Die FDP wähnt sich im Aufwind, die AfD bröckelt. Meinungsforscher sehen einen Trend – und eine mögliche neue Koalition für Bürgermeister Olaf Scholz.
Hamburg. Elf Tage vor der Bürgerschaftswahl in Hamburg scheinen sich die Umfragewerte für die Parteien erneut zu bewegen. Und es gibt eine überraschende Einschätzung eines prominenten Wahlforschers. Bundesweit rutscht offenbar die eurokritische Alternative für Deutschland (AfD) ab – eine Folge des turbulenten Parteitages in Bremen? Und die FDP erhält Aufwind. Wenn am Sonntag gewählt würde, müsste die AfD um den Einzug in den Bundestag bangen. Im Wahltrend von „Stern“ und RTL verliert die Partei des Hamburger Wirtschaftsprofessors Bernd Lucke einen Prozentpunkt und kommt nun auf 5 Prozent.
Die Linke gewinnt im Vergleich zur Vorwoche einen Prozentpunkt hinzu und liegt wieder bei zehn Prozent. Die FDP kann sich bundesweit um einen Punkt auf vier Prozent verbessern. Dieser Trend zeigte sich zuletzt auch in Hamburg.
Die anderen Parteien: 42 Prozent für CDU/CSU, 23 Prozent für die SPD und 10 Prozent für die Grünen. Auf die sonstigen kleinen Parteien entfallen 6 Prozent. Der Anteil der Nichtwähler und Unentschlossenen beträgt 30 Prozent.
Forsa-Chef Manfred Güllner sagte: „Wenn es die Hamburger FDP-Spitzenkandidatin Katja Suding schafft, am 15. Februar ihre Partei wieder in die Bürgerschaft zu bringen, wäre das auch ein Fanal für die Bremen-Wahl im Mai und für die Bundestagswahl 2017.“ Bei einem Verlust der absoluten Mehrheit könnte die SPD sogar die FDP als Koalitionspartner ins Boot holen. Das hatte Bürgermeister Olaf Scholz allerdings fast ausgeschlossen. Güllner meinte jedoch, dass Scholz einen wirtschaftsfreundlichen Kurs fahre und damit nicht immer auf Linie der Grünen liege.
An diesem Mittwoch steht in der letzten Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft vor der Wahl auch der Wahlkampf im Mittelpunkt. Die SPD will sich in einer Aktuellen Stunde noch einmal unter dem Titel „SPD-Finanzkonzept: Solide Haushaltspolitik zahlt sich aus“ über den grünen Klee loben. Die Opposition dagegen wird alle Register ziehen, um die Sozialdemokraten und Bürgermeister Scholz schlecht aussehen zu lassen.
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Danach stehen Debatten etwa zum Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zum gewaltsamen Tod der dreijährigen Yagmur oder zur Verkehrspolitik auf der Tagesordnung. Zudem befasst sich das Parlament mit der Weigerung der Handelskammer, die Gehälter ihres Spitzenpersonals zu veröffentlichen und sich als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung dem Transparenzgesetz zu unterwerfen.
Letzte Bürgerschaftssitzung mit heiklen Themen
Sämtliche Themen, die in dieser Sitzung nicht abschließend behandelt werden, fallen unter die sogenannte Diskontinuität. Sie gelten damit als erledigt, um nach der Wahl die neuen Abgeordneten nicht an Entscheidungen ihrer Vorgänger zu binden. Will eine Fraktion also, dass über einen nicht mehr erledigten Gesetzentwurf doch noch abgestimmt wird, müsste sie diesen in der kommenden Legislaturperiode – der 21. – noch einmal neu einbringen.
Der Untersuchungsausschuss zu Yagmur hatte seinen Abschlussbericht, über den das Parlament nun debattiert, am 18. Dezember 2014 – genau ein Jahr nach dem Tod des dreijährigen Mädchens – verabschiedet. Das Dokument stellt auf mehr als 500 Seiten die Fehler der Behörden im Umgang mit dem Kind dar. Yagmur stand von Geburt an unter der Aufsicht der Jugendämter. Dennoch wurde das Kind von seiner Mutter über viele Monate so schwer misshandelt, dass es schließlich starb.
Muss die Handelskammer die Geheimniskrämerei beenden?
Die Mutter wurde – noch nicht rechtskräftig – zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Vater muss viereinhalb Jahre ins Gefängnis, weil er von den Misshandlungen wusste, diese aber nicht gestoppt hatte.
Ebenfalls erneut Thema in der Bürgerschaft ist die Geheimniskrämerei der Handelskammer. Hamburg hat als erstes Bundesland im September vergangenen Jahres ein Informationsregister eingerichtet, in das alle Behörden Informationen einstellen müssen. Dazu zählen etwa Verträge, Gutachten oder Vorstandsgehälter.
Das dem Register vorgeschaltete Transparenzgesetz trat im Oktober 2012 in Kraft. Die Handelskammer sieht sich diesem Gesetz jedoch nicht verpflichtet und weigert sich nach wie vor, die Bezüge ihres Spitzenpersonals bekanntzugeben. Nicht einmal die Ergebnisse der jüngsten Wahl von Präses Fritz Horst Melsheimer will die Lobbyorganisation der Wirtschaft veröffentlichen.
Der Chaos Computer Club (CCC) hat deshalb die Handelskammer vor dem Verwaltungsgericht der Hansestadt verklagt. Das Ziel: Die Handelskammer soll als öffentlich-rechtliche Körperschaft Behörden gleichgestellt werden und ihre Daten nach dem Transparenzgesetz in das Informationsregister einstellen.
Das sieht im Grunde auch der Wirtschaftsausschuss der Bürgerschaft so. Er hat dem Parlament deshalb einstimmig empfohlen, den Senat aufzufordern, sich beim Bund für transparentere Regeln einzusetzen. Außerdem soll er bei den Kammern und anderen Organen mittelbarer Staatsverwaltung wie die Universität oder der NDR dafür werben, sich am Informationsregister zu beteiligen.