Hamburg . Rot-Grüne Koalitionsgespräche können sich bis tief in die Nacht ziehen. Geschlossene Unterbringung gilt als sicher.
Bei den Koalitionsverhandlungen von SPD und Grünen ist die letzte Woche angebrochen. Für die anstehenden Gesprächsrunden kündigen beide Seiten jeweils ein „open end“ an. Damit ist nicht etwa ein inhaltlich offener Ausgang der Verhandlungen gemeint. Es geht vielmehr darum, dass das zeitliche Ende der Verhandlungen nicht festgelegt wurde. Die Gespräche können also bei Bedarf auch mal bis tief in die Nacht gehen.
Es liegt auf der Hand, dass es bei den ausstehenden Themen Bedarf nach einer langer Aussprache gibt. Bei der Frage nach einer geschlossenen Unterbringung für straffällig gewordene Jugendliche könnten die Positionen von SPD und Grünen nicht unterschiedlicher sein: Die Sozialdemokraten sind dafür, die Grünen sind dagegen. Die Abneigung der Ökopartei gegen geschlossene Heime ist sogar so stark, dass sie 2008 während der schwarz-grünen Koalition noch eines davon an der Feuerbergstraße geschlossen hatte.
Grüne kritisieren Sozialsenator Detlef Scheele
Auch in den Jahren danach ließen die Grünen keinen Zweifel an der eigenen Position aufkommen. Nachdem die Haasenburg-Heime in Brandenburg vor eineinhalb Jahren wegen unhaltbarer Zustände geschlossen wurden und Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) öffentlich einen Ersatz ankündigte, war es vor allem die grüne Familienpolitikerin Christiane Blömeke, die das Vorhaben kritisierte. Aus ihrer Sicht war Scheeles Plan unbegreiflich, „auf ein gescheitertes Konzept zurückzugreifen, um eine kleine, aber schwierige Gruppe“ von Jugendlichen in den Griff zu bekommen.
Die Grünen-Politikerin sagte, dass es möglich sein müsse, der Jugendlichen Herr zu werden, ohne sie wegzusperren. Sie plädierte für „maßgeschneiderte Einzellösungen“, bei denen die Jugendlichen rund um die Uhr betreut werden. Sie warf Scheele weiter vor, falsche Schlüsse zu ziehen. „Zweimal ist das Konzept der geschlossenen Unterbringung bereits gescheitert.“ Geschlossene Heime gehörten aus ihrer Sicht nicht in die Jugendhilfe. Stattdessen benötigen die betroffenen Jugendlichen eine „Eins-zu-eins-Betreuung durch erfahrene Sozialpädagogen und Psychologen, die mit den Jugendlichen an echten Lebensperspektiven arbeiten.“
Wie könnte ein Kompromiss aussehen?
Die bisherigen Verhandlungsrunden haben gezeigt, dass die Grünen sich mit ihren strikten Positionen, etwa zur Elbvertiefung, der Stadtbahn oder der Umweltzone, nicht durchsetzen konnten. So wird es auch bei der geschlossenen Unterbringung sein. Wie also könnte ein Kompromiss aussehen? Gut möglich, dass man sich darauf einigt, Alternativ-Konzepte zu der freiheitsentziehenden Maßnahme, die es ja bereits gibt, stärker zu fördern. Auf diese Weise würde es, wenn geschlossene Heime wieder eingeführt würden, eine Vorstufe dazu geben. Denkbar ist auch, dass die Aktivitäten in der offenen Kinder- und Jugendarbeit wieder erhöht werden. Aber das ist mit Geld verbunden. Scheele hatte vor drei Jahren 3,5 Millionen Euro in diesem Bereich eingespart.
Innerlich haben sich die Grünen schon längst darauf eingestellt, dass die geschlossenen Heime wiederkommen. Parallel zu den Koalitionsverhandlungen laufen nämlich Gespräche zwischen Hamburg und Bremen, in denen eine mögliche Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern abgeklopft werden soll. Bremen hat eine geeignete Immobilie für ein geschlossenes Heim, und Hamburg hat einen Träger und damit ein Konzept zum Betrieb einer solchen Einrichtung. Und so sagt Christiane Blömeke auf Nachfrage: „Fachlich habe ich die geschlossene Unterbringung als Hilfe zur Erziehung immer abgelehnt. Daran ändert auch eine rot-grüne Koalition nichts. Am Ende wird es aber um eine Bewertung des Gesamtpaketes nicht nur im Bereich der Jugendhilfe gehen, sondern auch der gesamten Koalitionsverhandlungen.“
Auch in der Flüchtlingsfrage werden es die Grünen schwer haben
Es fällt auch schwer, sich vorzustellen, wie die Grünen sich auch in der Frage des Umgangs mit Flüchtlingen gegen die SPD durchsetzen. So fordern sie etwa, dass bei Flüchtlingen noch stärker auf jeden Einzelfall geschaut wird. Abschiebungen, die pauschal mit einem „sicheren Herkunftsstaat“ begründet werden, lehnen sie ebenso ab wie Abschiebungen während der Wintermonate. Für die Lampedusa-Gruppe fordern sie pauschal eine „politische Lösung“, die ihr das Bleiben ermöglicht. Große Sammelunterkünfte sehen sie als gescheitert an und fordern stattdessen eine Unterbringung in kleineren Unterkünften.
Gerade in der Lampedusa-Frage haben sich Bürgermeister Olaf Scholz und Innensenator Michael Neumann kompromisslos gezeigt – und waren damit aus ihrer Sicht auch erfolgreich. Und in ihrem Wahlprogramm schreibt die SPD, dass Solidarität mit Flüchtlingen „selbstverständlich“ sei. Sie wolle die Akzeptanz der Unterkünfte durch eine gleichmäßigere Verteilung über die Stadt erhöhen. Minderjährige Flüchtlinge, die rund um die Feuerbergstraße Straftaten verübten, sollen auf kleinere Standorte verteilt werden. Einen Abschiebestopp im Winter lehnt die SPD ab.
Gut möglich, dass man sich darauf einigt, mehr Sprachkurse für Flüchtlingen anzubieten. Denkbar ist auch die Vermittlung von Arbeitsplätzen zu verstärken. Der genaue Zeitpunkt der Einigung ist noch offen – aber in dieser Woche will man fertig sein.
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