Hamburg. Prozess der Kammer-Rebellen: Ein Richter soll den Klägern gegen die Handelskammer auf ungewöhnliche Art geholfen haben.

Der Streit zwischen der Handelskammer und ihren kritischen Mitgliedern wird immer bizarrer. Kurz vor der für den 3. August angesetzten Gerichtsverhandlung, in der es um Äußerungen von Kammer-Präses Fritz Horst Melsheimer geht, hat die Kammer den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht wegen Befangenheit abgelehnt, weil er dem Kläger bei der Formulierung der Klage geholfen haben soll.

Darum geht es: In seiner traditionellen Silvester-Rede hatte Melsheimer, wie üblich, zu fast allen Bereichen der Hamburger Politik Stellung genommen. Dabei sind solche „allgemeinpolitischen Äußerungen“ den Kammern untersagt. Das hatte erst Ende Juni das Bundesverwaltungsgericht in einem Grundsatzurteil bestätigt. Der Hamburger Immobilienunternehmer Bernd C. Jakovlev hatte daraufhin auf Unterlassung geklagt. Dem zuständigen Richter war das jedoch zu unbestimmt. Jedenfalls forderte er den Unternehmer am 9. Mai auf, er möge konkret bezeichnen, welche Äußerungen des Präses er beanstandet.

Hat ein Richter die Klage mitformuliert?

Jakovlev will dieses Schiftstück jedoch nie erhalten haben und hat daher auch nicht reagiert. Dennoch stellte der Richter am 5. Juli fest, dass das Klagebegehren nunmehr hinreichend bestimmt sei.

Hier setzt der Vorwurf der Anwälte der Kammer aus der Kanzlei Graf von Westphalen an: Demnach soll der Richter dem Kläger in unzulässiger Weise bei der Formulierung der Klage geholfen haben. Daher sei seine Befangenheit nicht auszuschließen. „Nachdem der Kläger der Aufforderung, sein Klagebegehren deutlich zu machen, nicht nachgekommen ist, hat der Vorsitzende Richter die Klage nun selbst formuliert“, sagte Kammer-Sprecher Jörn Arfs dem Abendblatt. „Das ist in dieser Form sehr ungewöhnlich und befremdet uns.“

Frei Kammern sprechen von "Tricks"

Der Richter wies den Vorwurf in einer Dienstlichen Äußerung zurück: Er habe lediglich seine Pflicht wahrgenommen, den Willen des Klägers zu ermitteln. Wie eine Gerichtssprecherin sagte, sei die Kammer 17 des Verwaltungsgerichts mit vier Richtern besetzt. Über den Befangenheitsantrag entscheiden allein die drei nicht davon betroffenen Richter. Die Verhandlung am 3. August solle in jedem Fall stattfinden. „Es verwundert mittlerweile schon nicht mehr, dass die Handelskammer mit allen prozessualen Tricks versucht, eine Klärung zu verzögern“, sagte Kai Boeddinghaus, Geschäftsführer des Bundesverbands für freie Kammern, der Jakovlev in seiner Klage unterstützt.

Bedenklich sei auch, dass die Handelskammer allein zwischen Juli 2014 und Juli 2016 mehr als einhunderttausend Euro für Anwalts- und Gutachterhonorare in Streitverfahren gegen eigene Mitglieder aufbringen musste, so Boeddinghaus. Kammersprecher Arfs räumte ein, dass neun Verfahren anhängig seien, die zum Teil bis 2012 zurückreichen und die Summe daher noch höher sei: „Durch diese Angriffe auf die Arbeit der Kammer sind in diesen vier Jahren bislang Anwaltskosten in Höhe von circa 194.000 Euro aufgelaufen.“

Die Verfahren habe sich die Kammer aber nicht ausgesucht. „ Gleichwohl müssen wir professionell damit umgehen, und dazu gehört auch eine anwaltliche Unterstützung."