Hamburg. Laut Mai-Schätzung kann die Stadt mit 271 Millionen Euro mehr in der Kasse als 2016 rechnen. Positiver Trend hält bis 2021 an.
Zum emotionalen Überschwang neigt Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) grundsätzlich nicht – auch nicht angesichts des neuen Rekords bei den Steuereinnahmen. „Das ist ein sehr positives Ergebnis für Hamburg“, muss da schon als Temperamentsausbruch des Senators gelten, dem allerdings sogleich die Warnung folgte: „Es besteht kein Grund, sich irgendetwas Neues auszudenken. Es wird keine weiteren Ausgaben über das hinaus geben, was der Senat schon beschlossen hat.“
Nach der Mai-Steuerschätzung, die Tschentscher am Dienstag im Rathaus vorstellte, werden die in Hamburg verbleibenden Einnahmen 2017 voraussichtlich auf den neuen Spitzenwert von 11,121 Milliarden Euro steigen. Das sind 271 Millionen Euro mehr, als 2016 eingenommen wurden, und 399 Millionen Euro mehr als noch im November 2016 bei der vorangegangenen Steuerschätzung erwartet. Gegenüber der aktuellen, allerdings sehr vorsichtigen Haushalts- und Finanzplanung des Senats wird sich zum Jahresende voraussichtlich ein Plus von 769 Millionen Euro ergeben.
Die Prognosen sind bis 2021 ausgesprochen günstig
Entscheidend für die günstige Entwicklung bei den Steuererträgen ist nach Tschentschers Darstellung die weiterhin gute, bundesweit zu verzeichnende konjunkturelle Entwicklung. Darüber hinaus schlage zu Buch, dass der Bund einen Teil der Umsatzsteuer an Länder und Gemeinden zur Finanzierung der Flüchtlingsintegration weitergibt. Hamburg wird aus diesem, bis 2018 laufenden Programm insgesamt rund eine halbe Milliarde Euro erhalten. „Die Beteiligung des Bunds ist für die Finanzierung der Flüchtlingskosten auch in den kommenden Jahren dringend erforderlich“, sagte der Senator.
Der rot-grüne Senat hat für das laufende Jahr 220 Millionen Euro als Vorsichtsabschläge für den Fall eines Konjunktureinbruchs in den Haushalt eingestellt. Da diese Summe wegen der günstigen Entwicklung voraussichtlich nicht benötigt wird, fallen die Mehreinnahmen gegenüber der Finanzplanung entsprechend höher aus.
Die Prognosen sind auch weiterhin günstig. Erwartet wird ein Anstieg des Steueraufkommens bis 2021 auf 12,537 Milliarden Euro. Doch Tschentscher kündigte an, bei dem bisherigen Konsolidierungskurs bleiben zu wollen. „Es gibt keinen Spielraum für Ausgaben, die über die bisherigen Planungen hinausgehen“, betonte der Senator. Darin sei sich die rot-grüne Landesregierung „zu 100 Prozent klar.“
Zum einen sei die positive Konjunkturentwicklung nicht der Normalfall, es könne sich auch die gegenläufige Tendenz ergeben. Deswegen werde es bei der Politik der Vorsichtsabschläge bleiben. Zudem benannte Tschentscher spezielle Hamburger Haushaltsrisiken. Aufgrund neuer Berechnungen könnte sich herausstellen, dass die derzeitigen Rückstellungen in Höhe von jährlich einer halben Milliarde Euro für die Zahlung künftiger Pensionen zu niedrig seien. „Beamte und ihre Angehörigen leben im Durchschnitt länger als die Normalbevölkerung“, sagte Tschentscher.
Und schließlich das Milliardengrab HSH Nordbank: Nach Tschentschers Worten beläuft sich der Schaden, der durch den fehlgeschlagenen Expansionskurs entstanden ist, im schlimmsten Fall auf rund 16 Milliarden Euro, die sich die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein als Eigentümer teilen müssten. Die Verluste könnten unter anderem durch einen erfolgreichen Verkauf der Bank gemindert werden. „Wir sind mit dem bisherigen Verlauf des Verkaufsverfahrens sehr zufrieden“, so Tschentscher. Bis zum Frühjahr 2018 bleibt Zeit, einen Käufer zu finden, sonst droht die Abwicklung der Bank.
Tschentscher erwartet, dass es wie seit 2014 einen Haushaltsüberschuss am Ende des Jahres geben wird. Zuletzt waren es 200 Millionen Euro gewesen. „Wie bisher werden Überschüsse zur Schuldentilgung eingesetzt“, sagte Tschentscher. Noch beträgt die Schuldenlast mehr als 23 Milliarden Euro.
Die Linke fordert mehr Investitionen in Bildung
„Seit 2013 sind die Steuereinnahmen um fast 25 Prozent gestiegen. Der weitere Anstieg muss auch für eine spürbare Steuerentlastung genutzt werden“, sagte der CDU-Finanzpolitiker Thilo Kleibauer, der von Tschentscher Klarheit über die Entwicklung der Pensionslasten forderte. „Tschentscher ruht sich auf guter Konjunktur und niedrigen Zinsen aus“, kritisierte FDP-Fraktionschefin Katja Suding, die mehr Anstrengungen forderte, „um den Haushalt zukunfts- und krisenfest zu machen“.
Die Grünen als SPD-Koalitionspartner sehen durchaus Spielraum für mehr Ausgaben. „Wir wollen vor allem unsere Schulden abbauen. Gleichzeitig gestalten wir mit dem Geld Hamburgs Zukunft: Wir stärken die öffentliche Infrastruktur und investieren in Bildung“, sagte Grünen-Finanzpolitiker Farid Müller. „Die zusätzlichen Millionen werden in Hamburg dringend benötigt, zum Beispiel beim Wohnungsbau, beim schulischen Ganztag oder in der sozialen Infrastruktur“, sagte Linken-Bürgerschafts-Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus. „Das Geld ist für Hamburg enorm wichtig, wenn es richtig investiert wird: in Straßen, Brücken, Schulen und soziale Einrichtungen“, betonte auch die DGB-Vorsitzende Katja Karger.
Die AfD-Bürgerschaftsabgeordnete Andrea Oehlschläger warf dem Senat dagegen vor, zu viel Geld verschwenderisch auszugeben. „Die völlig unverhältnismäßigen Ausgaben im Bereich der Flüchtlingsunterbringung sind nur die Spitze des Eisbergs“, so Oehlschläger.