Justizminister Maas will Hass und Fake News im Internet bekämpfen und riskiert dabei die Meinungsfreiheit.
Gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut gemacht. Das gilt in mehrfacher Hinsicht für das geplante „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“, mit dem Bundesjustizminister Heiko Maas im Internet und sozialen Netzwerken gegen Hasskommentare vorgehen will.
Mit dem Gesetz sollen soziale Netzwerke und Plattformen wie etwa Facebook, YouTube und Twitter gezwungen werden, gegen Hasskommentare und Falschnachrichten vorzugehen. Sie sollen künftig Inhalte, die von Nutzern angezeigt werden, binnen 24 Stunden oder sieben Tagen löschen. Sonst drohen den Unternehmen Bußgelder von bis zu 50 Millionen Euro.
Wo beginnen Fake News?
Was sich erst einmal wie ein entschiedener Schritt gegen die öffentliche Diskriminierung von Personen und Personengruppen anhört, hat jedoch mehrere Haken. Denn was genau ist „Hassrede“, und wo beginnen Fake News? Wie grenzt man sie gegen zulässige Meinungsäußerungen ab? Noch schwieriger: Wie soll diese Abgrenzung juristisch genau formuliert und umgesetzt werden? Und schließlich: Wer soll am Ende darüber entscheiden, was gelöscht wird und was veröffentlicht werden darf?
Das sind nicht irgendwelche Randprobleme, sondern zentrale Fragen in einer Demokratie, die vom Austausch und auch vom Streit der unterschiedlichen Meinungen lebt. Mehr noch: die um des demokratischen Prinzips willen immer darauf bedacht sein sollte, die Grenzen der Meinungsfreiheit möglichst weit zu fassen und Einschränkungen dieser Freiheit möglichst genau abzuwägen. Die Grundregel sollte dabei immer lauten: im Zweifel für die Freiheit.
Facebook-Mitarbeiter als Richter über Meinungsfreiheit?
An diesem wichtigen Punkt versagt das geplante Gesetz des Justizministers leider total. Das Gesetz macht Mitarbeiter sozialer Netzwerke zu Richtern über die Meinungsfreiheit – das ist keine Lösung, sondern der Weg in einen regelrechten Abgrund neuer und größerer Probleme. Wofür im Rechtsstaat aus gutem Grund bislang Staatsanwälte und Richter zuständig sind, da sollen künftig etwa bei Facebook und anderen Diensten anonyme Mitarbeiter – eventuell irgendwelche Dienstleister des Konzerns – im Vorbeigehen Entscheidungen über die wichtigsten demokratischen Grundrechte treffen. Nach welchen Kriterien eigentlich? Während im deutschen Rechtssystem ausreichend viele differenzierte Kriterien bereitstehen, mit denen die Meinungsfreiheit durchaus eingeschränkt werden kann – von übler Nachrede, über Verleumdung bis hin zur Beleidigung –, bleiben die Kriterien im neuen Gesetzentwurf seltsam unbestimmt.
Vage werden juristisch nicht definierte Begriffe wie „Hasskriminalität“ und „strafbare Falschnachrichten“ angeführt, die sich aus den in der öffentlichen Diskussion verwendeten Begriffen Hate Speech und Fake News ableiten – die aber im deutschen Recht keine exakte Entsprechung haben.
Reporter ohne Grenzen warnt
Daraus ergibt sich die große Gefahr, dass der Gesetzgeber zu viele Straftatbestände unter den Anwendungsbereich fasst und damit unverhältnismäßig in die Presse- und Meinungsfreiheit eingreift. Davor warnt auch die Organisation Reporter ohne Grenzen.
Normalerweise muss Reporter ohne Grenzen in Ländern mit schwachem oder keinem Demokratiesystem vor solchen Eingriffen warnen. Dass dies nun bei einem Gesetzentwurf des amtierenden deutschen Justizministers nötig wird, sollte nachdenklich machen. Das Gesetz darf so nie in Kraft treten. Es ist wahrscheinlich gut gemeint, sicher aber schlecht gemacht.