Hamburg. Die Scholz-Partei fällt hinter die CDU zurück, holt aber erneut fünf der sechs Direktmandate. Vermutlich 14 Abgeordnete für die Hansestadt.
Durch den Raum 151 des Hamburger Rathauses ging am Wahlabend gleich zweimal ein Raunen. Das erste Mal, als um 18 Uhr die erste bundesweite Hochrechnung über die Bildschirme lief. Jubel gab es vor allem, als die AfD als drittstärkste Kraft ausgewiesen wurde – was allerdings auch daran lag, dass die Hamburger AfD-Führung mangels öffentlicher Wahlparty fast geschlossen ins Rathaus gekommen war, während die anderen Parteien kaum vertreten waren.
Das zweite Raunen galt um 19.10 Uhr der ersten Hochrechnung für Hamburg, die das Statistikamt Nord per Beamer an die Leinwand warf: Dort lag die SPD deutlich hinter der CDU, die Grünen waren klar drittstärkste Kraft, FDP und Linke lagen mit zweistelligen Werten deutlich vor der AfD. Und diese Hochrechnung erwies sich im Laufe des Abends als sehr belastbar.
Erstmals seit 2009 liegt in Hamburg die CDU vorn
Um 23.06 Uhr, nach Auszählung aller 1757 Wahllokale, stand fest: Die Bürgermeister-Partei SPD hat mit 23,5 Prozent ihr schlechtestes Bundestagswahlergebnis der Nachkriegszeit in Hamburg eingefahren, noch einmal
3,9 Punkte schlechter als beim bisherigen Tiefpunkt 2009. Sie ist zwar erneut etwas stärker als auf Bundesebene, wo sie nur auf 20,8 Prozent kommt, dafür hat sie mit 8,9 Prozentpunkten in Hamburg sogar stärker verloren als auf Bundesebene.
Stärkste Kraft an der Elbe ist mit 27,2 Prozent zum zweiten Mal nach 2009 die CDU. Freuen konnten sich die Christdemokraten darüber allerdings auch nur bedingt, denn auch sie haben 4,9 Punkte verloren und ebenfalls das schlechteste Bundestagswahlergebnis aller Zeiten in der Hansestadt zu verkraften.
Ganz anders war die Stimmungslage bei den anderen Parteien: Die in Hamburg traditionell überdurchschnittlich starken Grünen verbessern sich gegenüber 2013 leicht um 1,2 Punkte, liegen mit 13,9 Prozent erneut deutlich über ihrem schon sehr guten Bundesergebnis (9,1 Prozent) und sind damit klar drittstärkste Kraft an der Elbe.
Die Wahlkreisabgeordneten
Auch die Linkspartei verbessert sich um 3,4 Punkte, ist mit 12,2 Prozent ebenfalls deutlich stärker als im Bund (8,9 Prozent) und bleibt viertstärkste Kraft in Hamburg. Im Gegensatz zu 2013 ist ihr aber die FDP dichter auf den Fersen: Die Liberalen, die 2013 nicht nur auf Bundesebene, sondern auch in Hamburg die Fünf-Prozent-Hürde nicht zu überspringen vermochten, können ihr Ergebnis mehr als verdoppeln und kommen auf 10,8 Prozent.
Ebenfalls bemerkenswert: Die AfD, auf Bundesebene mit rund 13 Prozent drittstärkste Kraft und damit der große Wahlgewinner, ist in Hamburg nur die kleinste der kleineren Parteien: Sie kann ihr Wahlergebnis von 2013 (4,2 Prozent) zwar nahezu verdoppeln, muss sich mit 7,8 Prozent aber mit dem sechsten Rang begnügen.
Trotz der verheerenden Wahlniederlage hatten die Sozialdemokraten aber auch Grund zum Jubeln: Denn wie 2013 kann die SPD fünf der sechs Hamburger Wahlkreise für sich entscheiden und behält so ihre fünf Direktmandate in Berlin. SPD-Spitzenkandidatin Aydan Özoguz, als Staatsministerin für Integration die prominenteste Hamburger Politikerin in Berlin, verteidigte ihren Wahlkreis Wandsbek klar gegen Eckard Graage von der CDU. In Hamburg-Mitte lag Johannes Kahrs, der Hamburg seit 1998 im Bundestag vertritt, klar vor Christoph de Vries von der CDU.
Im Wahlkreis Bergedorf-Harburg setzte sich Metin Hakverdi zum zweiten Mal nach 2013 deutlich gegen Herlind Gundelach (CDU) durch und verzeichnete dabei mit 34,7 Prozent erneut das beste Erststimmenergebnis aller Hamburger Direktkandidaten. Etwas knapper war es in Eimsbüttel, wo sich der Sozialdemokrat Niels Annen aber letztlich gegen Rüdiger Kruse (CDU) behauptete. Auch in Altona lag Matthias Bartke (SPD) am Ende deutlich vor Marcus Weinberg (CDU). Lediglich in Hamburg-Nord setzte sich zum wiederholten Male mit Christoph Ploß ein Christdemokrat gegen die Sozialdemokratin Dorothee Martin durch – beide sind erstmals angetreten.
Vermutlich wird Hamburg im nächsten Bundestag mit 14 statt bislang mit 13 Abgeordneten vertreten sein. Zwar stehen der Stadt aufgrund der Einwohnerzahl nur zwölf Mandate zu. Aber da die SPD fünf Wahlkreise direkt gewinnen konnte, obwohl ihr rechnerisch aufgrund des Zweitstimmenergebnisses nur drei Mandate zustehen, kommen zwei „Überhangmandate“ hinzu.
König Olaf habe soziale Spaltung vertieft
Bürgermeister Olaf Scholz, zugleich SPD-Landesvorsitzender, wehrte sich daher gegen Alarmismus: „Wir haben zuletzt wiederholt erlebt, dass die SPD nach einem weniger guten Ergebnis bei der Bundestagswahl bei der darauffolgenden Bürgerschaftswahl deutlich mehr als 40 Prozent der Stimmen holte, sagte er im Interview.
Dass die SPD in Hamburg noch größere Verluste eingefahren hat als im Bund, begründete Hamburgs SPD-Spitzenkandidatin Aydan Özoguz im NDR damit, dass die Sozialdemokraten von einem sehr hohen Niveau kämen: „Da kann man dann auch leichter verlieren.“
Der CDU-Landesvorsitzende Roland Heintze zeigte sich zufrieden: „Das Ergebnis der CDU in Hamburg ist gut. Wir sind klar stärkste Kraft. Dies ist für uns ein gelungener Auftakt für die nächsten Wahlauseinandersetzungen mit der SPD in Hamburg.“ CDU-Fraktionschef André Trepoll ergänzte: „Der Scholz-Bonus ist weg. Der CDU in Hamburg ist es gelungen, deutlich zu machen, dass wir eine eigenständige Alternative für die Stadt haben und Vertrauen zurückzugewinnen. Das ist ein klarer Erfolg unserer politischen Arbeit.“
Fabio De Masi, Spitzenkandidat der Linkspartei, sagte: „Die Linke hat in Hamburg deutlich hinzugewonnen und liegt in Deutschlands zweitgrößter Stadt deutlich über dem Bundestrend. Dies verdanken wir unserer harten Arbeit in dieser Stadt sowie König Olaf, der die soziale Spaltung in Hamburg vertieft.“
Gegen 21 Uhr am Sonntagabend versammelten sich rund 400 AfD-Kritiker zu einer spontanen Demo am Hauptbahnhof und zogen in Richtung Parteizentrale an der Schmiedestraße. Der Demonstrationszug löste sich aber schon kurze Zeit später auf – vermutlich machten sich die Demonstranten auf den Weg zur nicht-öffentlichen AfD-Wahlparty in Eimsbüttel.