Hamburg. Hamburgs CDU-Chef Roland Heintze über den Aufstand der Frauen in seiner Partei – und die Spitzenkandidatur 2020.

Sonderlich gut läuft es für die CDU in Hamburg derzeit nicht. Bei der jüngsten Umfrage landete sie bei mickrigen 18 Prozent, ihren Fraktionsvorsitzenden André Trepoll kennt nicht einmal jeder vierte Hamburger – und nun proben auch noch die CDU-Frauen den Aufstand gegen die männlich dominierte Parteiführung. Grund: Diese will auf die ersten vier Listenplätze zur Bundestagswahl nur Männer platzieren. So hat es der verantwortliche 17er-Ausschuss vorgeschlagen. Nun haben prominente Frauen einen offenen Brief geschrieben – und die Korrektur der Liste beim Nominierungsparteitag am 8. Dezember gefordert. Ein Gespräch mit CDU-Landeschef Roland Heintze über Quoten, Listen und die Probleme seiner Partei bei der Frauenförderung.

Herr Heintze, gibt es in der CDU Hamburg eigentlich wirklich keine fähigen Frauen?

Roland Heintze: Ich frage mich dieser Tage manchmal, ob es nicht wichtigere Themen in der Stadt gibt, und doch: Es gibt viele fähige Frauen, die auch in Führungspositionen aktiv sind. Wir haben von allen Landesverbänden mit 38,5 Prozent den höchsten Frauenanteil bei den Parteimitgliedern. Rund 30 Prozent unserer kommunalen Mandatsträger sind weiblich, und der Landesvorstand hat einen Frauenanteil von 45 Prozent.

Und wieso stellen Sie dann keine einzige Frau auf einem aussichtsreichen Platz für die Bundestagswahl 2017 auf?

Wir stehen vor der Herausforderung, dass in den sechs Wahlkreisen bis auf eine Ausnahme nur Männer als Direktkandidaten vorgeschlagen worden sind. Und wir haben die Regel, dass Direktkandidaten auch vorne auf der Liste berücksichtigt werden sollen.

Mit Herlind Gundelach ist immerhin eine Frau nominiert worden. Die hat der verantwortliche 17er-Ausschuss aber von Platz drei auf den voraussichtlich chancenlosen Platz fünf degradiert.

Chancenlos ist der Platz sicher nicht, da wir derzeit fünf Abgeordnete stellen und das auch nach der Wahl tun wollen. Das war eine lange und ernsthafte Diskussion im 17er-Ausschuss. Da ging es vorrangig nicht um das Geschlecht, sondern es wurden viele andere Kriterien diskutiert, also beispielsweise inhaltliches Profil, Leistung, Potenzial, Erneuerung oder die Akzeptanz im Wahlkreis der Kandidaten. Herlind Gundelach ist bei der Abstimmung dann nicht für Platz drei vorgeschlagen worden.

Man könnte auch fragen, durch was sich einige der männlichen CDU-Bundestags­abgeordnete wie Jürgen Klimke oder Dirk Fischer denn zuletzt groß hervorgetan haben. Kann es sein, dass an Frauen besonders harte Maßstäbe angelegt werden?

Das glaube ich nicht. Alle unsere Bundestagsabgeordneten machen in Berlin einen gut Job. Die beiden genannten stehen ja für den neuen Bundestag auch gar nicht mehr zur Verfügung. Für Frauen gelten in der CDU keine anderen Leistungskriterien als für Männer, das fände ich auch falsch.

Die Chefin der Frauen-Union, Marita Meyer-Kainer, und die Bürgerschaftsabgeordneten Karin Prien und Birgit Stöver haben einen offenen Brief geschrieben und die Parteiführung in einer Pressekonferenz wegen Verstoßes gegen das im Bundestatut geregelte Frauen-Quorum von einem Drittel kritisiert. Ein bisher beispielloser Vorgang.

Das zeigt zunächst mal an, dass es hier eine wichtige Debatte gibt. Ich habe von Anfang an klargemacht, dass wir diese offen führen wollen. Einen offenen Brief hätte ich mir als Mittel allerdings nicht zwingend gewünscht. Ich finde, wir sollten hierzu keine laute Debatte in der Öffentlichkeit führen, die im Zweifel die Partei beschädigt. Das müssen wir viel mehr sehr ernsthaft innerhalb der CDU tun. Und das werden wir auf dem Parteitag am 8. Dezember auch machen. Ich führe dieser Tage dazu viele Gespräche.

Beschädigt es nicht eher die Partei, wenn sich die Führung nicht an das Bundestatut

hält, das fordert, einer von drei Listenplätzen solle mit Frauen besetzt werden? Geht es doch nicht ohne strikte Frauenquote?

Die Partei hat sich 2012 im Landesausschuss sehr klar gegen eine Quote ausgesprochen.

Dafür hat sie aber auch beschlossen, sie wolle bei der Frauenförderung beispielhaft vorangehen. Statt das umzusetzen, haben Sie sich die Bestätigung geholt, dass das Bundesstatut nur eine Soll-Bestimmung ist.

An der Aufstellung der Wahlkreiskandidaten waren rund 1000 Mitglieder beteiligt. Die Ergebnisse kann die Parteiführung ja nicht einfach ignorieren. Das ist ein Basisvotum, an das sich der 17er-Ausschuss gehalten hat.

Die Außenwirkung einer fast frauenfreien Liste ist in einer liberalen Metropole gleichwohl ungünstig, finden Sie nicht?

Wir schlagen insgesamt fünf Frauen vor. Ich kann aber alle verstehen, die sagen: Die Liste ist uns auf den vorderen Plätzen nicht weiblich genug. Unsere Herausforderung ist es, in der Zukunft starke Frauen zur Kandidatur zu bewegen. Das ist auch meine persönliche Herausforderung als Parteivorsitzender.

Da gibt es wohl noch einiges zu tun: Parteichef, Fraktionschef, sieben Kreisvorsitzende – ausschließlich Männer.

Es ist leider so, dass sich nur wenige Frauen für solche Führungspositionen bewerben. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass beispielsweise Friederike Föcking in Wandsbek für den Bundestag kandidiert. Leider hat sie sich anders entschieden.

Es fällt auf, dass kompetente Frauen der aktiven CDU-Politik in Hamburg oft den Rücken kehren. Vor Frau Föcking auch schon Katharina Wolff oder Viviane Spethmann. Woran liegt das?

Diese Frage treibt mich auch um. Die Gründe sind bei allen dreien sehr individuell. Ich habe im Frühjahr einen Dialog zu dem Thema mit den Frauen in unserer Partei begonnen. Dabei sind wir u. a. auf zwei Antworten gestoßen. Erstens hat die Attraktivität von Politik insgesamt abgenommen. Zweitens scheint es so zu sein, dass Frauen oft mehr abwägen, bevor sie in eine Kandidatur gehen – während Männer das einfach durchziehen. Wir sollten starke weibliche Kandidaten künftig stärker ermutigen. Daran müssen wir arbeiten.

Angeblich netzwerken Männer auch besser. Es gibt das Gerücht in der CDU: Der Heintze hat einigen Männern gute Listenplätze versprochen, damit die seine Wiederwahl als Parteichef sichern.

Das ist Unsinn. Es war bis zum Schluss ja nicht klar, wer von den Kreisen überhaupt aufgestellt wird und auf welchem Platz die Kandidaten dann antreten.

Wie geht der Streit nun weiter?

Der Parteitag entscheidet am 8. Dezember über die Liste. Der 17er-Ausschuss hat einen Vorschlag gemacht, den ich unterstütze. Nicht mehr und nicht weniger. Ich freue mich über jede weitere Bewerbung. Konkurrenz und Kampfkandidaturen sind etwas völlig Normales. Ich finde nur, die müssen dann auf den jeweiligen Versammlungen ausgetragen und nicht vorab wochenlang öffentlich diskutiert werden. Allerdings muss man auch sagen: Für die Wähler ist die Frage des Geschlechts nicht maßgeblich. Es ist keinesfalls so, dass Frauen stärker von Frauen gewählt werden oder Männer von Männern. Das hängt viel stärker von der Kompetenz des Kandidaten ab. Danach heißt es dann gemeinsam um jede Stimme kämpfen.

Ist es eigentlich denkbar, dass die CDU alle überrascht und 2020 eine Frau als Bürgermeister-Kandidatin nominiert?

Die CDU Hamburg ist immer gut für Überraschungen. Wir wollen uns mit der Spitzenkandidatur frühestens nach der Bundestagswahl und damit nicht vor 2018 beschäftigen. Es wird einen gemeinsamen Vorschlag von Partei- und Fraktionsvorsitzendem und ein offenes Verfahren geben. Wichtig ist, dass wir einen starken und vor allem überzeugenden Kandidaten aufstellen. Ob das am Ende eine Frau oder ein Mann ist – das ist zweitrangig.

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