Hamburg. Beim Versuch, Weltpolitik zu machen, gab das Hamburgische Landesparlament keine gute Figur ab. Bürgermeister mit Doppelfehler.
Dass die Hamburgische Bürgerschaft manchmal etwas piefig wirkt, hat auch damit zu tun, dass sich das Landesparlament im Zweifel mit jedem kaputten Klohäuschen zwischen Bergedorf und Blankenese befassen muss. Weil Hamburg eine Einheitsgemeinde ist, steht eben auch mal kommunaler Kleinkram auf der Tagesordnung. Am Mittwoch dieser Woche hatten die hanseatischen Teilzeit-Abgeordneten offenbar genug von der eigenen Provinzialität – und gingen einfach mal ins andere Extrem. In einer Resolution knöpften sie sich den US-Präsidenten Donald Trump vor, und in Debatten über die Verträge mit den Islamverbänden bekam auch der türkische Präsident Recep Erdogan gezeigt, wo der Hamburger Hammer hängt.
Eins vorab: Eine sonderlich professionelle Figur machte das hanseatische Landesparlament nicht bei seinem Ausflug in die Weltpolitik. Statt bei der Zurechtweisung ausländischer Präsidenten halbwegs geschlossen aufzutreten, geschah das Gegenteil: Die Konflikte mit den Herren Trump und Erdoğan sorgten für eine tiefe Spaltung des Parlaments.
"Resolution" wird zur Unterschriftensammlung
Den unglücklichen Anfang machte die SPD mit der von ihr initiierten „Resolution“ gegen „das willkürliche Einreiseverbot des neuen amerikanischen Präsidenten“. Anlass für das Aufsetzen der Protestnote war für SPD-Fraktionschef Andreas Dressel der Fall des SPD-Abgeordneten Danial Ilkhanipour, der „als Sohn iranischer Eltern neben der deutschen automatisch auch die iranische Staatsbürgerschaft besitzt“. Daher habe „gedroht“, dass er seinen Vater, einen eingebürgerten US-Amerikaner, nicht hätte besuchen können. Es seien Menschen weltweit betroffen, so der Text: „Wir, Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft, ... erklären uns mit den Betroffenen solidarisch und sagen NEIN.“
So gut und richtig man ein Zeichen für Weltoffenheit aus dem Parlament einer Stadt wie Hamburg finden kann – am Ende geriet das Dressel-Projekt doch zu kaum mehr als einer privaten Unterschriftensammlung unter den Abgeordneten von SPD, Grünen und Linken. CDU, FDP und AfD machten nämlich nicht mit. Die drei Fraktionen hätten schlicht nicht auf seine Mails reagiert, empörte sich Dressel später. „Dabei hätten wir uns über den Text gerne mit allen gemeinsam abgestimmt.“ Nun hätten „CDU und FDP die Chance verpasst, gemeinsam ein Zeichen für Freiheit und gegen Diskriminierung zu setzen“.
CDU-Fraktionschef André Trepoll begründete die moralische Enthaltsamkeit seiner Fraktion mit dem formalen Hinweis, dass für Außenpolitik der Bundestag zuständig sei. FDP-Fraktionschefin Katja Suding betonte zwar, dass auch ihre Liberalen Trumps Einreiseverbot ablehnten. Der Resolutionstext sei aber schlicht falsch. Denn Ilkhanipour sei „als EU-Bürger mit doppelter Staatsbürgerschaft nicht von der Regelung betroffen“. Das hätte das US-Generalkonsulat längst klargestellt gehabt. „Wer das dennoch wider besseren Wissen behauptet, macht sich angreifbar.“
Überhaupt habe Rot-Grün am Mittwoch „ein schräges Bild abgegeben“, befand Suding. Gemeint war eine gefühlte Ungleichbehandlung von Trump und Erdoğan. Nach ihrer Rüge für den US-Präsidenten zeigten sich SPD und Grüne bei den Debatten über die Islamverträge nämlich eher nachgiebig gegenüber dem Vertragspartner Ditib. Der türkische Islamverband, seit 2012 Vertragspartner der Hansestadt, ist der türkischen Regierung unterstellt, bezieht Predigten für seine Moscheen aus dem Land – und hat zuletzt für viele negative Schlagzeilen gesorgt. So verbreiteten Ditib-Gruppen antisemitische und antichristliche Hetze, und die Bundesstaatsanwaltschaft prüft, ob Ditib auch für die Türkei vermeintliche Erdogan-Gegner bespitzelt.
Erdogans Ditib – Rot-Grün gibt sich konziliant
Die CDU, die Ditib als „verlängerten Arm Erdogans“ sieht, forderte daher die Aussetzung des Vertrags, der Ditib auch an der Gestaltung des konfessionsübergreifenden Religionsunterrichts beteiligt. Vorher müsse in einem neuen Gutachten geprüft werden, ob Ditib noch eine Religionsgemeinschaft sei – andernfalls könnte die Organisation nämlich weder Vertragspartner sein, noch hätte sie Anspruch darauf, eigenen Islamunterricht an Hamburger Schulen zu gestalten. FDP und AfD wollten den Vertrag ganz kündigen. Die Linksfraktion fand gar keine gemeinsame Position.
Der SPD-Bürgermeister (und bekennende Atheist) Olaf Scholz konterte die Bedenken mit einem länglichen Vortrag über den Augsburger Religionsfrieden 1555 und Bismarcks „Kulturkampf“ und sang ein Loblied auf die Religionsfreiheit. Das Ganze hatte nur zwei Fehler: Erstens nahm sich der Senatschef wider die parlamentarische Gepflogenheit dafür fast eine halbe Stunde während der Aktuellen Stunde (statt zum späteren FDP-Antrag zu sprechen) – und stahl damit den Abgeordneten die nach einer Parlamentsreform sowieso verkürzte Redezeit. Und zweitens hatte ja überhaupt niemand die Religionsfreiheit infrage gestellt – außer vielleicht Scholz’ Vertragspartner Ditib mit seiner Hetze gegen Juden und Christen.
SPD und Grüne betonten gleichwohl den hohen Wert des Vertrages – gerade in diesen Zeiten und für die Konfliktlösung. Eine Kündigung würde die Partner so vor den Kopf stoßen, dass der Dialog auf Jahre unmöglich würde. Einen Dialog mit der Opposition über das Thema wollen SPD und Grüne dagegen offenbar nicht mehr führen. Die inständigen Bitten des CDU-Abgeordneten Dietrich Wersich, in der ruhigeren Atmosphäre eines Ausschusses zeitnah nach einer gemeinsamen Position zu suchen, lehnte die Koalition rundweg ab. Stattdessen soll der Senat „zu gegebener Zeit“ über seine Gespräche berichten. Wann immer die Zeit ihm denn gegeben erscheint, vielleicht ja schon 2020.
Dass man jetzt erst mal nicht mehr über die Islamverträge reden will, begründet SPD-Fraktionschef Dressel damit, dass man das Thema nicht den „Scharfmachern“ überlassen wolle. Ausgerechnet Dietrich Wersich indirekt zu dieser Gruppe zu zählen, entbehrt dabei nicht einer gewissen Ironie – und zeigt die Nervosität der Koalition. Der bekennende Christ Wersich hat in der CDU wie kein anderer stets für den interreligiösen Dialog und bis zu den Skandalen auch für die Islam-Verträge geworben.