Altstadt. Der Umweltsenator ist verärgert und will Veto einlegen. Warum das Abkommen zwischen Senat und Wohnungswirtschaft so heikel ist.

Hamburgs Bündnis für das Wohnen gilt weit über die Grenzen der Hansestadt hinaus als ein Erfolgsmodell. Angesichts des in der Hansestadt angespannten Wohnungsmarkts einigten sich im Jahr 2011 der SPD-Senat und die Wohnungswirtschaft darauf, jedes Jahr mindestens 6000 Wohnungen zu bauen – 2000 davon öffentlich gefördert. Mit dem Ende der Legislaturperiode im März 2015 lief auch die Bündnisvereinbarung aus.

Der Erfolg ist – vor allem im Vergleich mit anderen Metropolen – beeindruckend. Nach Anfangsschwierigkeiten schnellten die Bauzahlen in die Höhe. Rund 25.000 Wohnungen wurden in den vergangenen fünf Jahren fertiggestellt. Auch für die nahe Zukunft sieht es gut aus: Für 18.000 Wohnungen liegt eine Baugenehmigung vor.

Fast ein Jahr zogen sich die Verhandlungen über eine Neuauflage hin. Am Donnerstag war es so weit, und Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) konnte eine Einigung verkünden. 10.000 Baugenehmigungen pro Jahr sollen es jetzt werden. Die Bezirke werden stärker eingebunden. Egal, mit wem man sprach: allen war die Zufriedenheit anzumerken, dass die Kuh jetzt vom Eis ist.

Die Ankündigung von Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne), die Vereinbarung nicht unterschreiben zu wollen, gefährdet eines der wichtigsten Versprechen des rot-grünen Senats – kontinuierlich jedes Jahr Wohnungen zu bauen, um nachhaltig die Wohnungsnot lindern und den Mietenanstieg bremsen zu können.

Viele unterschiedliche Interessen müssen an einen Tisch

Die Herausforderung des Bündnisses besteht darin, Partner mit unterschiedlichen Interessen an einen Tisch zu bekommen. Zum einen ist da die Bauwirtschaft, ohne die ein Wohnungsbauprogramm nicht machbar ist. Zum anderen sind es die Bauämter der sieben Hamburger Bezirke, ohne deren Beamte im Alltagsgeschäft nichts läuft.

Das Erfolgsgeheimnis des ersten Bündnisses für das Wohnen lag in der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Regelmäßig trafen sich Beamte aus der Baubehörde und den Bezirken mit Vertretern von Wohnungsgenossenschaften, Baufirmen, Maklern und Grundeigentümern. Probleme wurden früh angesprochen und ausgeräumt.

Die Verhandlungen über eine Neuauflage des Bündnisses nach der Bürgerschaftswahl waren trotz der Erfolgsbilanz von Anfang an mit Problemen behaftet. Unter dem reinen SPD-Senat gehörte die Umwelt- zur Stadtentwicklungsbehörde, und die damalige Senatorin Jutta Blankau machte keinen Hehl daraus, dass ihr der Bau von jährlich 6000 Wohnungen mehr am Herzen lag als die Forderungen nach einem „überzogenen“ Umweltschutz.

Das lag auch daran, dass sich unter Baupolitikern und bei der Wohnungswirtschaft mehr und mehr Widerstand gegen eine weitere Erhöhung energetischer und umwelttechnischer Anforderungen an den Wohnungsbau formiert hatte. Experten zufolge verursachen diese Anforderungen in erheblichem Maß steigende Baukosten, die – vor allem in Ballungsgebieten – die Mietpreise nach oben treiben. In Hamburg, heißt es, ist es ohne staatliche Förderung kaum mehr möglich, für weniger als zwölf Euro pro Quadratmeter eine Wohnung zu bauen.

Allerdings galt auch die Mietpreisbremse seit ihrer flächendeckenden Einführung am 1. Juni 2015 als Zankapfel zwischen Senat und Wohnungswirtschaft. Letztere wies stets daraufhin, dass in weniger angesagten Stadtvierteln die Nachfrage nach Wohnraum bereits stagniere. Eine Mietpreisbremse, wonach Neumieten nur noch maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen dürfen, würde hier die Probleme verschärfen.

Olaf Scholz wollte retten, schaltete sich ein

Um das Bündnis zu retten, schaltete sich in den vergangenen Monaten Bürgermeister Olaf Scholz selbst in die Verhandlungen ein. Verhandlungsteilnehmer berichteten, dass alle wichtigen Punkte seiner Zustimmung bedurften – auch der Verzicht auf ein bereits versprochenes wissenschaftliches Gutachten über die Lage des Wohnungsmarktes in den einzelnen Stadtteilen.

Daneben macht Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt seit Monaten keinen Hehl daraus, dass Hamburg auf der grünen Wiese wachsen muss, um den jährlichen Zuzug von mehreren Zehntausend Menschen zu bewältigen. Kritik daran war von den Grünen eher wenig zu hören. Auch den Plan, 4800 Expresswohnungen für Flüchtlinge – ein Teil davon auf Grünflächen – zu errichten, trug der kleine Koalitionspartner mit.

Der jetzt um das Bündnis für das Wohnen entstandene Streit ist kein innerkoalitionäres Problem, das SPD und Grüne allein lösen können. Der Staat – darauf hat der Bürgermeister wiederholt hingewiesen – baut keine Wohnungen, sondern benötigt dafür die Bau- und die Wohnungswirtschaft. Hier allerdings gelten allein die Regeln der Ökonomie. Wenn sich der Bau von Wohnungen für ein Unternehmen nicht rechnet, dann wird es sich ein anderes Geschäftsfeld suchen (müssen).