Hamburg. Der große Überblick vom Hamburger Abendblatt: Was ändert sich nach dem Kompromiss in der Ganztagsbetreuung an Hamburgs Schulen?
Der Ort war bewusst gewählt: Der relativ schlichte Bürgersaal im Rathaus symbolisiert gewissermaßen die Verständigung zwischen Politik und Bürgern ohne allzu aufwendige Repräsentation. Und darum ging es auch beim „Guten Ganztag“: Die Volksinitiative gleichen Namens hat sich mit den Regierungsfraktionen von SPD und Grünen, wie berichtet, auf Qualitätsverbesserungen bei der Ganztagsbetreuung an Schulen verständigt.
Im Bürgersaal erläuterten beide Seiten die konkreten Ergebnisse ihrer mehr als 55-stündigen Verhandlungen. Insgesamt sollen bis 2020 rund 25 Millionen Euro in Räume und Küchen investiert werden. Zur Verbesserung des Personalschlüssels werden schrittweise bis 2020 rund 350 Erzieher-Vollzeitstellen geschaffen. Wenn die Bürgerschaft alle Neuerungen am morgigen Donnerstag beschlossen hat, will die Volksinitiative das Volksbegehren stoppen und damit den Weg zu einem Volksentscheid beenden.
Die Vereinbarungen zur Ganztagsbetreuung im Einzelnen
Räume und Flächen: Bei Neuplanungen von Schulen werden die Belange des Ganztags und dessen Träger bislang nicht hinreichend berücksichtigt. Das sogenannte Musterflächenprogramm, das den Raumanspruch einer Schule festlegt, bezieht die für einen guten Ganztag erforderlichen Räume zum Toben, Ausruhen und Spielen nicht angemessen ein. Beides soll geändert werden. Der Sonderfonds in Höhe von 25 Millionen Euro soll zur Hälfte genutzt werden, um das Raumangebot bestehender Schulen zu optimieren. Das kann die Anschaffung von Mobiliar bedeuten oder die Umgestaltung nicht für den Unterricht genutzter Räume. Entscheidend ist, dass die Schulen selbst ein Raumkonzept nach ihren Bedürfnissen entwickeln sollen.
Küchen und Kantinen: Die andere Hälfte des Sonderfonds steht für die Verbesserung der Ernährungssituation bereit. Bei allen Neuplanungen soll die Vitalküche Standard werden, in der gewaschene und zerkleinerte Lebensmittel frisch zubereitet werden. Vitalküchen sind mit 50.000 Euro deutlich billiger als die Produktionsküchen, die mit bis zu einer halben Million Euro zu Buche schlagen. Nach Angaben von Schulsenator Ties Rabe (SPD) sollen 95 Schulen bis 2020 einen Küchen- und Kantinenbereich erhalten. An 30 Standorten, die 2016 fertiggestellt werden sollen, sind Planänderungen nicht mehr möglich. Bei 30 weiteren Küchen, deren Einbau 2017 abgeschlossen wird, soll geprüft werden, ob Umplanungen noch möglich sind. An den verbleibenden Standorten soll eine Vitalküche installiert werden.
Umbaubedarf besteht auch an vielen der 60 Gymnasien, die lediglich eine Cafeteria haben, die nur für die Jahrgänge sieben bis zehn ausgelegt sind. „Das entspricht heute nicht mehr der Realität, weil auch die anderen Schüler essen wollen“, sagte Rabe. Seit 2011 sind für den Bau von 200 Schulküchen rund 200 Millionen Euro ausgegeben worden. Alle Schulen sollen Ernährungskonzepte erstellen, die sich an einem künftigen „Leitfaden Schulverpflegung“ orientieren. Nach Ausschöpfung des Sonderfonds sollen von 2021 an jährlich dauerhaft 1,5 Millionen Euro zur Verfügung stehen.
Personal: Die Volksinitiative hatte die Absenkung des Erzieher-Kind-Schlüssels von 1:19 auf 1:15 beziehungsweise 1:11 in sozialen Brennpunkten gefordert. Vereinbart wurde eine Aufstockung des Personals um zunächst zehn Prozent (ab 2017/18) und dann 17,5 Prozent (ab 2019/2020) an allen Grundschulen. In der zweiten Stufe soll auch zur Betreuung der Fünft- und Sechstklässler an Stadtteilschulen zehn Prozent mehr Personal zur Verfügung gestellt werden. Die Personalverstärkung, die 350 Erzieher-Vollzeitstellen entspricht, kostet in der Endstufe 2020 rund 17 Millionen Euro.
Qualität und Beteiligung: An jeder Schule soll ein Qualitätsmanagement zur Verbesserung des Ganztagsangebots eingerichtet werden. Der Senat erstellt jährlich Fortschrittsberichte für Bürgerschaft, Träger, Verbände, Elternkammer und Volksinitiative. Das Schulgesetz soll geändert werden, damit ein paritätisch besetzter Ganztagsausschuss an jeder Schule eingerichtet werden kann, der die Schulkonferenz in allen wichtigen Fragen ganztägiger Betreuung und Bildung berät. Das sagen die Beteiligten: SPD-Fraktionschef Andreas Dressel hob das gemeinsame Ziel hervor, den Ganztag zu verbessern. „Die Vereinbarung ist in Zeiten der Schuldenbremse ein großer, aber gerade noch vertretbarer Kraftakt“, sagte Dressel. „Wir haben sehr gute Lösungen gefunden, die die Qualität des Ganztags deutlich erhöhen werden“, sagte Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks. Schulsenator Rabe: „Das ist ein guter Tag für die Schulen und den Schulsenator, weil er Rückenwind für die Schulen bedeutet. Für die Regierung ist es nicht ganz einfach, weil der Rückenwind bezahlt werden muss.“
„Kinder haben mehr Ansprechpartner am Nachmittag, Fehlzeiten können ausgeglichen werden“, sagte Christina Dwenger, Vertrauensfrau der Initiative. „Wir haben erste Schritte zur Verbesserung der Qualität vereinbart und viele Kompromisse gemacht“, sagte Vertrauensfrau Manja Scheibner. „Unser Einsatz für Hamburgs Kinder hat sich gelohnt“, sagt Gerd Kotoll. Das sagt die Opposition: „Verbesserungen sind dringend erforderlich. Die Volksinitiative hat wichtige Ziele erreicht“, so Karin Prien (CDU). „Was die Einigung wert ist, muss sich noch zeigen. Ein Großteil der Verantwortung wird an die Schulen weitergereicht“, so Anna von Treuenfels-Frowein (FDP). Sabine Boeddinghaus (Linke) sprach von einer „Punktlandung“ für eine bessere Qualität des Ganztags.