Altstadt. Nach Veto von Umweltsenator Jens Kerstan gab es intensive Nachverhandlungen. Opposition kritisiert: “Seriöse Politik sieht anders aus.“
Nach dem öffentlichen Veto des grünen Hamburger Umweltsenators Jens Kerstan gegen das „Bündnis für das Wohnen“ haben SPD und Grüne am Sonnabend in Krisen-Treffen versucht, die Unstimmigkeiten auszuräumen. In "konstruktiven und ergebnisorientierten Gesprächen“ hätten sich die beiden Fraktionsvorsitzenden Andreas Dressel (SPD) und Anjes Tjarks (Grüne) mit den Staatsräten Matthias Kock (Stadtentwicklung) und Michael Pollmann (Umweltbehörde) "auf einvernehmliche Eckpunkte zur Umsetzung des vereinbarten Bündnisses für das Wohnen geeinigt", teilten SPD und Grüne am Sonnabend in einer gemeinsamen Erklärung mit.
"Gemeinsam mit unseren Bündnispartnern aus der Wohnungswirtschaft wollen wir das Bündnis für das Wohnen zum Erfolg führen“, heißt es in dem Papier. "Auf Basis des Bündnistextes haben wir in vertrauensvollen Gesprächen Eckpunkte zur Umsetzung für Stadtentwicklungs- und Umweltbehörde vereinbart, die teilweise im Detail in den nächsten Tagen noch weiter konkretisiert werden müssen. Das ist eine gute Grundlage, um die vereinbarten Ziele auch zu erreichen.“
"10.000 Baugenehmigungen sind machbares Ziel"
Die Koalition wolle "diesen Prozess weiter eng begleiten“. Dabei solle vor allem sichergestellt werden, dass ein Ausgleich für die geplante Bebauung von Frei- und Grünflächen geschaffen werde. So sollten etwa "zusätzliche öffentliche Mittel für Erhalt und Pflege von Natur- und Grünflächen gewonnen werden“.
Es liege in der Natur der Sache, "dass es bei diesem Bündnis und seiner Umsetzung immer wieder gelingt und gelingen muss, unterschiedliche Interessen auszugleichen, um das große Ziel, viele neue Wohnungen für viele Hamburgerinnen und Hamburger, auch tatsächlich zu erreichen“, so die Erklärung der beiden Fraktionsvorsitzenden. "10.000 Baugenehmigungen sind bei der aktuellen Baukostenentwicklung ein ambitioniertes aber machbares Ziel, das einen klugen Umsetzungsweg zur Zielerreichung verlangt, bei dem die Belange des Klima- und Naturschutzes sowie des Mieterschutzes vernünftig zum Ausgleich zu bringen sind.“
Kerstan verweigert Unterschrift
Wie das Abendblatt exklusiv am Sonnabend berichtete, hatte der grüne Umweltsenator Jens Kerstan gesagt, er werde den Vertrag zum „Bündnis für das Wohnen“ in der bisherigen Fassung nicht unterschreiben. Kerstan hatte insbesondere Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) scharf kritisiert, die offenbar ohne Absprache mit der Umweltbehörde am Donnerstag verkündet hatte, das Bündnis sei bereits unter Dach und Fach.
Bei dem Streit geht es neben der Frage, wie die Bebauung von Grün- und Schutzgebieten ausgeglichen werden soll, auch darum, in welcher Form in der Innenstadt nachverdichtet wird. Die Grünen plädieren dafür, etwas stärker in die Höhe zu bauen und dafür weniger Grünflächen zu bebauen. Die aktuelle Erklärung zeigt, dass Kerstan und seine Partei sich in diesem ersten offenen Machtkampf mit der SPD zumindest in weiten Teilen durchzusetzen scheinen.
Senator Kerstan und seine Umweltbehörde äußerten sich am Sonnabend nicht zu den Gesprächen. Das dürfte auch daran liegen, dass bisher erst Eckpunkte eines Kompromisses erarbeitet wurden. Eine endgültige Einigung wird frühestens für die kommende Woche erwartet.
Kritik der CDU: "So verspielt man politisches Vertrauen"
Heftige Kritik kommt von der Opposition. "Ausgerechnet in dem für die Stadt so wichtigen Politikfeld wie dem Wohnungsbau murksen SPD und Grüne um die Wette", erklärte André Trepoll, Fraktionsvorsitzender der CDU-Bürgerschaftsfraktion, am Sonntag. "So verspielt man politisches Vertrauen. Da ist es kein Wunder, dass große Teile der Wohnungswirtschaft aus dem Bündnis für das Wohnen ausgestiegen mussten. Seriöse Wohnungsbaupolitik sieht anders aus."
Birgit Stöver, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der CDU, ergänzte: "Viele Hamburger machen sich Sorgen, dass die letzten Grünflächen der Stadt, dem ungehemmten Städtebau zum Opfer fallen", so Stöver. Der Erhalt von Freiflächen sei den Menschen wichtig. "Anstatt Grün- und Freiflächen für den Siedlungsbau zu opfern, wäre eine Nachverdichtung und eine maßvolle Aufstockung bzw. höhere Neubauten der richtige Weg."