Hamburg. Unternehmensführer fordern aussichtsreiche Kandidatur für die CDU-Politikerin. Bisher nur Männer auf sicheren Plätzen.
Die Entscheidung der männlich dominierten Hamburger CDU-Führung, auf den aussichtsreichen Plätzen für die Bundestagswahl ausschließlich Männer zu nominieren, stößt in der Hansestadt auf immer lauteres Unverständnis. Nun haben sich auch zahlreiche prominente Hamburger Wirtschaftsführer in die Diskussion eingeschaltet – und hinter die auf einen wohl aussichtslosen fünften Listenplatz degradierte Bundestagsabgeordnete Herlind Gundelach gestellt. Dabei übten die Unternehmensführer teilweise scharfe Kritik an der CDU-Spitze.
„In der Vergangenheit ist es immer so gewesen, dass wir von Frau Dr. Gundelach extrem gut vertreten wurden, und wir hoffen, dass sie auch weiterhin unsere kompetente Ansprechpartnerin bleibt“, sagte Aurubis-Chef Jürgen Schachler dem Fernsehsender Hamburg 1. „Kontinuität ist eine gute Sache, vor allem dann, wenn sie von einer Person mit sehr hoher Fachkompetenz gewährleistet wird.“
Ausschließlich Männer auf den ersten vier Plätzen
Gundelach, die als Direktkandidatin für den Wahlkreis Bergedorf-Harburg antritt, war vom männlich dominierten sogenannten 17er-Ausschuss der Hamburger CDU auf dem chancenreichen Platz drei der Landesliste durch den Mitarbeiter der Bürgerschaftsfraktion, Christoph de Vries, ersetzt worden. Sie steht nun auf dem angesichts derzeitiger Umfragen wohl aussichtslosen fünften Platz. Damit treten auf den ersten vier Plätzen der Landesliste für die CDU ausschließlich Männer an. Mit dieser Entscheidung setzt sich die seit 2015 vom früheren Bürgerschaftsabgeordneten Roland Heintze geführte Hamburger CDU über das Bundesstatut der Partei hinweg. Das sieht vor, dass mindestens auf jedem dritten Platz eine Frau nominiert werden sollte. Gegen die Degradierung Gundelachs hatten prominente Hamburger CDU-Frauen in einem offenen Brief an Parteichef Heintze protestiert. Aus der Parteiführung hieß es, Gundelach sei im Wahlkreis nicht präsent genug gewesen.
"Wir brauchen jemanden, der Erfahrung hat“
Das sieht man in der Hamburger Wirtschaft offenbar anders. „Inhaltlich und sachlich ist nicht nachzuvollziehen, auf welche Art und Weise mit Frau Dr. Gundelach umgegangen wird“, sagte Jochen Winand vom Wirtschaftsverein für den Hamburger Süden im Gespräch mit Hamburg-1-Politikchef Herbert Schalthoff. „Ich finde das empörend, und wir sind sehr bestürzt darüber.“ Der Verein vertritt nach eigenen Angaben 260 Unternehmen mit 40.000 Beschäftigten. Er wünsche sich nicht nur, dass Gundelach weitermache, er fordere es von der CDU, so Winand. „Der Hamburger Süden ist in den vergangenen Jahrzehnten von den Bundestagsabgeordneten, die oft klingende Namen gehabt haben, nicht sonderlich verwöhnt worden in der Direktansprache und der Vernetzung nach Berlin. Frau Dr. Gundelach hat da einen Wechsel herbeigeführt.“ Dabei kritisiert Winand auch die männlich dominierte Verjüngung der CDU-Liste. „Uns nützen 31- und 41-jährige Rookies nichts, die Hinterbänkler in der CDU-Fraktion sein werden. Wir brauchen jemanden, der Erfahrung und Netzwerke hat.“
Auch der frühere CDU-Bürgerschaftsabgeordnete und ECE-Manager Andreas Mattner unterstützt Gundelach. „Ich schätze die Arbeit von Herlind Gundelach sehr hoch. Sie hat sich für Hamburg mit großer Fachkompetenz in Berlin eingesetzt. Ich würde mir wünschen, dass sie diese Arbeit im Deutschen Bundestag fortsetzen kann.“
Vattenfall-Norddeutschland-Chef Pieter Wasmuth, Mitglied im CDU-Wirtschaftsrat, stellte sich ebenfalls hinter Gundelach. „Parteipolitische Überlegungen und die Sicht der durch die Politik vertretenen Wähler sind nicht immer deckungsgleich“, sagte Wasmuth dem Sender Hamburg 1. „Aus Sicht eines Hamburger Unternehmens im Bereich Energie wäre in Zeiten sich massiv verändernder Rahmenbedingungen eine Kontinuität der im Interesse Hamburgs gewählten Bundestagsmitglieder wünschenswert.“
Vertreterversammlung entscheidet über endgültige Reihenfolge
Am Donnerstag entscheidet eine Vertreterversammlung der CDU abschließend über die endgültige Reihenfolge – auf Grundlage der umstrittenen Empfehlung des 17er-Ausschusses. Angesichts der angespannten Lage wird dabei mit Kampfkandidaturen gerechnet. „Die Reihenfolge der Bundestagskandidaten wird demokratisch auf der Vertreterversammlung entschieden und nicht in öffentlicher Debatte“, sagte Parteichef Heintze dem Abendblatt. „Wir sind ein guter und verlässlicher Partner für die Hamburger Wirtschaft. Das wird auch so bleiben.“