Hamburg. Der Stiftungsrat will die Räume nicht an die AfD vermieten. Vom Verfassungsschutz beobachtete Linksextremisten tagen dort regelmäßig.
Seit seiner Eröffnung im Jahr 1985 gehört das Bürgerhaus Wilhelmsburg zu den beliebtesten Tagungszentren für Parteien, Verbände oder Initiativen in Hamburg. Das von einer Stiftung geführte und mit rund einer halben Million Euro jährlich von der Stadt geförderte Haus wird nach eigenen Angaben pro Jahr von rund 160.000 Menschen genutzt. Nun aber steht diese Hamburger Institution im Zentrum eines politischen Streits.
Anlass: Das Bürgerhaus hat es zuletzt mehrfach abgelehnt, der Hamburger AfD Räume für Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen. Im Jahr 2015 hatte die AfD hier zwar noch einen Landesparteitag abhalten dürfen. Eine Anfrage des Bezirksverbandes Mitte im Sommer 2016 wurde dann bereits abschlägig beschieden. Im Dezember 2016 fragte die Bürgerschaftsfraktion Räume für ihre Veranstaltungsreihe „Fraktion im Dialog“ an, an der oft hochkarätige Gäste teilnehmen, zuletzt etwa der Hamburger Verfassungsschutzchef oder Spitzenvertreter der Polizei.
Am 4. Januar 2017 kam die Absage. Der siebenköpfige Stiftungsrat des Bürgerhauses habe beschlossen, die Räume nicht an die AfD zu vermieten. „Der Beschluss fußt auf der Einschätzung, dass durch die Vermietung von Räumlichkeiten an Ihre Organisation unsere über Jahre gewachsene Alltagsarbeit als Bürger- und Begegnungsstätte erschwert und unter Umständen sogar erheblichen Schaden nehmen würde“, heißt es im Schreiben des Stiftungsratsvorsitzenden Thorsten Schulz an die AfD, das dem Abendblatt vorliegt. Zudem habe die AfD „kein verbindliches Thema für die geplante Veranstaltung mitgeteilt“.
Kruse: „Völlig absurde Situation“
Für die AfD ist diese Absage unverständlich – zumal die Stiftung des Bürgerhauses „fast 500.000 Euro jährlich“ vom Bezirksamt Mitte bekomme. „Dies ist ein verheerendes Signal für die Meinungsfreiheit in unserer Demokratie“ , sagte der AfD-Fraktionschef Jörn Kruse. „Man hat das Gefühl, je stärker die AfD wird, desto nervöser und hysterischer verteidigen die Vertreter der linken Altparteien ihre schwindende Macht.“ Das Ganze sei eine „völlig absurde Situation“, so Kruse. „Einerseits führt man an, dass die Bürgerhäuser für Demokratie, Vielfalt, Toleranz stehen und ein Ort der Begegnung sein sollen. Andererseits erhält die AfD als demokratisch legitimierte Partei keinen Zutritt.“ Gleichzeitig aber nutzten „seit vielen Jahren Gruppierungen die Räumlichkeiten, die vom Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuft und beobachtet werden“.
Ein Kommentar von Jens Meyer-Wellmann
Kruse bezieht sich auf die „ Marxistische Abendschule“ (MASCH), die laut Hamburger Verfassungsschutzbericht „2007 auf Initiative der DKP in Wilhelmsburg gegründet“ wurde und von den Verfassungsschützern in der Kategorie „Linksextremismus“ unter „Orthodoxe Kommunisten und andere revolutionäre Marxisten“ geführt wird. MASCH und andere vom Verfassungsschutz beobachtete Organisationen wie die „Linksjugend Solid“ oder die DKP sind ausweislich von im Netz zu findenden Einladungen Gast im Bürgerhaus.
Stiftungsrat verteidigt Entscheidung
Auf Anfrage des Abendblattes, betonte der Stiftungsrat in einer Stellungnahme seine Unabhängigkeit von der Stadt. „Die Stiftung Bürgerhaus Wilhelmsburg entscheidet auf Grundlage ihrer Satzung, ihres Leitbildes und der Förderrichtlinie Bürgerhäuser über ihre gemeinnützigen Tätigkeiten und strebt an, ihren rein wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich der kommerziellen Raumvermietung ebenfalls in diesem Rahmen zu gestalten“, so die Erklärung. „Diese unternehmerische Freiheit lässt die Förderrichtlinie zu und die Stiftung nutzt diese auch. Nach intensiver Beratung und Abwägung von organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten im Stiftungsrat wurde hier eine Einzelfallentscheidung getroffen. Zu keiner Zeit wurde eine grundsätzliche Ablehnung gegen eine bürgerschaftliche Fraktion geäußert.“ Eine Erklärung, warum man die bisher nicht negativ aufgefallene Veranstaltung „Fraktion im Dialog“ für schädlich hielt, gab es nicht. Der Chef des Bezirksamtes Mitte, Falko Droßmann (SPD) erklärte sich auf Abendblatt-Anfrage für nicht zuständig. „Das Bürgerhaus Wilhelmsburg ist in seinen Entscheidungen hinsichtlich der Vermietung von Räumen völlig autonom“, so Droßmann.
Alexander Wolf, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Bürgerschaftsfraktion, warf dem aus seiner Sicht „links dominierten Stiftungsrat“ vor, „augenscheinlich mit Rückendeckung von SPD und Grünen die AfD und damit viele Menschen in unserem Lande auszugrenzen“. Hintergrund: Die Mehrheit der Stiftungsrats-Mitglieder ist laut AfD politisch bei SPD, Grünen oder Linke organisiert. AfD-Innenpolitiker und Ex-Innensenator Dirk Nockemann sprach von einem „unfassbaren Skandal“, da die Stadt durch das Bürgerhaus den Linksextremismus fördere.
Am Mittwoch wird sich die Bürgerschaft mit dem Thema befassen. Die AfD-Fraktion hat es zur Aktuellen Stunde angemeldet. Titel: „Demokratie heißt Vielfalt der Meinungen.“
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