Bundesgesundheitsminister würdigt bei Besuch in Hamburg die Leistung des Bernhard-Nocht-Instituts. Epidemie hält noch sechs Monate an.
Hamburg. Als die Ebola-Seuche am schlimmsten wütete und die Angst davor im vergangenen Sommer auch in Deutschland ankam, musste sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ein defensives Verhalten vorwerfen lassen und schließlich einräumen, dass die Bundesregierung die Epidemie und ihre Folgen unterschätzt habe. So weit will er es offenbar nicht noch einmal kommen lassen. Nachdem in Westafrika zunächst ein Rückgang der Neuinfektionen beobachtet wurde, die Weltgesundheitsorganisation WHO im Februar allerdings wieder einen Anstieg der Fälle verzeichnet, informierte sich der Minister am Montag höchstpersönlich im Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) über die aktuelle Lage.
Die Berichterstattung der etwa 20 Ebola-Experten fand in Anwesenheit von Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt statt. Allerdings hinter verschlossenen Türen. Die auf ausdrücklichen Wunsch des Bundesgesundheitsministeriums eingeladenen Journalisten wurden erst zu einem anschließenden Fototermin in den Konferenzraum gelassen.
„Die explosionsartige Ausbreitung, die wir im letzten Spätsommer erleben mussten, ist erkennbar einem deutlichen Rückgang der Neuinfektionen gewichen“, verkündete Hermann Gröhe nach dem Gespräch mit den Wissenschaftlern, die den Höhepunkt der Ebola-Epidemie in Westafrika als überschritten einschätzen aber noch keine Entwarnung geben wollen.
Die internationale Gemeinschaft habe das Ausmaß der Ebola-Epidemie zu spät erkannt, dann aber massive Hilfe geleistet, sagte Gröhe. Vor allem das veränderte Verhalten bei Hygiene und der Isolierung von Infizierten in den betroffenen Ländern habe dazu beigetragen, die Seuche einzudämmen. Voraussetzung dafür sei eine sichere Diagnostik. Die mit Unterstützung der EU geschickten mobilen Labore zusammen mit der Expertise des Hamburger Instituts seien entscheidend gewesen. „Ohne diese diagnostischen Fähigkeiten wäre man dieser Infektion nicht Herr geworden“, erklärte der Minister.
Den Einsatz der BNITM-Mitarbeiter, die im März 2014 die ersten Proben von Ebola-Patienten untersucht hatten und anschließend vor Ort Laboranalysen vorgenommen und Personal geschult haben, lobte der Bundesgesundheitsminister als „großartig“, die Arbeit des Instituts generell als „herausragend“. „Sie nützt der Wissenschaft und schafft Behandlungsmöglichkeiten.“ Derzeit sind zehn bis 15 Mitarbeiter aus Hamburg in Westafrika tätig. Gröhe sprach ihnen seine Anerkennung und seinen Dank aus. Trotz des guten Sicherheitstrainings seien solche Einsätze mit einem gewissen Risiko verbunden. „Insofern bleibt es eine Entscheidung, die auch von persönlichem Mut getragen ist.“
Stephan Günther, Leiter der Abteilung Virologie, schätzt, dass es noch sechs Monate dauern könnte, bis die letzte Neuinfektion aufgetreten sei. „In den letzten drei Wochen gab es mit rund 300 Fällen so viele wie bei einer ,normalen‘ Epidemie“, sagt der Medizin-Professor, der erst in der vergangenen Woche aus Freetown in Sierra Leone zurückgekehrt ist. Das Problem: Um Ebola endgültig besiegen zu können, müsse man alle Kontaktpersonen kennen, mit denen ein Erkrankter zu tun gehabt habe. Sie alle müssten dann über die Maßnahmen informiert werden, die sie im Falle einer Erkrankung beachten sollten. „Steht nur eine Person nicht auf unserer Liste, kann die uns entwischen und anderswo neue Infektionsfälle auslösen“, so Günther. In Nigeria sei es möglich gewesen, die Kontakte von Ebola-Patienten lückenlos zu erfassen. Dort gilt die Krankheit als nahezu ausgerottet – ebenso in Senegal und Mali.
Seit März vergangenen Jahres starben nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Westafrika bereits mehr als 9400 Menschen an Ebola; rund 23.000 Krankheitsfälle wurden registriert. Nach einem starkem Rückgang der Ebola-Neuinfektionen in Westafrika am Anfang des Jahres, berichtet die Organisation von 144 neuen Fällen in der ersten Februarwoche; in der Woche zuvor waren es noch 124 Neuerkrankungen. Besonders stark war der Anstieg der WHO zufolge in Guinea: Dort gab es in der ersten Februarwoche 65 bestätigte neue Ebola-Fälle, in der Woche zuvor waren es 39 Neuerkrankungen. Die WHO rief zu weiterer Unterstützung im Kampf gegen Ebola auf. Die finanzielle Hilfe der Internationalen Gemeinschaft habe deutlich nachgelassen, das sei ein Grund zur Besorgnis.
In Liberia hat Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf unterdessen am Sonntag die im August 2014 verhängte Ausgangssperre aufgehoben. Da es in dem Land zuletzt immer weniger Neuansteckungen gegeben hatte, nahmen in der vergangenen Woche auch die Schulen wieder ihren Unterricht auf. Vor dem Betreten der Gebäude müssen die Schüler ihre Hände desinfizieren und ihre Temperatur messen lassen. Wann die Grenzübergänge des westafrikanischen Landes wieder geöffnet werden sollen, ist noch unklar.
Weniger entspannt ist Nordkorea: Dort werden aus Angst vor Ebola keine ausländischen Läufer für den Pjöngjang-Marathon im April zugelassen. Von ihren nordkoreanischen Partnern seien sie informiert worden, dass weder professionelle Läufer noch Amateure aus anderen Ländern an dem Straßenlauf teilnehmen könnten, teilte der auf Reisen in das weithin isolierte Land spezialisierte Anbieter Koryo Tours aus Peking mit. Wegen der Ebola-Epidemie in Westafrika gibt es seit Oktober 2014 faktisch keine touristischen Reisen nach Nordkorea. Einreisende werden 21 Tage unter Quarantäne gestellt.