wochenstunden für die Stadtteilschulen erfolge „am grünen Tisch“. Bereits im vergangenen Schuljahr seien mehr als 200 Lehrerstellen an den Stadtteilschulen unbesetzt gewesen. „Und der Senat gibt zu, dass es aktuell zu wenig ausgebildete Mathematiklehrer gibt“, sagte Stöver, die zusätzliche Anreize forderte, um das Lehramt für Mathematiker attraktiver zu machen.

„Die Probleme der Hamburger Schüler in Deutsch und Mathematik sind lange bekannt. Wieso Rabe diese nun erst nach sechs Jahren sozialdemokratischer Schulpolitik entdeckt, bleibt sein Geheimnis“, sagte die FDP-Schulpolitikerin Anna von Treuenfels-Frowein. „Der Schulsenator agiert erneut nach dem Prinzip Masse statt Klasse. Die angekündigte Maßnahme wird die Probleme nicht abstellen.“

Start bereits 2018 möglich

Auch von Linken-Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus kam Kritik: „Der Berg kreißt und gebiert ein Reförmchen.“ Positiv sei, dass sich der Schulsenator zu mehr Fachlehrkräften verpflichte. „Sein Geheimnis bleibt allerdings, woher sie kommen sollen“, so Boeddinghaus. Negativ sei, dass Rabe den Schulen mit der Neuregelung zwei Wochenstunden für die Wahlpflichtfächer wegnehme.

Zum 1. August 2019 sollen die Schulen mit dem neuen Programm starten. Auf freiwilliger Basis kann das auch schon zum 1. August 2018 geschehen.