Hamburg. Delegation der Industrie- und Handelskammer ist zu diesem Zweck in die Konzert- und Kongresshalle Bambergs gereist.
Händler schauen gern nach Oberfranken. Der nördliche Regierungsbezirk in Bayern hat die zweithöchste Industriedichte Europas. Hier sitzen viele Automobilzulieferer. In Oberfranken liegt das Zentrum der deutschen Glas- und Keramikindustrie sowie der Polstermöbelindustrie – aber kein Hafen. Mit Schiffen und Hafenwirtschaft hat Oberfranken tatsächlich überhaupt nichts zu tun. Dennoch ist Mitte Juli eine hochrangige Delegation der Industrie- und Handelskammer (IHK Nord) mit massiver politischer Unterstützung aus dem Hamburger Senat in die Konzert- und Kongresshalle Bambergs gereist, um für die deutschen Seehäfen zu werben.
Der Grund: Oberfranken stellt viele Produkte fürs Ausland her. Die Exportquote liegt bei mehr als 50 Prozent. Die oberfränkische Industrie ist also auf gut funktionierende Seehäfen angewiesen sowie auf eine effiziente Transportkette an die Küste. Zumal der Handel weiter wachsen wird. 2010 hat Oberfranken Güter mit einem Wert von fünf Milliarden Euro über die Seehäfen wie Hamburg, Bremerhaven oder Kiel in alle Welt verschifft. Bis 2030 wird dieser Wert auf 12,1 Milliarden Euro steigen. Das ist das Ergebnis einer grundlegenden Studie zur Bedeutung der deutschen Seehäfen für die Volkswirtschaft, die das Hamburger Beratungsbüro MWP für die Arbeitsgemeinschaft Norddeutscher Industrie- und Handelskammern erstellt hat.
Wirtschaftssenator Horch war selbst vor Ort in Bamberg
Und das Oberfranken immer stärker von Hamburg, Bremerhaven und Co. abhängig ist haben die IHK-Vertreter und der mitgereiste Hamburger Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) auch den oberfränkischen Managern und Politikern erzählt. Dabei war die Reise in die fränkische Provinz kein spontaner Besuch, sondern Bestandteil einer ausgeklügelten, Jahre andauernden Maritimen Roadshow, mit der der Norden bei der deutschen Wirtschaft für seine Seehäfen werben will. Start war in Augsburg, dann gastierten die Küstenvertreter in Frankfurt, Berlin, Duisburg, München und eben in Bamberg. Nächstes Jahr ist eine größere Veranstaltung in Nordrhein-Westfalen angedacht.
Denn auch da haben die Norddeutschen die passenden Zahlen parat. Beispiel gefällig? Der Wert der Waren, die aus dem Landkreis Borken über deutsche Seehäfen verladen wird, wird sich bis 2030 mehr als verdreifachen. Von den in der Stadt Bottrop für den Export hergestellten Gütern werden vor allem Maschinen und Fahrzeuge, die in deutschen Seehäfen verladen werden, im Warenwert zunehmen. Und zwar bis 2030 um rund 200 Millionen Euro.
Die Studie ist sehr detailreich: Für jeden Landkreis Deutschlands hat die IHK Nord die Bedeutung der Seehäfen unter die Lupe genommen. Dabei geht es übrigens nicht nur um die deutschen Häfen. So erfährt man zwar, dass beispielsweise die Häfen des Landkreises Böblingen Bremerhaven und Hamburg heißen. Der Grund ist klar: Fahrzeug-Export der Marke Daimler. 92 Prozent des Auslandsgeschäftes wickelt Böblingen über deutsche Seehäfen ab, nur acht Prozent über ausländische wie Rotterdam und Antwerpen. Ganz anders verhält es sich allerdings beispielsweise beim Landkreis Euskirchen. Von dort gehen nur elf Prozent der Waren über die Seehäfen im Norden in den Export, 89 Prozent über ausländische Häfen im Westen. Der Grund ist geografischer Natur: Euskirchen bei Bonn ist nur 200 Kilometer von Antwerpen entfernt, aber 470 Kilometer vom Hamburger Hafen.
Dennoch lohnt sich auch ein Vortrag in Nordrhein-Westfalen, glauben die Strategen der IHK. Das Ziel des Werbefeldzugs ist klar: Es sollen bundespolitisch der Sinn für die Bedeutung der Seehäfen geschärft und mehr finanzielle Mittel in den Infrastrukturausbau zu den Küsten kanalisiert werden. Das war auch der Hintergrund der Studie. „Damit kann sich zum Beispiel jeder Bundestagsabgeordnete ein Bild von der Bedeutung unserer Seehäfen für seinen eigenen Wahlkreis machen“, sagt Fritz Horst Melsheimer, Hamburger Handelskammer-Präses und Vorsitzender der IHK Nord.
Bundesgelder sollen dank der Studie in den Norden fließen
„Auch in Zukunft werden gut zwei Drittel des seewärtigen Außenhandels über die deutschen Seehäfen abgewickelt – ungeachtet des Werbens der Häfen Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen, aber auch der Hafenstandorte aus dem Adria-Raum“, ergänzt der Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg, Hans-Jörg Schmidt-Trenz.
Den Nordländern bietet das Papier zudem gute Argumente, wenn es in Berlin um die Verteilung von Bundesgeldern für Infrastrukturprojekte geht. „Wir haben ein gemeinsames Interesse an einem leistungsstarken Verkehrskorridor und suchen Fürsprecher bei den Landesregierungen, Landkreisen und Kommunen“, sagt Kammergeschäftsführer Schmidt-Trenz. Die Rohstoffe würden über den Seehafen importiert und zur Fabrik gebracht, die Fertigprodukte würden von der Fabrik über den Seehafen in die Welt exportiert. Daher müsse der gesamte Korridor leistungsfähig sein. Im jüngst beschlossenen Bundesverkehrswegeplan seien viele dafür wichtige Projekte verankert. „Im Grundsatz begrüßen wir den Plan“, sagt Schmidt-Trenz.