Hamburg. Umweltausschuss berät Senatspläne zu Reinigungsgebühr. Kritik von Steuerzahlerbund und Grundeigentümern. Freitag öffentliche Anhörung.

Das war ein Etappensieg für Jens Kerstan: Bei einer Anhörung von sechs Experten zu seinem neuen Sauberkeitskonzept im Umweltausschuss bekam der grüne Umweltsenator von der Mehrheit der geladenen Fachleute viel Zuspruch für seinen Plan, Hamburg sauberer zu machen – und dafür alle Bürger mit einer neuen Straßenreinigungsgebühr zur Kasse zu bitten, zusätzlich zur in manchen Gebieten erhobenen Wegereinigungsgebühr.

Wie berichtet, soll jeder Hamburger Grundbesitzer von 2018 an bei wöchentlicher Reinigung eine Gebühr von 59 Cent pro Frontmeter des Grundstücks zahlen. Bei wöchentlich zweimaliger Reinigung verdoppelt sich dieser Betrag, bei einer Reinigung alle 14 Tage halbiert er sich. Die Kosten werden voll auf Mieter umgelegt. Bisher steht noch nicht fest, welche Straßen in welche Verschmutzungskategorie fallen.

Deutlich bessere Reinigung von Straßen, Plätzen, Begleitgrün und Grünanlagen

Das Kerstan-Konzept mit dem Namen „Hamburg – gepflegt und grün“ sieht eine deutlich bessere Reinigung von Straßen, Plätzen, Begleitgrün und Grünanlagen vor. Dafür sollen insgesamt 400 neue Mitarbeiter bei der Stadtreinigung eingestellt werden. Diese soll künftig, anders als bisher, überall für die Sauberkeit verantwortlich sein.

Martina Ableidinger vom Magistrat Wien sagte, das neue Hamburger Konzept habe sie „tief beeindruckt, weil es die Probleme von vielen Seiten angeht“. Wie in den meisten Städten werde der öffentliche Raum auch in Wien von den Menschen immer intensiver genutzt. Es gebe eine neue „Kultur des Draußenseins“, außerdem immer mehr „To Go“-Produkte. Dadurch werde der öffentliche Raum stärker verunreinigt. Zudem habe es in Wien eine große Belastung durch Hundekot gegeben. Die Stadt habe vor zehn Jahren daher ein neues Sauberkeitskonzept aufgelegt, bei dem auch stärker kontrolliert werde – mit Strafen für Müllsündern von bis zu 2000 Euro. Allerdings, so Ableidinger, gebe es in Wien keine Gebühren für die Reinigung. Die Kosten würden aus dem laufenden Haushalt der Stadt finanziert.

Spezielle Regelungen für sogenannten Hinterlieger- und Pfeifengrundstücke

Mathias Quast von der Stadtreinigung Hannover sagte, er sei vom Hamburger Gesamtkonzept „total begeistert“. Auch in Hannover werde eine Gebühr erhoben – etwa in der für Hamburg geplanten Höhe. Insgesamt würden dadurch 75 Prozent der Reinigungskosten erhoben, 25 Prozent trage die Stadt – um so auch den Anteil von Pendlern oder Touristen an der Verschmutzung zu übernehmen. Quast wies allerdings auf eine Besonderheit hin, die auch in Hamburg viele betrifft: Wenn die Gebührenerhebung gerichtsfest sein solle, müsse es spezielle Regelungen für sogenannten Hinterlieger- und Pfeifengrundstücke geben.

Die Verwaltungsgerichte würden es nicht akzeptieren, wenn der Straßenanlieger die Gebühr allein trage, während der Eigentümer eines dahinter liegenden Grundstücks bestenfalls die Gebühr für die Breite seine Einfahrt zahle. Von den Gerichten offenbar akzeptierte Lösung: Beide zahlen die volle Breite. Der Hannoveraner Fachmann sagte, andere Ungleichgewichtungen, die kaum vermeidbar seien, würden von Gericht akzeptiert – etwa unterschiedliche Gebäudehöhen. Ein einstöckiger Flachbau schlage mit Gebühren wie ein 30-stöckiges Hochhaus zu Buche, in dem Hunderte leben.

Lob gab es auch aus Recklinghausen

Lob gab es auch von Uwe Schilling von den Kommunalen Servicebetrieben Recklinghausen. Er betonte, wie hilfreich es sei, wenn die Zuständigkeit für die Reinigung in einer Hand liege, wie es nun auch in Hamburg sein soll. Insgesamt seien die Gebühren in Hamburg (auch im Vergleich zu Recklinghausen) moderat, so Schilling. Das Hamburger Konzept habe ihn „tief beeindruckt“. Prof. Klaus Gellenbeck, vom Institut für Abfall, Abwasser und Infrastruktur-Management (INFA) in Ahlen betonte, wie wichtig Sauberkeit und Sicherheit als Standortfaktoren für Städte seien. Mit der Gebühr hole Hamburg nur das nach, „was andere Städte seit vielen Jahren haben“. Auch sei es in 90 Prozent der Kommunen üblich, die Gebühren über Frontmeter zu erheben. Diese Finanzierung habe den großen Vorteil, dass es ein festes Budget und ein stabile Finanzierung gebe.

Deutliche Kritik kam dagegen von Lorenz Palte vom Bund der Steuerzahler. Durch die Gebühr stiegen die Wohnnebenkosten. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum es für Sauberkeit eine neue Gebühr geben müsse. „Führen wir dann nächste Woche auch eine Polizeigebühr ein?“, fragte Palte. „Hamburg wird sauber, wenn wir dieses Gebührenmonster in die Tonne treten.“

Ulf Schelenz vom Grundeigentümer-Verband sagte, es gebe Bedenken, ob die Gebührenerhebung rechtmäßig sei. Sie sei nur zulässig, wenn erhöhter Reinigungsbedarf nachweisbar sei – und zwar auf den zu reinigenden Straßen selbst. Er monierte, dass es bisher offenbar keine Untersuchungen über die Verschmutzungen gebe. Auch werde das Verursacherprinzip vernachlässigt und die Wohnkosten stiegen.

Am Freitag wird es um 17 Uhr in der Patriotischen Gesellschaft eine öffentliche Anhörung zu Sauberkeitskonzept und Reinigungebühr geben. Daran können alle interessierten Bürger teilnehmen – und sich mit ihren Anmerkungen selbst zu Wort melden.