Hamburg. Protestbrief an Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks. Betriebsräte fürchten um Tausende Arbeitsplätze in Hamburg.
Die Betriebsräte der wichtigsten deutschen Versicherungen haben sich gegen eine sogenannte Bürgerversicherung ausgesprochen, wie sie unter anderem Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia-Prüfer-Storcks (SPD) im Abendblatt vorgeschlagen hatte. Dass ausgerechnet Gewerkschafter und Arbeitnehmervertreter sich vor der Bundestagswahl gegen SPD-Pläne positionieren, wird am Versicherungsstandort Hamburg von Beobachtern mit Genugtuung quittiert. In seltener Einigkeit setzen sich Vorstände von Allianz, Hanse Merkur oder der Halleschen und Mitarbeiter für die Erhaltung von Tausenden Arbeitsplätzen ein.
Die Betriebsräte schreiben an die Senatorin, dass bundesweit mehrere Zehntausend Jobs gefährdet seien. Der Gesamtbetriebsrats-Vorsitzende der Halleschen, Uwe Runge, warf Prüfer-Storcks sachlich falsche Aussagen vor. Hamburgs Gesundheitssenatorin will die Private Krankenversicherung (PKV) zwar nicht abschaffen, wie sie dem Abendblatt sagte. Aber jeder gesetzlich Versicherte solle wechseln können. Die PKV-Unternehmen könnten dieselbe Krankenversicherung anbieten wie die bisherigen gesetzlichen. Damit seien alle Privaten praktisch tot, sagte Runge im Gespräch mit dem Abendblatt. Und das habe gravierende Folgen für das gesamte deutsche Gesundheitswesen.
"Zwei-Klassen-Medizin würde sich verschärfen"
Sie mache Politik mit vermeintlicher Gerechtigkeit, warf Betriebsrat Runge der Senatorin vor. Die immer wieder beklagte Zwei-Klassen-Medizin würde sich aber bei ihren Plänen nur verschärfen. Außerdem müssten am Ende alle Patienten deutlich mehr zahlen als heute.
Bei Arzt-Terminen würden dann die Patienten mit Zusatzversicherungen bevorzugt. Die Beiträge zur Krankenversicherung müssten für alle Bürger steigen. Denn Prüfer-Storcks will zwar das bisherige Honorar-Volumen für Ärzte erhalten, das zurzeit überproportional von den Privatversicherten bezahlt werde. Aber in Zukunft müssten ja alle Versicherten dieses Geld aufbringen. Heißt: Beitragssteigerung.
Beiträge zur Krankenversicherung würden steigen
Und weil die sogenannte Beitragsbemessungsgrenze steigen würde, müssten auch die Arbeitgeber deutlich mehr für die Krankenversicherung ihrer Mitarbeiter zahlen, was gesamtwirtschaftlich zu einer erheblichen Belastung führen würde.
Völlig ungeklärt sei die Lage der Millionen Beamten. Ob Polizist oder Lehrerin – die meisten von ihnen sind derzeit privat krankenversichert und erhalten dazu eine Beihilfe. Sie müssten künftig erheblich mehr für ihre Gesundheit aufbringen. Entschieden sie sich für die Bürgerversicherung, müssten ihre Arbeitgeber den hälftigen Anteil dazuzahlen. Das würde zu einer gewaltigen Belastung der ohnehin finanziell klammen Bundesländer führen, die ja die meisten Beamten beschäftigen. Die im Grundgesetz vereinbarte Schuldenbremse einzuhalten, das wäre dann illusorisch.
Betriebsrat Runge und seine Mitstreiter in den anderen Unternehmen werfen der SPD und Kanzlerkandidat Martin Schulz vor, mit der Bürgerversicherung ein nicht durchdachtes Konzept zu promoten.
Außer den Betriebsräten und Vorständen der Versicherungen hatten sich zuletzt im Abendblatt die niedergelassenen Ärzte sowie auch eine gesetzliche Kasse für das weitere Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung ausgesprochen. Der Verwaltungsrat der Hanseatischen Krankenkasse (HEK) erklärte, er stehe zum Wettbewerb mit den Privaten.