Kopenhagen. Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) auf Dienstreise in Dänemark. Warum er von der Technologie in Kopenhagen beeindruckt ist.

Die meisten Unfälle ereignen sich in der dänischen Hauptstadt angeblich durch Touristen, die Geschwindigkeit und Energie der Zehntausenden Radfahrer unterschätzen, denen hier weite Teile der Straßen gehören. Das würde einem Grünen-Politiker natürlich nicht passieren, dass er gedankenverloren einem CO2-frei rasenden Radler vor den Reifen rennt. Aber Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan hält sich in Kopenhagen auch gar nicht mit dem Radverkehr auf – obwohl mancher das im Vorwege als Zweck der Reise vermutet hatte.

Der Besuch Kerstans und seiner fast 30 Begleiter aus Energiewirtschaft und Verwaltung hat einen ganz anderen Hintergrund: Hamburg wird nach Strom- und Gasnetz 2019 auch die Fernwärme übernehmen – und noch 2015 muss entschieden werden, wie denn künftig die Wärme für die Haushalte in Hamburgs Westen produziert werden soll. Zur Alternative stehen der Neubau eines großen (oder kleineren) Gas-und-Dampf-Kraftwerks in Wedel oder der Verzicht auf einen Neubau und der womöglich jahrzehntelange Umbau des gesamten Fernwärmenetzes, damit mehr kleine Anlagen mit Hilfe erneuerbarer Energien die Haushalte versorgen können.

Hamburg muss sich schnell für eine Technologie entscheiden

„Dänemark ist Deutschland beim Thema Wärmeversorgung um Jahrzehnte voraus“, sagte Kerstan am Dienstag nach dem Besuch einer Niedertemperatur-Fernwärmeanlage in Albertslund. „Bevor wir in Hamburg selber unsere Entscheidungen treffen und uns für die nächsten zehn, 20 oder 30 Jahre festlegen, gucken wir uns hier Erfolgsbeispiele an.“ Kerstan ist vor allem davon beeindruckt, wie in Dänemark auch ältere Siedlungen auf einen modernen technischen Stand der Energieversorgung gebracht würden. „Es ist auch spannend zu sehen, wie in Dänemark Wärmenetze mit Einspeisung von erneuerbaren Energien betrieben werden, auch mit Speichertechnologien“, sagte er. In Hamburg müsse man bald entscheiden, ob man das große Fernwärmenetz wie bisher betreiben wolle, oder ob man es, wie die Dänen, stückweise umbaue „mit Subnetzen oder Nahwärmenetzen“, sagte Kerstan. „Wir wollen uns hier in Dänemark inspirieren und schlau machen lassen.“

Schlau gemacht wurden die Hamburger am Dienstag auch von der dänischen Umwelt- und Energie-Agentur „State of Green“, deren Mitarbeiter darlegten, welchen erstaunlichen Weg Dänemark seit den Ölkrisen der 70er-Jahre in der Energiepolitik gegangen ist. War man früher fast ausschließlich auf importiere Rohstoffe für die Energieerzeugung angewiesen, so deckt das Land mittlerweile 27 Prozent seines Energiebedarfs aus regenerativer Energie, vor allem Wind, Biomasse und Sonnenenergie. Zum Beginn des kommenden Jahrzehnts sollen 35 Prozent der Energie aus erneuerbaren gedeckt werden, davon 50 Prozent aus Wind.

Am heutigen Mittwoch (9. September) stehen ein Besuch bei der staatlichen Energie-Agentur und eine dänisch-hamburgische Konferenz auf dem Programm. Am Nachmittag wird ein Memorandum über die Zusammenarbeit zwischen Kopenhagen und Hamburg in Energiefragen unterzeichnet. Danach reist die Delegation zurück nach Hamburg.