Hamburg. Opposition kritisiert Till Steffen (Grüne) nach der erneuten Entlassung eines Tatverdächtigen aus der Untersuchungshaft scharf.

Die erneute Entlassung eines Tatverdächtigen aus der Untersuchungshaft hat die Diskussion über die Überlastung der Justiz verschärft. „Skandalsenator Till Steffen stümpert weiter und bekommt die Skandale offenbar nicht in den Griff“, wetterte der CDU-Justizpolitiker Richard Seelmaecker. „Erneut müssen Opfer von Straftaten fassungslos zusehen, wie der mutmaßliche Täter aus dem Gefängnis spaziert, nur weil der Senator trotz schriftlicher Hilferufe aus der Justiz nicht Abhilfe schafft.“ Die Gerichte müssten endlich personell dauerhaft so ausgestattet sein, dass sie ihrem rechtsstaatlichen Auftrag nachkommen können.

Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) hatte am Freitag der vergangenen Woche angeordnet, den 24 Jahre alten Mehmet Y. unverzüglich aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Y., der seit Mitte April hinter Gittern sitzt, ist wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht angeklagt. Da die zuständige Strafkammer auch aus Gründen der Überlastung den Prozessbeginn auf Mitte November festgelegt hat, hätte Y. dann sieben Monate in U-Haft gesessen – aus Sicht des OLG unverhältnismäßig lange.

Bereits im Mai waren die wegen Totschlags noch nicht rechtskräftig verurteilten Cousins Hakan und Ali Y. ebenfalls auf Beschluss des OLG auf freien Fuß gesetzt worden. Seelmaecker bezeichnete es als unhaltbar und unerträglich, dass schwerer Straftaten Verdächtige aus der U-Haft entlassen werden, nur weil ihre Verfahren zu lange dauern. „Hamburg ist keine Bananenrepublik“, sagte der CDU-Politiker.

Kritik kam auch von der FDP. „Die Behauptung des Justizsenators, die Freilassung von Straftätern im laufenden Verfahren wegen überlasteter Gerichte sei ein Einzelfall gewesen, ist widerlegt“, sagte FDP-Justizpolitikerin Anna von Treuenfels. „Steffen ist überfordert mit der raschen Stärkung von Gerichten und Staatsanwaltschaften.“ So erschüttere der Grünen-Politiker das Vertrauen in den Rechtsstaat und gefährde die innere Sicherheit.

Steffen will nach Abendblatt-Informationen drei von fünf zusätzlichen Richtern ans Landgericht entsenden. Die „Richter auf Probe“ sollen im Dezember ihre Arbeit aufnehmen. Doch auch darüber gibt es Streit. Statt unerfahrener Nachwuchsrichter benötige das Gericht, so Seelmaecker, mindestens eine weitere Stelle für einen Vorsitzenden Richter, um eine neue Strafkammer einrichten zu können.

Nach Abendblatt-Informationen stimmt man dem im Landgericht grundsätzlich zu, weist allerdings darauf hin, dass es auch möglich sei, durch interne Umbesetzungen einen zusätzlichen Vorsitzendenposten zu schaffen.