Hamburg. Bürgermeister Scholz verspricht, die neue Behördenleitung noch im Januar bekannt zu geben – das Rätselraten beendet er damit nicht.

Geschichte wiederholt sich nicht, sagte Mark Twain. Aber sie reimt sich. Nachdem sich 2001 in Hamburg die Koalition aus CDU, FDP und Schill-Partei gebildet hatte, blieb ein Amt 84 Tage vakant: Kultursenator wollte damals in der Hansestadt keiner und vor allem keine werden. Reihenweise handelte sich Bürgermeister Ole von Beust Absagen ein – Nike Wagner wollte nicht, auch Alexandra Freifrau von Rehlingen und Vicky Leandros sollen abgewinkt haben. Damals galt der Job in der Kulturbehörde als wenig attraktiv.

Das hat sich inzwischen – nicht zuletzt durch den Jahrhundertbau Elbphilharmonie – geändert. Doch viel erfolgreicher ist Bürgermeister Olaf Scholz bislang auch nicht als Headhunter. Barbara Kisseler war über einen langen Zeitraum schwer krank. Es ehrt Olaf Scholz menschlich, dass er offenbar keinerlei Planspiele betrieb, als Kisseler bereits seit Monaten nicht mehr öffentlich auftreten konnte. Stattdessen vertrat er die Senatorin selbst und machte seinen Vertrauten Carsten Brosda im März 2016 zum Staatsrat, der sich in dieser Position als beste Wahl erwies. In der Kulturszene genießt er einen sehr guten Ruf.

Bürgermeister hat sich in eine schwierige Lage manövriert

Dadurch hat sich der Bürgermeister aber in eine schwierige Lage manövriert. Brosda nun eine neue Senatorin vor die Nase zu setzen wäre für alle Beteiligten schwer vermittelbar. Den Staatsrat jetzt noch zum Kultursenator zu machen dürfte jedoch sowohl ihn als auch das Amt beschädigen: Wegen der langen Wartezeit erschiene er plötzlich als „zweite Wahl“. Und auch das Amt selbst birgt Tücken: Der akute Gestaltungsspielraum scheint eher geschrumpft, die großen Entscheidungen sind getroffen. Frei nach Brecht: Die Mühen der Gebirge liegen hinter der Kulturbehörde, vor ihr liegen die Mühen der Ebenen. Und möglicherweise treibt Scholz noch ein weiterer Gedanke um: Weil Brosda sich als senatorabel erwiesen hat, könnte er auch an anderer Stelle wichtig werden.

Bleibt die schwierige Kandidaten­suche. Ein passender Kandidat wäre Ansgar Wimmer, derzeit Vorstandsvorsitzender der Alfred Toepfer Stiftung. Er genießt in den Hamburger Kulturszene einen hervorragenden Ruf und ist gut vernetzt – zwei Anforderungen, die in dem nicht einfachen Amt wichtig sind. Andererseits fehlen zwei Punkte im Profil: Weder bringt er als Parteiloser sozialdemokratischen Stallgeruch mit – was Scholz, der immerhin die Parteilose Kisseler holte, nicht gar so wichtig sein dürfte –, noch passt er ins paritätische Senatsgefüge: Von zwölf Senatsposten sind sieben männlich besetzt, nur vier Frauen stehen derzeit Behörden vor.

Monika Griefhahn bringt das richtige Parteibuch mit

Da kommen plötzlich andere Namen ins Spiel: Hinter vorgehaltener Hand und mit eher hochgezogener Augenbraue wird Monika Griefahn genannt, die sowohl das richtige Geschlecht als auch das richtige Parteibuch mitbringt. Die Mitbegründerin von Greenpeace Deutschland war bereits einmal Ministerin in Niedersachsen, zwischen 1990 und 1998 verantwortete die SPD-Frau das Umweltressort. Im Anschluss kümmerte sich Griefahn als Mitglied des Deutschen Bundestages vorrangig um Kultur- und Medienpolitik. Zudem soll nach Abendblatt-Informationen mindestens eine Bewerbung einer Kulturschaffenden vorliegen, die zuletzt nicht in Hamburg tätig war.

Catarina Felixmüller ist exzellent in der Kulturszene vernetzt

Ebenfalls in der Gerüchteküche war die Journalistin Catarina Felixmüller, Kultur- und Unterhaltungschefin bei NDR 90,3 und exzellent in der Kulturszene vernetzt. „Ja, das habe ich auch gehört, dass ich im Gespräch gewesen sei“, sagt Felixmüller dazu. „Eine direkte Anfrage hat es aber nicht gegeben. Und ich habe auch zu viel Respekt vor dem politischen Handwerk, als dass ich mir als Journalistin diesen Seitenwechsel zugetraut hätte.“ Eine Frau gäbe es, die es politisch und inhaltlich könnte, aber aus Scholz’ Sicht vermutlich das falsche Parteibuch besitzt: Christa Goetsch, einst Zweite Bürgermeisterin. Viele finden, diese (grüne) Version wäre – zum Beispiel als Übergang bis zur nächsten Wahl – nicht ohne Charme. Von Goetsch selbst gab es dazu „keinen Kommentar“.

Über dem Gerüchtestatus hinweg schaffte es bislang niemand

Über den – zuletzt bei diversen elbphilharmonischen Empfängen und Premieren reichlich ausdiskutierten – Gerüchtestatus allerdings schaffte es bislang keiner und keine. Aber wann, wenn nicht jetzt? Pietätvoll nach der Trauerfeier, hieß es zunächst. Nach der Elbphilharmonie-Eröffnung, hörte man noch in der vergangenen Woche. Dann: nach der Beerdigung von Peter Tamm. Doch die Termine verstrichen. Nun versuchte Olaf Scholz in der Bürgerschaft die Debatte zu beruhigen. Er habe aus Respekt vor der Leistung von Kultursenatorin Kisseler bis zur Eröffnung der Elbphilharmonie abgewartet. „Ich werde in diesem Monat die Entscheidung, die ich getroffen habe, bekannt geben“, sagte er. Dann könnte die Bürgerschaft die Nachfolgerin bei der nächsten Bürgerschaftssitzung am 1. Februar wählen. Einen Namen nannte er auch gestern natürlich nicht.