Hamburg . Das 18.493 Quadratmeter große Gebäude der Kammer am Adolphsplatz gehört der Stadt – trotzdem zahlt Hamburg Miete. Die Gründe.
Der Bund der Steuerzahler und Bürgerschaftsabgeordnete haben Kritik an den Bedingungen geübt, zu denen die Handelskammer das von ihr belegte Gebäude am Adolphsplatz nutzen kann. Was viele nicht wissen: Das Grundstück auf der Rückseite des Rathauses, auf dem das Kammergebäude steht, gehört der Stadt – ebenso wie die Immobilie selbst.
Laut einer Senatsantwort auf eine Anfrage der fraktionslosen Bürgerschaftsabgeordneten Dora Heyenn darf die Kammer das Gebäude mit einer Fläche von 18.493 Quadratmetern und einem Verkehrswert von 11,1 Millionen Euro kostenlos nutzen. Dafür trägt sie alle „öffentlichen Lasten des Grundstücks und erhebliche Unterhaltungskosten“. Aufgrund eines Überlassungsvertrags von 1971 ergebe sich „eine eigentümerähnliche Stellung der Handelskammer“.
Stadt überlässt das Gebäude und zahlt dafür Miete
Obwohl die Stadt der Kammer das Gebäude kostenlos überlässt, zahlt sie sogar selbst Miete an die Kammer: jährlich 96.000 Euro (inklusive Nebenkosten) für die Nutzung von 475 Quadratmetern für das Welcome Center, in dem Neu-Hamburger aus dem In- und Ausland beraten werden. Außerdem rund 13.700 Euro für dessen Reinigung. Der Quadratmeterpreis ohne Nebenkosten beträgt 16,84 Euro. Insgesamt erwirtschaftet die Kammer jährlich rund 500.000 Euro an Einnahmen durch Vermietung von Räumen an Dritte.
„Es ist ein wahrer Schildbürgerstreich, dass die Stadt ein Gebäude in Eins-a-Lage quasi verschenkt und dieses dann auch noch teilweise teuer zurückmietet“, sagte Lorenz Palte, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler Hamburg, dem Abendblatt. „So was ist dem Steuerzahler nur schwer zu vermitteln. Wir fragen uns, ob dies die wirtschaftlichste Lösung im Sinne der Bürger ist.“ Allerdings sei zu berücksichtigen, „dass die Handelskammer jährlich einen siebenstelligen Betrag in die Instandhaltung des Gebäudes investieren muss“. Diese Kosten spare sich die Stadt.
Kammer investiert bis zu zwei Millionen Euro pro Jahr
Tatsächlich investiert die Kammer in den vergangenen Jahren jeweils zwischen 1,5 Millionen und zwei Millionen Euro in das Gebäude. Würde die Stadt die Immobilie allerdings selbst vermieten, würde sie mehr als 3,7 Millionen Euro jährlich an Miete einnehmen – wenn man die für das Welcome Center gezahlten 16,84 als Quadratmeterpreis und die Gesamtfläche von 18.493 Quadratmetern zugrunde legt. Diese Miete sei für ein Gebäude dieser Kategorie in dieser Lage marktgerecht, sagte Thomas Schmitz vom Immobilienmakler Grossmann & Berger dem Abendblatt. Für Neubauten am Neuen Wall lägen die Mieten für Gewerbeimmobilien mittlerweile bei mehr als 25 Euro pro Quadratmeter.
Ulrich Brehmer, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handelskammer, verwies darauf, dass „die Kaufmannschaft Gebäude und Grundstück des Börsenkomplexes nach dessen Erstellung 1841 innerhalb von 19 Jahren und damit elf Jahre früher als damals vereinbart durch Rückzahlung einer Anleihe finanziert“ habe. „Im Übrigen hat die Kaufmannschaft nach dem Zweiten Weltkrieg den Wiederaufbau nahezu vollständig und zuletzt in den 1990er-Jahren die aufwendige Fassadensanierung völlig alleine getragen.“
Die Einnahmen aus Vermietung trügen zum Teil zur Refinanzierung der 1,5 bis zwei Millionen Euro bei, die die Kammer jährlich zum Erhalt des denkmalgeschützten Gebäudes investiere, so Brehmer. „Aufgrund ihrer eigentümergleichen Stellung sind Forderungen nach Mietzahlungen der Handelskammer an die Stadt absurd.“ Wer das Gebäude vor 175 Jahren zu welchen Anteilen finanziert habe, lasse sich nicht mehr genau rekonstruieren. Laut einer Untersuchung von 1991 wäre es „weder ohne den Senat noch ohne die Wirtschaft gebaut worden“.
„Im Privatrecht wäre ein solches Geschäft sittenwidrig"
Die ehemalige Linken-Fraktionschefin und heute fraktionslose Bürgerschaftsabgeordnete Dora Heyenn sagte, es sei „schwer nachvollziehbar“, dass der Handelskammer die Immobilie kostenlos überlassen werde. „Der Gipfel ist allerdings, dass die Stadt Räume, die der Handelskammer mietfrei zur Verfügung gestellt werden und die sie offenkundig nicht (mehr) benötigt, für das Welcome-Center nutzt und dafür jährliche Miete oder Pacht zahlt“, so Heyenn. „Im Privatrecht wäre ein solches Rechtsgeschäft sittenwidrig und von Anfang an nichtig. Keine Industrie- und Handelskammer bundesweit bekommt so viel Geld vom Steuerzahler wie die Handelskammer Hamburg. Erinnert man sich, dass der Geschäftsführer ein Gehalt bezieht, das mehr als doppelt so hoch ist wie das des Bürgermeisters, dann kann man nur noch von einem Skandal sprechen.“
SPD und Grüne äußerten sich moderater. „Die Nutzungen des Gebäudes haben sich in den letzten Jahrzehnten verändert“, sagte SPD-Wirtschaftspolitiker Hansjörg Schmidt. „Daher kann eine Prüfung der Zeitgemäßheit des Vertrags – auch die vom CDU-Senat auf den Weg gebrachte Vereinbarung für das Welcome-Center – sinnvoll sein.“ Der Grünen-Abgeordnete Farid Müller sagte: „Nicht alle Verträge, die man vor 45 Jahren abgeschlossen hat, würde man heute so wiederholen. Um falschen Eindrücken entgegenzuwirken, empfehlen wir der Handelskammer, die Unterhaltskosten transparent zu machen.“