Hamburg . Während der grüne Justizsenator Steffen den Plan von SPD-Justizminister Maas unterstützt, ist SPD-Bürgermeister Scholz skeptisch.

Der erbitterte Streit über den Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) gegen Hass und Hetze im Internet hat nun auch die rot-grüne Koalition in Hamburg erreicht – und eine überraschende Konstellation verursacht. Das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ soll soziale Netzwerke wie Facebook zwingen, „offensichtlich rechtswidrige Inhalte“ binnen 24 Stunden nach Beschwerden zu löschen. Alle anderen rechtswidrigen Inhalte müssen binnen sieben Tagen gelöscht oder unzugänglich gemacht werden. Andernfalls drohen Bußgelder bis zu 50 Millionen Euro.

Kritiker des Gesetzes, darunter Medien-, Wirtschafts- und Digital-Verbände, fürchten eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Es sei nicht Aufgabe eines privaten Betreibers wie Facebook, zu entscheiden, welche Aussagen von der Meinungsfreiheit gedeckt seien und welche nicht. Darüber hätten allein unabhängige Gerichte zu befinden. Zudem fürchten viele, Facebook und Co könnten auch Kommentare löschen, die gar nicht rechtswidrig sind – um sicherzugehen und Strafen zu vermeiden.

Olaf Scholz steht dem Gesetzentwurf skeptisch gegenüber

Auch Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatte sich gegen seinen Parteifreund Maas gestellt. „Ich sehe mit einiger Sorge, dass derzeit Erwägungen der Medien- und Meinungsfreiheit gegenüber daten- und verbraucherschutzrechtlichen Normen an Gewicht verlieren“, sagte Scholz laut Redetext Anfang Mai beim Hamburger Mediendialog. „Auch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz der Bundesregierung, das ein wesentliches Problem im Netz zu Recht anpackt, ist merkwürdig unwuchtig. Es übersieht tendenziell, dass es bei jedem Eingriff immer auch darum gehen muss, die freie Rede sicher zu stellen.“

Der grüne Justizsenator Till Steffen, auf dessen Mitinitiative bei der Landesjustizministerkonferenz der Gesetzentwurf zurückgeht, verteidigte den Maas-Vorstoß dagegen am Dienstag. „Hasskriminalität im Netz ist ein Problem, in erster Linie für die Opfer, die mit teilweise hasserfüllten Kommentaren verunglimpft werden“, sagte Steffen dem Abendblatt. „Aber auch die Meinungsvielfalt leidet unter der Verrohung der Debattenkultur im Netz. Die Justizministerkonferenz hat daher auf die Initiative Hamburgs sowohl im Juni als auch im November wiederholt eine gesetzliche Regelung gefordert.“

Justizsenator Steffen hält ein Gesetz gegen Hetze im Netz für wichtig

Es sei „richtig, dass nun endlich ein Gesetz auf dem Tisch liegt und wir das komplexe Thema auf diese Weise besser diskutieren können“, so Steffen „In der aktuellen Diskussion macht es sich Facebook allerdings zu einfach. Selbstverständlich steht Facebook auch schon jetzt in der Pflicht, hasserfüllte Kommentare, die in besonders gravierender Weise gegen unsere Rechtsordnung verstoßen, zu löschen. Aktuell kommen verschiedene soziale Netzwerke – u.a. eben Facebook – trotz Kenntnis von diesen Straftaten ihrer Verantwortung aber nicht nach. Das machen anderen Plattformen sehr viel besser. Und genau hier setzt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz an, indem es die Löschungsverpflichtung konkretisiert und grobes Fehlverhalten sanktioniert.“

Allerdings weise das Maas-Gesetz „handwerkliche Schwächen auf“, so Steffen weiter. Vor allem fehle eine Pflicht, einen „inländischen Zustellungsbevollmächtigten“ zu benennen. Hintergrund: Wenn Netzwerke lediglich im Ausland einen solchen Ansprechpartner haben, können „Opfer von Hasskriminalität“ nicht zügig gerichtliche Entscheidungen erzwingen, falls ein in ihren Augen rechtswidriger Kommentar nicht gelöscht wird. Am Freitag steht das Gesetz auf der Tagesordnung des Bundesrates. Die Ländervertretung soll zu dem Vorhaben Stellung nehmen.

Beim aktuellen Entwurf gibt es laut Senatssprecher "noch Gesprächsbedarf"

Dass das rot-grün regierte Hamburg dem Vorhaben des SPD-Justizministers in dieser Form kaum zustimmen dürfte, machte Senatssprecher Jörg Schmoll am Dienstagabend deutlich. „Das Internet und Soziale Plattformen sind kein rechtsfreier Raum“, sagte Schmoll dem Abendblatt. "Weder dort noch in der realen Welt dürfen andere beleidigt, diffamiert oder bloßgestellt werden. Auch ist hier kein Raum für Hetze, Fremdenhass und Straftaten. Insofern ist es folgerichtig, dass die Bundesregierung die Initiative ergriffen hat, um gegen Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte, die in sozialen Netzwerken gepostet werden, vorzugehen. Gleichzeitig muss das verfassungsrechtlich garantierte Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt werden. Beide Ziele müssen miteinander in Einklang gebracht werden. Die aktuelle Diskussion zeigt, dass es bei dem jetzigen Gesetzentwurf noch Gesprächsbedarf gibt."