Hamburg. Treffen zwischen Bürgerschaft und Senat bringt keine Annäherung. Bürgerschaftspräsidentin appelliert: Bitte abrüsten.

Die Fronten zwischen Senat und Bürgerschaft im Streit um die Auskunftsrechte der Abgeordneten bleiben verhärtet. Ein Spitzengespräch der Vorsitzenden und Parlamentarischen Geschäftsführer der sechs Fraktionen mit Senatskanzlei-Staatsrat Christoph Krupp (SPD) brachte keine Annäherung. „Ich appelliere an beide Seiten, jetzt abzurüsten“, sagte Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD), die an dem Treffen teilnahm, dem Abendblatt. Sie hoffe, dass Senat und Bürgerschaft angesichts des aufgeheizten Konflikts „auf die gute Arbeitsebene zurückkommen“.

Es gibt mehrere Anlässe für den zunehmend erbittert geführten Streit zwischen Exekutive und Legislative: Zum einen weigert sich der Senat bei Antworten auf Kleine Anfragen von Abgeordneten, Informationen aus anderen Bundesländern zu liefern, weil er sich für nicht zuständig hält. Abgeordnete der Opposition sehen darin eine unzulässige Einschränkung ihres weiten Fragerechts. CDU, FDP, Linke und AfD kritisieren außerdem, dass einzelne Senatoren die Antworten aus Anfragen veröffentlichen, bevor die Abgeordneten selbst die Gelegenheit dazu haben. Umgekehrt weist der Senat darauf hin, dass Behörden und Ämter wegen der enorm gestiegenen Zahl von Anfragen zum Teil an die Grenze der Belastbarkeit gelangen.

Gespräch ja, Verhandlungen nein

Zum letzten Punkt hatte Veit bei dem Treffen einen konkreten Vorschlag gemacht: Statt der Frist von acht Kalendertagen, die der Senat bei der Beantwortung Kleiner Anfragen derzeit einhalten muss, sollte die Frist auf acht Arbeitstage ausgedehnt werden. Im Gegenzug müsse der Senat dann allerdings auch die Verpflichtung eingehen, genau(er) zu antworten. Die Fraktionschefs griffen den Vorschlag der Bürgerschaftspräsidentin allerdings nicht auf.

291 Kleine Anfragen pro Monat

Kleine Anfragen

Kleine Anfragen an den Senat gelten als schärfstes Schwert der Opposition. Seit der Bürgerschaftswahl am 15. Februar 2015 gibt es mit CDU, Linken, AfD und FDP gleich vier Oppositionsfraktionen. Auch deshalb ist die Zahl Kleiner Anfragen auf eine Rekordmarke geklettert. Im laufenden Jahr wurden im Schnitt 291 Anfragen pro Monat gestellt – 2011 waren es nur 177. Der Senat hat acht Tage zur Beantwortung Zeit. Anfragen zu stellen ist Teil des  Kontrollrechts der Bürgerschaft.

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CDU-Fraktionschef André Trepoll zeigte sich enttäuscht von dem Gespräch. „Viel ist dabei nicht herausgekommen. Der Senat hat Gesprächs­bereitschaft, aber keine Verhandlungsbereitschaft gezeigt“, sagte Trepoll. „Wir sind augenblicklich mit der Zusammenarbeit nicht zufrieden.“ Es ärgere ihn zum Beispiel auch, dass der Senat dazu übergehe, immer häufiger in seinen Antworten auf frühere Drucksachen oder andere Quellen zu verweisen, was die Lesbarkeit und Verständlichkeit erheblich erschwere.

Verfassungsklage nicht ausgeschlossen

Hauptstreitpunkt bleibt die Frage, ob der Senat Daten und Informationen aus anderen Bundesländern liefern muss. Im Fall der CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Karin Prien, die sich vergeblich nach dem Umfang des Mathe-Unterrichts in anderen Ländern erkundigt hatte, droht die Union mit einer Verfassungsklage. Offen ist allerdings, was passiert, wenn Prien, die die Klage einreichen müsste, als Bildungsministerin nach Schleswig-Holstein wechselt, wie es erwartet wird.

Unterstützung kommt von der FDP, bei der es vergleichbare Fälle gibt. „Wir können eine Verfassungsklage nicht ausschließen. So kann es nicht weitergehen, das ist klar“, sagte Michael Kruse, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion. Es sei gut, miteinander gesprochen zu haben. „Der Senat steht unter Druck, was die Qualität seiner Antworten angeht“, glaubt der FDP-Politiker.

„Es ging darum, die unterschiedlichen Sichtweisen zu erklären“, sagte Senatskanzlei-Staatsrat Krupp. Insoweit das Kontrollrecht der Bürgerschaft bei Kleinen Anfragen berührt sei, komme der Senat seiner Pflicht zur Antwort nach. Beim verfassungsrechtlich garantierten allgemeinen Informationsbedürfnis von Abgeordneten ergebe sich für den Senat „ein gewisser Ermessensspielraum“. Wenn es um Daten aus anderen Ländern gehe, so antworte der Senat nur, wenn ihm die Antworten „in autorisierter Form“ bereits vorlägen. Im Fall der Mathematik-Stundentafeln aus der Prien-Anfrage war das offenbar nicht der Fall.

SPD-Fraktionschef Dressel hatte das Treffen vermittelt

„Dass man erst einmal miteinander redet und sich nicht gleich vor Gericht trifft, finde ich gut“, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel, auf dessen Vermittlung das Gespräch zustande gekommen war. Dressel und auch Farid Müller, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, forderten den Senat auf, immer genau zu begründen, warum er eine Antwort nicht gibt. Denkbar sei auch die Möglichkeit, bestimmte Antworten nur in nicht öffentlichen Ausschusssitzungen zu geben. „Ich habe den Eindruck, dass Herr Krupp verstanden hat, worum es uns geht. Jetzt muss sich zeigen, wie es weitergeht“, sagte Linken-Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus.