Hamburg. Straßenreinigungsgebühr müssen alle Grundeigentümer zahlen – und auch alle Mieter. Die Opposition spricht von Abzocke.
Nun ist es so gut wie sicher: Vom Januar an müssen alle Hamburger eine neue Gebühr für die Straßenreinigung bezahlen. Der rot-grüne Senat hat am Dienstag im Schatten der G20-Vorbereitungen das neue Sauberkeitskonzept mit dem Titel „Hamburg – gepflegt und grün“ beschlossen. Demnach werden alle Hamburger Hausbesitzer ab Januar 59 Cent pro laufendem Straßenmeter ihres Grundstücks und Monat zur Kasse gebeten – zusätzlich zu in manchen Gebieten bereits gezahlten Gebühren für die Wegereinigung.
Nach einer vom Senat vorgestellten Beispielrechnung zahlt der Eigentümer eines Hauses mit 18 Meter Frontlänge zur Straße und einer wöchentlichen Reinigung pro Monat 10,62 Euro. Bei Mehrfamilienhäusern werden die Gebühren auf die einzelnen Parteien beziehungsweise Mieter umgelegt – also durch die Zahl der Wohneinheiten geteilt.
Gebühr variiert je nach Nutzung
Ist die Straße stark frequentiert und daher besonders schmutzig, wird sie von der Stadtreinigung zweimal wöchentlich gereinigt und die Gebühr verdoppelt sich. Bei wenig verschmutzten Straßen wird lediglich alle zwei Wochen von der Stadtreinigung gekehrt, entsprechend halbieren sich die Kosten. Welche Straßen in welche Kategorie fallen, steht noch nicht fest. Eine entsprechende Liste solle im Dezember vorliegen, sagte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) bei der Vorstellung des Konzeptes am Dienstag.
Für Pfeifengrundstücke, also geteilte Flächen, bei denen der hinten liegende Eigentümer ein Durchfahrtsrecht besitzt, trägt der Besitzer oder Mieter, der an der Straße wohnt, die Hauptlast. Der hintere Nutzer zahlt nur die Gebühr für die Breite der Durchfahrt. Die Gebühren sollen vom Januar an zusammen mit Müll- oder der Wegereinigungsgebühr von der Stadtreinigung erhoben werden.
Stadtreinigung stellt 400 Mitarbeiter ein
Die Gebühr soll 27 Millionen Euro jährlich an Einnahmen bringen und ist ein wesentlicher Eckpfeiler des neue Sauberkeitskonzeptes für die ganze Stadt mit zahlreichen Neuerungen. So stellt die Stadtreinigung 400 neue Mitarbeiter ein und verdoppelt laut Senat damit die Zahl der Reinigungskräfte. Zudem ist sie künftig auch für die Reinigung der Grünanlagen etwa nach Großveranstaltungen oder von Grillresten zuständig.
„Durch das zusätzliche Personal werden Schwerpunkteinsätze zur schnellen Beseitigung von Herbstlaub und Freilegung verstopfter Gullys deutlich häufiger möglich“, verspricht der Senat. „Bisher werden Grünstreifen an Straßen nur so gereinigt, dass der Verkehr nicht gefährdet ist. Die Stadtreinigung wird künftig auch diese säubern.“
Hohe Strafen für Müllsünder
Über die Hotline (040 2576-1111) gemeldete Schmutzecken sollen „in der Regel nach einem Tag, spätestens aber nach drei Tagen beseitigt werden“. Müllsünder würden konsequenter zur Verantwortung gezogen. „Erstmals bekommt die Stadtreinigung die Kompetenz, Bußgelder gegen Müllsünder zu verhängen. Der obere Bußgeldrahmen für Müllsünder wird auf bis zu 8000 Euro erhöht.“
Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) sagte, der Senat wolle dafür sorgen, „dass Straßen, Parks und Plätze ab 2018 sichtbar sauberer werden“. Sauberkeit sei eine Frage der Lebensqualität und auch der sozialen Gerechtigkeit. „Nicht alle Menschen haben eigene Gärten oder Balkone, deshalb müssen Straßen, Parks und Plätze unserer Stadt sauber und lebenswert bleiben“, so Kerstan. Erstmals hätten die Bürger Anspruch auf „eine konkrete Reinigung an ihrer Straße“.
Dass die Gebühren trotz hoher Steuereinnahmen eingeführt werden, begründete Kerstan damit, dass die Sauberkeit auch in Zeiten wieder sinkender Steuerzuflüsse gesichert sein müsse. Die Kritik von Grundeigentümer- und Mieterverbänden, die die Verteuerung des Wohnens moniert hatten, wies Kerstan zurück. Die Gebühr sei so gering, dass sie kein wichtiger Faktor für die Wohnkosten sei. Stadtreinigungschef Rüdiger Siechau sagte, den Hamburgern solle künftig „eine nachhaltig saubere Stadt präsentiert“ werden. „Besonders freue ich mich , dass es gelungen ist, die Finanzierung dieser wichtigen Aufgabe langfristig zu sichern.“
CDU: "Bodenlose Frechheit"
CDU-Umweltpolitiker Stephan Gamm nannte die Gebühr „eine bodenlose Frechheit“. Es sei „dreist“, in Zeiten von Rekordsteuereinnahmen „die Bürger zur Finanzierung einer staatlichen Regelaufgabe zusätzlich zur Kasse zu bitten“, so Gamm. „Rot-Grün rechnet selbst mit Steuermehreinnahmen im Umfang von rund 3,4 Milliarden Euro bis 2020. Die Gewährleistung der öffentlichen Sauberkeit ist eine städtische Kernaufgabe, die die Stadt auch selbst finanzieren muss.“ Absurd sei, „dass die Regierungskoalition gleichzeitig das Wohnen teurer macht“.
Linken-Umweltpolitiker Stephan Jersch sagte, die Gebühr sei „sozial ungerecht“ und „politischer Müll“. FDP-Umweltpolitiker Kurt Diwe sprach von einer „Politik ohne Sinn und Verstand, teuer und ungerecht“, Statt der Verursacher der Verschmutzungen würden die Anwohner zur Kasse gebeten.
Zweifel an Rechtmäßigkeit
Auch der Mietervereins-Vorsitzende Siegmund Chychla hatte es kürzlich als unverantwortlich bezeichnet, nicht die Verursacher, sondern die Mieter zahlen zu lassen. Heinrich Stüven vom Grundeigentümerverband bezweifelte, dass die Gebühr rechtens sei.
Beschlossen werden sollen die nötigen Gesetzesänderungen von der Bürgerschaft im Herbst. Am 19. Juli wird das Thema im Umweltausschuss diskutiert.